«Diese Verantwortung muss ich übernehmen»

Interview im « Tages-Anzeiger » vom 20. Oktober 2003

Christoph Blocher will für die SVP in den Bundesrat. Ansonsten tritt diese aus der Regierung aus. Als Erpressung will er das nicht verstanden wissen.

von Gaby Szöllösy


«Wir sehen uns bei Philippi wieder», sagten Sie 1999 nach Ihrer Nichtwahl in den Bundesrat. War der Wahlsonntag Philippi – die damalige Schmach also gesühnt?

Blocher: Ja, mehr als gesühnt. Wir haben einen epochalen Sieg errungen. In den letzten 50 Jahren hat keine bürgerliche Partei so viel Stimmen auf sich vereinigen können. Das heisst, dass die Schweiz diese Politik vertreten haben will. Auch in der Regierung.

Die SVP fordert einen zweiten Bundesratssitz, subito. Werden Sie antreten, obwohl Sie schon einmal gescheitert sind?

Blocher:
Ja, die SVP-Strategiekommission hat sich zusammengesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass ich antreten soll. Für mich war klar: Diese Verantwortung muss ich übernehmen. Samuel Schmid kann weiterhin Bundesrat bleiben, wenn er gewillt ist, die Hauptpunkte des SVP-Programms mitzutragen.

Die SVP stellt Bedingungen an Schmid und droht damit, aus der Regierung auszutreten, falls Sie nicht gewählt werden. Macht Bundesrat Schmid bei diesem Spiel mit?

Blocher: Er weiss davon und hat es im Prinzip eingesehen. Ob er dann tatsächlich aus dem Bundesrat austritt, wenn ich nicht gewählt würde, das weiss ich nicht. Aber er wäre dann nicht mehr unser Bundesrat, auch nicht mehr Mitglied unserer Fraktion. Allerdings muss die Fraktion dieses Konzept noch absegnen.

Wird das Parlament mitmachen und Sie wählen?

Blocher: Das weiss ich nicht. Wenn sie uns nicht wählen, so wäre ich halt in der Opposition. Das wäre aber nicht gut für die Schweiz. Denn gegen eine so starke Opposition zu politisieren, ist für eine Regierung fast unmöglich. Ich glaube auch, dass man die schwierigen Fragen, die auf uns zukommen, die Finanzfragen, die Probleme bei der Altersvorsorge, die illegale Einwanderung, nur mit einer starken Konkordanz lösen kann – in der von allen Parteien die besten Vertreter im Bundesrat sitzen. Das heisst auch, dass die SVP jene SP-Vertreter wählt, die die SP vorschlägt.

Sie greifen also die SP nicht an, sondern nur die CVP?

Blocher: Ja, die CVP muss einen Sitz abgeben. Wer von den beiden Bundesräten geht, ist mir egal.

Wie lange hält Ihr Bekenntnis zur Konkordanz?

Blocher: Wenn die andern Parteien beschliessen, dass sie etwas ganz anderes machen wollen, so müssen wir neu überlegen. Aber wenn sie mit uns einig gehen, so halten wir zur Konkordanz.

Wie gross ist die Chance, dass das Parlament auf dieses Spiel, das man auch Erpressung nennen könnte, einsteigt?

Blocher: Warum Erpressung?

Weil Sie klar sagen, entweder ihr wählt den Blocher und den Schmid, oder wir blockieren alles.

Blocher:
Das ist doch keine Erpressung. Wir sind nach diesem Wahlresultat dazu verpflichtet, unsere Politik durchzusetzen. Wenn man uns nicht angemessen in die Regierung einbindet, glauben wir, dass wir die Politik noch am ehesten ändern können, indem wir in die Opposition gehen, um von dort aus Unsinn zu verhindern.

Dann wird die SVP die Politik nur total lähmen können, mitgestalten können Sie dann nicht mehr. Ihre Initiativen – jene zur Asylfrage oder die Gold-Initiative – fanden zwar respektable Minderheiten, aber keine Mehrheiten.

Blocher: Auch der heutige Zustand, wo die SVP in der Regierung unterrepräsentiert ist, führt zur Blockade. Nur sind wir quasi in einem Zwitterzustand. So geht es nicht weiter.

Wenn Ihr Einzug in die Regierung nicht gelingt, so lancieren Sie Ihre Initiative zur Volkswahl des Bundesrats?

Blocher: Das ist so beschlossen.

Konkordanz also nur, falls das Parlament pariert. Könnten Sie nicht ganz gut leben damit, wenn das Parlament Nein sagte?

Blocher: Ich denke nicht in diesen strategischen Kategorien – ich bin überzeugt, dass es für die Schweiz gut wäre, wenn ich antrete. Sonst gehe ich in die Opposition. Diese Rolle würde mir nicht behagen, aber wir würden 2007 dann nochmals gewinnen, das ist klar.

Kann man noch mehr Opposition betreiben?

Blocher: Ja, natürlich könnten wir noch einen Zacken zulegen. Beispielsweise hätten wir die CO2-Abgabe nie durchgelassen, da hätten wir sofort ein Referendum gestartet.

Gesetzt den Fall, Sie werden gewählt – müssten Sie dann nach vier Jahren wieder abtreten?

Blocher: Ich möchte schon acht Jahre bleiben. Aber vielleicht würde ich auch abgewählt. Ich werde ja kein bequemer Bundesrat sein für die andern.

Wie würde sich denn die Zusammenarbeit mit den andern Parteien gestalten?Blocher: Sie wird enger. Nicht nur mit den Bürgerlichen, auch mit der SP. Auch die Linke kann doch nicht die Augen verschliessen vor der massiven Verschuldung, vor den Problemen mit den Pensionskassen. Wir brauchen Konzepte, wir müssen programmatisch zusammenarbeiten. Aber wir kommen zu gemeinsamen Lösungen, da bin ich sicher.

Keine Angst, dass Sie Wähler verlieren, wenn Sie so handzahm politisieren?

Blocher: Wenn die andern das SVP-Gedankengut durchsetzen, dann ist ein Verlust nicht so tragisch.

Also wird Ihre SVP die Politik diktieren, und die andern Bundesratsparteien müssen einfach mitziehen?

Blocher:
Nein. Wir haben ein gewisses Gewicht als grösste Partei. Aber wir wollen wirklich konzeptionell zusammenarbeiten. Wir stehen an einem Scheideweg. Wir sind bereit, unsere Rolle als Oppositionspartei zu verlassen. Die grossen Probleme lassen sich nur lösen, wenn die konstruktiven Kräfte eng zusammenarbeiten. Die SVP wird in der Sozial-, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit den Bürgerlichen zusammenspannen – und mit der Linken dort, wo es darum geht, Strukturen zu erhalten. So wird die Schweiz zwei Tendenzen erleben: Sie wird bürgerlicher, und sie wird konservativer. Sind Sie mit dieser These einverstanden?

Was meinen Sie mit Strukturerhaltung?

Blocher: Den Service public beispielsweise. Da bin ich kein Ideologe. Es muss nicht alles aus Prinzip liberalisiert werden, wenn es den Menschen nicht nützt. Ich denke: Ja, die Schweiz wird bürgerlicher, und sie wird wertkonservativer werden.

War es rückblickend nicht ein Fehler, die andern bürgerlichen Parteien so zu schwächen?

Blocher: Nein, das glaube ich nicht. Es brauchte die Niederlage, damit die andern sich einen Ruck geben.

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