«Was ist so dumm daran, solidarisch zu sein, Christoph Blocher?»

Interview mit der Thurgauer Zeitung vom Mittwoch, 14. August 2002

Im September entscheidet der Souverän, was mit den überschüssigen Gold-Reserven geschehen soll. Zur Auswahl stehen die Gold-Initiative und deren Gegenvorschlag. SVP-Nationalrat Christoph Blocher sieht in der Gold-Initiative « die gerechteste Lösung ».

Mit Christoph Blocher sprach Thomas Münzel

Wenn die überschüssigen Goldreserven im Wert von zirka 20 Milliarden Franken Volksvermögen darstellen, dann wäre doch die gerechteste Lösung diejenige, dass man jeder Schweizerin und jedem Schweizer gut 3500 Franken bar auf die Hand auszahlen würde. Was halten Sie von diesem Vorschlag, Christoph Blocher?

Christoph Blocher: Wir haben diesen Vorschlag auch geprüft. Es ist keine abwegige Lösung. Auf jeden Fall ist sie besser als der Gegenvorschlag des Bundesrates. Es hat sich aber gezeigt, dass dieser Vorschlag zwei Schwierigkeiten in sich birgt. Zum einen stellt sich die Frage, ob es richtig ist, dass jede Person gleich viel Geld bekommt – also der eintägige Säugling genau so viel, wie die 80-jährige Frau oder der 80-jährige Mann, welche natürlich an diese Goldreserven mehr beigetragen haben als der Säugling. Und wie sieht es aus in Bezug auf die Ausländer, welche ja auch werktätig waren? Zusammengefasst gesagt geht es hier also um das Verteilproblem. Abgesehen davon haben wir aber auch noch andere Gründe: Was passiert, wenn man plötzlich 20 Milliarden Franken in den Geldkreislauf bringt, wenn während eines Jahres plötzlich für 20 Milliarden mehr konsumiert wird? Ist eine Inflation, eine Überhitzung zu erwarten? Es ist schwierig abzusehen, was passieren könnte. Deshalb besteht unsere Lösung darin, das Geld auf einem anderem Weg allen zu- gute kommen zu lassen. Denn von der AHV profitieren alle und die Mehrwertsteuer – die man nicht erhöhen muss – begünstigt auch alle. Darum ist die Gold-Initiative die gerechteste Lösung.

Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie eine etwas verengte Optik haben, da es ja noch andere Problemfelder im Bundeshaushalt gibt. Beispielsweise die Invalidenrente oder die enorme Staatsverschuldung von über 110 Milliarden Franken.

Blocher: Natürlich gibt es 1000 Möglichkeiten das Geld zu verteilen. Die Ausgangs-Frage bleibt aber bestehen: Wem gehört denn das Geld? Wenn man das Geld der Invalidenversicherung geben würde, so würden – im Gegensatz zur AHV – nicht alle gleich davon profitieren. Natürlich könnte man mit dem Gold auch die Staatsschulden abbauen. Profitiert von diesem Schuldenabbau hätte der Steuerzahler. Auf Grund der Goldreserven, die die Nationalbank unter anderem dank des Goldmonopols hat, ist aber der Steuerzahler und derjenige, der diesen Betrag erbracht hat, nicht der gleiche. Ich will aber nicht päpstlicher sein als der Papst: Wenn man beschlossen hätte, das Gold dem Bund und den Kantonen zu geben, um die Schulden zu reduzieren, dann hätte man aber gleichzeitig auch die Verpflichtung eingehen müssen, dass die abgebauten Schulden nicht sofort wieder aufgebaut werden. Aber das wollte man nicht garantieren. Man wollte dem Staat die Freiheit geben, wieder neue Schulden zu machen. Das hiesse aber nichts anderes als eine höhere Staatsquote und erst noch Steuererhöhungen für die AHV. Und das ist wirtschaftlich schädlich und trifft wieder das ganze Volk negativ.

« Die Gold-Initiative lenkt von der nötigen Hauptdiskussion ab, wie die AHV echt und langfristig zu konsolidieren sei », meint Bundespräsident Kaspar Villiger. Betreiben Sie eine Pflästerlipolitik?

Blocher: Bis jetzt hat man für die AHV nichts anderes gemacht, als dauernd die Lohnabzüge und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Und eine neue Mehrwertsteuer-Erhöhung für die AHV ist bereits geplant. Natürlich löst die Gold-Initiative nicht alle Probleme der AHV. Das wäre Sand in die Augen gestreut. Doch die Initiative führt dazu, dass die Renten sicherer sind – ohne Mehrwertsteuererhöhung. Das heisst, dass wir mindestens für die nächsten 10 Jahre – und wenn die Wirtschaft funktioniert auch noch länger – keine zusätzlichen Steuern, Lohnabzüge oder Rentenkürzungen für die AHV machen müssen. Das ist nicht nichts.

Inwieweit stimmt der Vorwurf, der SVP gehe es weniger um die AHV, als viel mehr um die Verhinderung der Solidaritätsstiftung?

Blocher: Wir haben zwar diesen Vorschlag unabhängig von der Solidaritätsstiftung gemacht. Aber es ist schon wahr, dass das Dümmste des Gegenvorschlages die Solidaritätsstiftung ist. Diese ist nach einer Hauruckübung des Bundesrates im März 1997 bekannt gegeben worden und zwar unter heftigem, erpresserischem Druck aus Amerika, dem der Bundesrat psychisch nicht mehr gewachsen war. Der Bundesrat wollte einen Befreiungsschlag führen und hat dann über den Kanal nach Amerika versprochen, dass die Schweiz einen Drittel der überschüssigen Goldreserven in diese Solidaritätsstiftung geben werde. Welche dann « selbstredend auch für Holocaust-Opfer » verwendet werden könnte…

… Die Stiftung sieht aber keine Gelder zur Abgeltung von Ansprüchen von Holocaustopfern vor…

Blocher: … Doch, doch. Die Formulierung des Stiftungsgesetzes ist so gedacht, dass dies möglich ist. Und die entsprechenden Kreise werden jedes Jahr die Stiftung erpressen. Die Stiftung ist zudem ein Selbstbedienungsladen par excellence.

Was ist denn so dumm daran, solidarisch zu sein?

Blocher: Das ist nicht dumm. Doch was heisst eigentlich das – leider sehr abgedroschene – Wort « solidarisch »? Solidarisch sein heisst, dass ich persönlich mit meinem Vermögen, mit meinem Einsatz für andere hinstehe. Und solidarisch heisst nicht, dass ein paar Stiftungsräte oder Politiker Geld verteilen, das anderen gehört. Geld, dass dann in irgendwelchen Kanälen verschwindet.

Die Kantone haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Nationalbank-Gewinne. Weshalb wollen Sie den Kantonen Geld vorenthalten, das ihnen zusteht?

Blocher: Die Kantone verlieren mit der Gold-Initiative keinen Rappen. Gemäss Bundesverfassung teilen sich Bund und Kantone die Gewinnausschüttungen für Währungsreserven, die für Währungszwecke gebraucht werden. Zwei Drittel erhalten die Kantone, ein Drittel der Bund. Für Währungen, welche nicht für Währungszwecke benötigt werden, braucht es eine eigene verfassungsrechtliche Lösung, weil kein Anspruch der Kantone und des Bundes besteht. Deshalb musste man ja auch eine eigene Verfassungsbestimmung machen. Die Kantone ihrerseits haben ja sehr frühzeitig gesagt, dass sie mit der Drittelslösung, welche der Gegenvorschlag des Bundesrates vorsieht, einverstanden seien. Wenn es so wäre, dass sie Rechts-Anspruch hätten auf zwei Drittel dieser Reserven, dann hätten die Regierungsvertreter das gar nicht über Nacht versprechen dürfen.

Denkbar ist, dass der Souverän sowohl die Gold-Initiative wie auch den Gegenvorschlag bachab schickt. Was dann?

Blocher: Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist die, dass man die Goldreserven einfach in der Nationalbank belässt, ohne zu wissen, was damit zu tun ist. Und die andere ist die, dass der Zank ums Gold wieder von vorne beginnt. Sicher ist aber, dass dann dieser eine Drittel der Goldreserven nicht für die Solidaritätsstiftung verwendet werden darf. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass dann plötzlich gewisse Kreise verlangen, dass alles Geld für die Solidaritätsstiftung verwendet werden soll.

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