«Ich denke nicht an einen Verkauf»

Interview mit « Finanz und Wirtschaft » vom 1. Dezember 1999

lnterview: Peter Schuppli

Herr Blocher, falls Sie am 15.Dezember in den Bundesrat gewählt werden, hätten Sie einiges neu zu regeln. So müssten Sie aus allen Verwaltungsräten ausscheiden und die operative Leitung der EMS-CHEMIE neu besetzen. Hingegen sei es möglich, sagten Sie kürzlich am Radio, dass Sie über die Emesta AG Mehrheitsaktionär der EMS-CHEMIE Gruppe bleiben würden. Als Eigentümer könnten Sie aber jederzeit Einfluss auf die Konzernleitung nehmen. Wo bliebe Ihre Unabhängigkeit? Wäre das nicht ein permanenter Interessenkonflikt?

Blocher: In der « Samstag-Rundschau » sagte ich, dass es für Bundesräte klare Regelungen gibt: Er darf für keinen anderen bezahlten Posten tätig sein. Das hiesse für mich: Rückzug aus allen Verwaltungsräten und Exekutivfunktionen. Aber: Ich bin doch kein Unternehmer, der wartet, bis er unter Umständen in den Bundesrat gewählt wird, um zu überlegen was passiert, wenn er morgen nicht mehr zur Verfügung steht. Es gibt wahrscheinlichere Fälle, dass ich morgen nicht mehr da bin als derjenige, dass ich zum Bundesrat gewählt werde!

Wie hoch stufen Sie denn Ihre Chancen ein, dass Sie gewählt werden: 10%, 50%, über 50%?

Blocher: Weniger als 1%! Ich habe von der Partei den Auftrag, Bundesrat zu werden. Dieser Auftrag wird sich aber nicht erfüllen lassen, weil die bürgerlichen Parteien wollen, dass die SP im Bundesrat vertreten bleibt. Also werde ich draussen bleiben und mehr Opposition machen müssen.

Bereitet Ihnen diese absehbare Niederlage keine Mühe?

Blocher: Ich bin ein Spezialfall: Aus Niederlagen bin ich stets gestärkt hervorgegangen.

Sie erwähnten im Radiointerview auch, es sei, was die Ems-Gruppe betrifft, alles geregelt…

Blocher:
…natürlich. Das hat aber mit der Bundesratswahl direkt nichts zu tun. Ich muss mir doch überlegen, wie es mit der EMS-Gruppe im Todesfall weitergeht. Solche Überlegungen und Lösungen gehören doch zum Pflichtenheft eines jeden Unternehmers.

Sie hätten aber keine Mühe über die Emesta AG Mehrheitsaktionär der EMS-Gruppe zu bleiben, falls Sie zum Bundesrat gewählt würden?

Blocher: Ich bin Eigentümer einer privaten Holding, der Emesta AG. Ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb ein Bundesrat keine Holdinggesellschaft besitzen darf. Jeder Bundesrat besitzt schliesslich ein Vermögen, das ihn gedanklich und finanziell beschäftigt. Ich denke auch nicht daran, die EMS-CHEMIE Gruppe zu verkaufen.

Es ist ab er schwer vorstellbar, dass Sie als Eigentümer die EMS-Gruppe ihrem Schicksal überlassen könnten…

Blocher: Es ist klar, dass meine Familienangehörigen in der Emesta Einsitz nehmen müssten…

….die sind zurzeit noch nicht in der Familienholding?

Blocher: Nein, noch nicht. Aber wir sind gerade in einer Übergangssituation. Würde ich in den Bundesrat gewählt, müsste meine Familie sofort die Funktionen in der Familienholding übernehmen, die ich ausübe. Was in der EMS-CHEMIE Gruppe geschähe, darüber möchte ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äussern. Es nähme seinen Lauf, so wie das für den Fall meines plötzlichen Ablebens vorgesehen ist.

EMS-CHEMIE würde mehrheitlich in Familienbesitz bleiben?

Blocher: Ja, natürlich.

Ein Verkauf der Emesta oder der Beteiligung an EMS-CHEMIE kommt also nicht in Frage?

Blocher: Ich denke nicht daran.

Warum haben Sie dann seinerzeit überhaupt das Opting-out in die Statuten aufgenommen, wenn Sie ja nicht an einen Verkauf denken?

Blocher: Die Opting-out-Klausel haben wir auf Grund der seinerzeit mit EMS-CHEMIE gesammelten Erfahrungen in die Statuten aufgenommen. Das Unternehmen geriet 1983 ins Trudeln. Wenn damals das gleiche Aktienrecht wie heute gegolten und EMS-CHEMIE keine Opting-out-Klausel gehabt hätte, wäre diese Gesellschaft heute am Boden. Ich hätte damals nicht die Möglichkeit gehabt, sämtliche Aktien zu kaufen. Und ein anderer hätte diese Gruppe in diesem Zustand nicht übernommen. Damit will ich sagen: Es gibt durchaus Notsituationen, in denen ein Opting-out gut sein kann. Es könnte beispielsweise auch der Fall eintreten, in dem ich einen Teil meiner Aktien verkaufen muss.

Und wie steht es mit der Gleichbehandlung der Aktionäre, für die Sie sich stets ausgesprochen haben?

Blocher: Opting-out heisst nicht, dass ich die Aktionäre nicht gleich behandeln darf. Es heisst umgekehrt aber auch nicht, dass man die Publikumsaktionäre unter allen Umständen gleich behandeln muss. Ich will im Handeln frei bleiben. Massgebend ist für mich die Notwendigkeit vom Unternehmen her und die Wahrung der Aktionärsinteressen. Es war für die anderen Aktionäre kein Nachteil, dass ich seinerzeit « nur » die Mehrheit und nicht das ganze Aktienkapital erworben habe.

Unter welchen Umständen würden Sie nur in einen Verkauf von 100% der Aktien einwilligen?

Blocher:
Gesetzt den Fall, EMS-CHEMIE würde an einen Konkurrenten gehen, würde ich darauf beharren, dass dieser ein Kaufangebot an sämtliche Aktionäre richtet. Denn in einem solchen Fall könnte es für die Publikumsaktionäre nachteilig werden wenn ein Käufer nur einen Teil der Aktien übernähme. Aber nochmals: Mein Wille ist, eine gesamtunternehmerische Lösung zu finden, falls EMS-CHEMIE jemals in eine solche Situation geraten würde, unter der Voraussetzung der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Nur wenn aus unternehmerischen Interessen eine Ungleichbehandlung der Aktionäre sich als opportun erweist, ist die Opting-out-Klausel gut.

Macht sich die Konjunkturbelebung in Europa verstärkt auch im Geschäftsgang der EMS-CHEMIE Gruppe bemerkbar?

Blocher: In den ersten acht Monaten waren wir hinter den Budgetwerten zurück. Wir werden aber dank der Geschäftsbelebung in den letzten Monaten und trotz der Umstrukturierung innerhalb der Gruppe das Betriebsergebnis des Vorjahres wieder erreichen. Es gibt keine Gewinnwarnung, aber das Resultat wird auch nicht signifikant besser als erwartet ausfallen. Es ist bekannt, dass wir im Bereich polymere Werkstoffe einige alte Produkte aus dem Sortiment eliminiert und in erheblichem Umfang in neue Produkte investiert haben. Im laufenden und im nächsten Jahr wird die EMS-CHEMIE Gruppe auf operativer Ebene keine grossen Sprünge schaffen. Im Finanzbereich sind die Mittel gebunden in den Beteiligungen an Algroup und Lonza. Da werden wir bekannt geben, wie hoch die stillen Reserven etwa sind.

Wird die EMS-Chemie Holding an beiden Konzernen beteiligt bleiben?

Blocher: Diese Frage muss offen bleiben. Wir haben noch keinen endgültigen Entscheid getroffen.

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