Die Folgen der UNO-Abstimmung

Artikel vom 11. Mai 2002

von Nationalrat Christoph Blocher, Präsident der AUNS

Am 3. März hat die Schweiz Ja zum UNO-Beitritt gesagt. Dies war ein demokratischer Entscheid, wenn auch ein schmerzlicher. Verlierer dieser Wahl ist die Schweiz als Ganzes. Die Vereinten Nationen haben einen weiteren Ja-Sager in ihren Reihen aufnehmen dürfen. Das UNO-Mitglied Schweiz wird faktisch über kein Mitbestimmungsrecht verfügen. Unser Land hat sich freiwillig einer Organisation unterstellt, die eine Weltordnung aufrecht erhält, die aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheits-rates verfügen über ein Veto-Recht, das ihnen ermöglicht, sämtliche Entscheide zu blockieren, die ihren Interessen zuwiderlaufen. Damit können die fünf Grossmächte aktiv ihre Politik mittels der UNO umsetzen und legitimieren – auch wenn unser Aussenminister Deiss das Gegenteil behauptet.

Hat die Welt gewonnen?

Was hat die Weltgemeinschaft gewonnen? Ihr ist vor allem ein Kleinstaat abhanden gekommen, der durch seine Nichtmitgliedschaft wenigstens für Irritation sorgte und durch sein Ab-seitsstehen im Konzert der Mächtigen den Sinn einer « Weltregierung » hinterfragte. Ein Staat, der aufzeigte, dass man humanitäre Spitzenleistungen erbringen kann, ohne sich in internationale Konflikte und Kriege hineinziehen zu lassen. Der Völkergemeinschaft ist ein Land verloren gegangen, das die Möglichkeit einer Alternative aufzeigte. Und wir dürfen durchaus sagen: Schlecht war diese Alternative Schweiz nicht, sondern sie hat diesem Land eine beispiellose Friedensperiode und einen einzigartigen Wohlstand beschert. Vielfalt und Demokratie leben nur aus den Alternativen und dem Wettbewerb der Ideen. Insofern ist die Welt ein Stück ärmer geworden und dafür der monopolisierten Gleichmacherei einen Schritt näher gekommen.

Hat die Schweiz gewonnen?

Was hat die Schweiz mit dem UNO-Beitritt gewonnen? Etwa Weltoffenheit? Kann man mit einer Abstimmung der Welt eine Garantieerklärung für Weltoffenheit abgeben? Das ist ein absurder Gedanke. Weltoffenheit erlangt man nicht mit der Mitgliedschaft in einer bürokratischen Vereinigung von Staaten. Weltoffenheit kann man nicht per Gesetz dekretieren. Weltoffenheit ist eine persönliche Angelegenheit und keine Staatsmission. Die Schweizer zählen weltweit zu den reisefreudigsten Menschen. Sie können sich oft in mehreren Sprachen unterhalten, sie verfügen über eine der höchsten Dichte von Internet-Anschlüssen, sie sind aufmerksame Beobachter der internationalen Politik und hatten bis anhin eine nüchterne Selbsteinschätzung, die sie davon abhielt, sich in fremde Händel einzumischen. Aber am 3. März 2002 hat sich die Schweiz von ihrer traditionellen, integralen Neutralität abgewendet. Der Bundesrat, fast sämtliche Medien, die offizielle Schweiz drängte auf die Weltbühne. Unser Land wird nun zukünftig im « Gefangenenchor » der internationalen Staatengemeinschaft nach den Anweisungen der Supermächte mitsummen dürfen. Ist dies wirklich ein Gewinn?

Die Stunde der Analysten

Nach der Abstimmung haben die Wahlanalysten das Zepter übernommen. Man hat schnell einen Stadt-Land-Graben ausgemacht. Dies dürfte zutreffen. Es ist ja klar, dass die sogenannt « urbane » Bevölkerung mehr auf Image und Lifestyle gibt als das Land. Und dieser Lifestyle diktierte, dass es « in » ist, für die UNO zu stimmen und dass es noch mehr « in » ist, gegen die AUNS zu wettern. Dieses moderne, hohle Spiessertum braucht uns vorläufig nicht weiter zu beschäftigen. Überraschend war dann aber, was die Vox-Nachanalyse ergab: Laut einer Befragung unmittelbar nach dem Abstimmungssonntag stimmten 36% der AUNS-Mitglieder für den Beitritt zu den Vereinten Nationen. Ich glaube allerdings kaum, dass man dieser Analyse trauen kann. Ich möchte lieber einen anderen Analysten herbeiziehen. Ein Mittelschullehrer hat mir kürzlich geschrieben, er habe seiner Geschichtsklasse folgende Prüfungsfrage gestellt: « Die Schweiz hat am 3. März 2002 Ja zur UNO-Mitgliedschaft gesagt. Warum? » Eine schlichte Frage. Ein Schüler habe nach der braven Aufzählung der Befürworter-Litanei festgehalten: « Eigentlich aber hat die millionenschwere Kampagne des Bundesrates die Abstimmung entschieden. » Ich ziehe diesen Analysten vor. Es handelt sich um einen Schüler, der diesen Frühling die Matur machen wird. Einer, der sich durch die klebrige Argumentation der UNO-Befürworter nicht hat beirren lassen. Ein junger Mensch, für den unser Kampf sich lohnt, eine eigenständige und neutrale Schweiz zu bewahren.

Verheerende Staatspropaganda

Früher tarnte sich unser Aussenministerium als ein zwar feudales Reservat, aber immerhin als ein Reservat. Das EDA war ein kostspieliges, jedoch letztlich bedeutungsloses Reisebüro im Bundeshaus. Heute ist das anders geworden. Heute bestimmen der persönliche Ehrgeiz und die persönlichen aussenpolitischen Ambitionen des Bundesrates die Ausrichtung des EDA. Folge davon ist, dass unser Departement des Äusseren immer mehr Geld verschlingt und mehr und mehr sein eigenes politisches Süpplein kocht. Spätestens die UNO-Abstimmung hat uns diesbezüglich die Augen geöffnet. Und was sahen wir? Wir sahen ein Aussenministerium, das kurzerhand in ein Propagandaministerium umfunktioniert wurde. Der ganze Apparat stand im Dienst der UNO-Kampagne. Schamlos wurden Gelder und Personal für den Abstimmungskampf eingesetzt. Sogar das Parlament hat in einer beispiellosen Aktion einen Millionenkredit gesprochen. Dabei handelte es sich bei der Abstimmungsvorlage um eine Volksinitiative – allerdings um eine von der classe politique bestellte Volksinitiative. Diese Staatspropaganda ist einzigartig in der Geschichte unseres Landes; sie muss uns als eigenständig denkende Staatsbürger alarmieren.

Offizielle Meinungseinöde

Wir leben angeblich in einer modernen, pluralistischen, vielseitigen und vielfältigen Welt. Auch die Schweiz soll modern, pluralistisch und vielfältig sein. Wenn ich die letzte UNO-Debatte überblicke, sehe ich aber nichts von dieser viel beschworenen Vielfältigkeit. Ich sehe nur eine totale Meinungseinöde. Es herrschte eine politische Eintracht von links bis liberal, die den Charme eines kommunistischen Parteitags versprühte. Es liess sich praktisch kein redaktioneller Leitartikel oder redaktioneller Kommentar finden, der nicht Partei ergriffen hätte für die UNO. Auch die Schweizer Staatsmedien von Radio und Fernsehen unterstützten die Propaganda kräftig. Unsere kraftlose politische Elite trabte brav hinter den Meinungsfürsten her. Presse und Politik marschierten im Schulterschluss durch diese Debatte. Eine Debatte, die in Wirklichkeit gar nie stattfand. Wir sind es uns gewohnt, alleine dazustehen und alleine für eine Sache einzustehen. Wir haben keine Medienmacht, dafür wird uns die politische Traktandenliste auch nicht von der Bundesverwaltung oder von unappetitlichen Ringier-Blättern diktiert. Wir schielen nicht nach Image und Applaus, dafür wissen wir, was wir wollen: eine neutrale und unabhängige Schweiz. Wir wollen der besseren Sache zum Durchbruch verhelfen. Dafür haben wir gekämpft und dafür werden wir weiterhin kämpfen.

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