«Ich bin so, wie ich bin»

Interview im « Profil » vom 27. Oktober 2003

von Robert Treichler

Der Zürcher SVP-Chef Christoph Blocher über Neger, gerupfte Hühner und den Unterschied zwischen ihm und Jörg Haider.

Als Österreicher fühlt man sich angesichts des Wahlkampfs der Schweizerischen Volkspartei (SVP) unweigerlich an den österreichischen Wahlkampf des Jahres 1999 erinnert. Da hatten wir auch böse Schwarzafrikaner, das Gespenst der EU-Osterweiterung, und eine Partei die versprochen hat, sie würde Österreich von all dem erlösen. Sie wissen, wen ich meine?

Blocher: Ja, aber Sie gehen falsch in Ihrer Analyse, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens.

Die Parallelen sind unübersehbar. Sie trommelten im Wahlkampf dieselben Themen wie einst in Österreich die FPÖ.

Blocher: Die illegale Einwanderung in die Schweiz ist ein ungelöstes Problem. Das geht aus dem Sicherheitsbericht der Regierung hervor; auch, dass die Kriminalität unter Ausländern ein starkes Problem ist. Beim Asylmissbrauch stehen wir im Vergleich zu anderen Staaten an der Spitze. Vielleicht hat auch die FPÖ diese Themen in Österreich akzentuiert, die SVP tut es in der Schweiz. Aber da hören die Parallelen auf.

Sie bedienen sich des Sündenbockmotivs.

Blocher: Im Sicherheitsbericht wird gesagt, in welchen Händen der Drogenhandel in der Schweiz ist. Das beim Namen zu nennen, betrachte ich als notwendig.

Es gab ein SVP-Plakat mit dem Slogan „Wir Schweizer sind die Neger Europas“. Auch eine notwendige Botschaft?

Blocher:
Das gab es nicht.

Es wurde nicht plakatiert, aber der Entwurf ging durch die Medien.

Blocher: Es gibt in der Schweiz eine Redensart, um auszudücken, dass jemand zu kurz kommt, die lautet: „Da bin ich wieder der Neger.“ Aber das hat keinen rassistischen Hintergrund. Das stammt aus der Zeit, als die Neger die Benachteiligten waren. Und die SVP von St. Gallen hat Plakate in Auftrag gegeben, die ausdrücken sollten, dass die Schweizer zu kurz kommen, denn viele Leute haben das berechtigte Gefühl, immer mehr Steuern und Abgaben zahlen zu müssen. Einer dieser Entwürfe hat diese Redensart mit den Negern benutzt. Es wurde damit natürlich auch zum Ausdruck gebracht, dass viele Leute das Gefühl haben, man schaue nicht mehr in erster Linie auf die Schweizer. Aber dieses Plakat ist nie gedruckt worden, es wurde ein anderes genommen: Ein gerupftes Huhn, das dieses Gefühl darstellt.

Beobachten Sie eigentlich die Schicksale der Rechtspoulisten, die wie Sie einen sagenhaften Aufstieg geschafft haben und dann recht bald wieder abgestürzt sind?

Blocher: Ich beobachte sie, aber das sind andere Gruppierungen, wir sind ja keine Rechtspopulisten. Die SVP inklusive ihrer Vorgängerpartei ist eine über 85 Jahre alte Regierungspartei.

Die FPÖ ist auch über 50.

Blocher: Wir haben in der Gesamtschweiz einen kontinuierlichen Anstieg in den Wahlergebnissen von 1991 bis heute.

Die FPÖ von 1986 bis 1999.

Blocher: Unser Parteiprogramm unterscheidet sich sehr stark von dem der FPÖ. Wir waren immer gegen den EU-Beitritt. Eine Politik, die Kindergeld verspricht, würden wir nie unterstützen.

Kennen Sie Jörg Haider persönlich?

Blocher: Nein, ich habe ihn nie getroffen. Ich kenne ihn nur aus der Presse.

Sehen Sie Parallelen zwischen Ihnen und Haider?

Blocher: Das wird immer wieder behauptet. Wahrscheinlich, weil ich ein Volkstribun bin, und Herr Haider vielleicht auch einer ist, das weiß ich nicht. Aber was er da etwa abgelassen hat mit seinen Irak-Reisen, kann ich absolut nicht nachvollziehen.

Sie warnen vor dem EU-Beitritt, so wie sie früher vor dem UN-Beitritt der Schweiz gewarnt haben; Die Schweiz würde von den Großmächten der UN gezwungen werden, gegen andere Nationen vorzugehen, und der Terror werde über die Schweiz hereinbrechen. Das war populistische Angstmache, nicht?

Blocher: Nein, so primitiv äußere ich mich nicht. Ich warnte vor der Missachtung der Neutralität. Dass wir uns in keine Konflikte einmischen, ist ein Schutz vor dem Terrorismus. Wenn man sich in internationale Konflikte einmischt und dabei auf Seiten der Mächtigen steht, wird man eher ein Opfer des Terrorismus, das habe ich gesagt.

Es ist aber nicht eingetreten. Bern ist nicht Bali geworden.

Blocher: Jetzt ist die Lage noch ruhig. Aber der aktuelle Konflikt, den die islamischen Staaten gegen das Rote Kreuz führen, hängt damit zusammen.

Wo liegen denn die Gefahren der EU? In Europa herrscht die Ansicht, dass große Probleme wie die Frage der Asylwerber oder der internationalen Kriminalität nicht auf nationaler Ebene lösbar sind. Nur Sie wollen alles auf staatlicher Ebene lösen.

Blocher: Nein, man wird sicher in vielen Fragen der Verbrechensbekämpfung internationalen Informationsaustausch praktizieren müssen. Das setzt aber nicht voraus, dass man seine staatliche Souveränität preisgibt. Wir haben bilaterale Vereinbarungen mit der EU.

Warum, meinen Sie, wollen denn fast alle Nationen der EU beitreten?

Blocher: Ich weiß nicht, ob die Leute das auch wirklich wollen.

Die Abstimmungen enden mit Ja.

Blocher: So eindeutig ist das nicht. Aber für die Schweiz ist es besonders schwierig, der EU beizutreten. Wir haben die direkte Demokratie, wir wählen nicht nur, wir stimmen auch über Sachfragen ab. Wären wir in der EU, könnten wir über viele Fragen nicht mehr an der Urne abstimmen, weil EU-Recht über nationalem Recht steht. Außerdem müssten wir den Schweizer Franken aufgeben, wir könnten unser Schicksal nicht mehr selbst bestimmen. Wir müssten die Mehrwertsteuer auf mindestens 15 Prozent erhöhen, derzeit liegt sie in der Schweiz bei 7,6 Prozent. Das wäre eine enorme Belastung. Für eine Durchschnittsfamilie circa 2700 Euro im Jahr.

Die Schweiz ist eine europäische Hochpreisinsel und dank des Bankgeheimnisses attraktiv als Hort für Diktatorensparbücher. Beides würde bei einem EU-Beitritt verloren gehen.

Blocher:
Das Schweizer Bankgeheimnis gilt nicht für kriminelle Gelder.

Mit Ihrem Wahlsieg sehen Sie jetzt die Möglichkeit, die Schweiz in der Isolation zu bewahren. Was wollen Sie sonst noch erkämpfen? Wollen Sie die konsensuale so genannte „Zauberformel“ ändern?

Blocher: Die Schweiz in der Isolation? So ein Unsinn! Als diese Zauberformel 1959 eingeführt wurde, war die SVP die kleinste Partei und die CVP eine der Großen. Heute ist es umgekehrt. Die CVP muss also einen Sitz hergeben. Das wollten wir schon nach den Wahlen von 1999, aber da sagte man uns ein Schicksal vorher wie heute bei der FPÖ. Unterdessen haben wir den größten Wähleranteil. Kriegen wir den zweiten Sitz nicht, gehen wir in die Opposition, was wir zwar nicht wollen, aber müssten.

Wenn Sie hingegen Regierungsverantwortung übernehmen, werden Sie wohl wieder kleiner werden, nicht?

Blocher:
Das ist möglich. Aber wenn wir gute Arbeit machen und mit den anderen Parteien die Probleme lösen, kommt es ja auch nicht so sehr darauf an, welche Partei man wählt.

Sie wirken jetzt plötzlich sehr konsensual.

Blocher: Ich bin so, wie ich bin, aber vielleicht nicht so, wie Sie sich das vorgestellt haben.

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