Das Volk ist nicht mehr bereit, alles zu dulden

Interview im Bündner Tagblatt vom 23. August 1999

Reisserische Plakate für die Asylmissbrauchs-Initiative und nun die « Goldinitiative »: Die SVP steht wieder einmal rechtzeitig zu den Wahlen im Rampenlicht…

Christoph Blocher: Dass die beiden Initiativen jetzt aktuell werden, ist ein glücklicher Zufall. Andererseits werden damit jene Probleme angesprochen, die vom neuen Parlament gelöst werden müssen: Unser Verhältnis zur EU, eine bessere Bewirtschaftung der Steuergelder und der Asylmissbrauch.

Bei der « Goldinitiative » wird Ihnen Augenwischerei vorgeworfen, die Löcher in der AHV-Kasse liessen sich damit nicht stopfen.

Blocher: Wenn jemand sagt, 20 Milliarden Franken seien nichts, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Natürlich löst man damit nicht alle Probleme der AHV. Aber die Renten werden sicherer und es braucht weniger Mehrwertsteuerprozente. Und von dieser Entlastung profitiert jeder einzelne.

Und bei der Asyl-Initiative sind selbst SVPler schockiert über die reisserischen Plakate.

Blocher: Es veranschaulicht die heutige Situation. Hoher Asylmissbrauch und erst noch oft zu kriminellen Zwecken. Für die Polizei wird die Belastung immer grösser. Und die Bevölkerung ist nicht mehr bereit, dies alles zu dulden. Nachdem Bundesrat und Parlament nicht handeln wollten, mussten wir einfach eingreifen. Die Kampagne ist übrigens sehr erfolgreich: Wie anders ist es zu erklären, dass nun auch die SP und die FDP ihre Plakate mit einem Schweizerkreuz schmücken? Das hätte bis vor kurzer Zeit niemand geglaubt!

Der böse Mann auf den SVP-Plakaten ist in Chur durch ein Bild von Christoph Blocher ersetzt worden. Für die Macher scheinen Sie zu einer Bedrohung geworden. Tut Ihnen das im tiefen Herzen weh?

Blocher: Nein. Alle wissen, dass ich kein Gangster bin. Wer diesen Gangster also durch mich ersetzt hat, lügt, und das wird vom Volk nicht honoriert. Mit dieser plumpen Aktion haben die Urheber das Gegenteil erreicht: Unsere Kampagne hat eine noch grössere Beachtung gefunden.

Die Politik nimmt sie derzeit sehr stark in Anspruch. Bleibt da Zeit für Ems-Chemie?

Blocher: Für die Politik wende ich immer etwa gleich viel Zeit auf. Ich bin jedes Jahr politisch aktiv, so dass sich in einem Wahljahr für mich keine zusätzlichen Aktivitäten aufdrängen. Ich mache beispielsweise für mich keine Wahlveranstaltungen. Also habe ich auch stets genügend Zeit, um die Ems-Chemie zu leiten.

Trotzdem haben Sie sich von den Aktionären nur für ein weiteres Jahr wählen lassen.

Blocher: Wir möchten die Struktur des Verwaltungsrates bis zur nächsten Generalversammlung generell überprüfen, da braucht es für mich keinen Extrazug. Deshalb habe ich auch mich vorerst nur für ein Jahr bestätigen lassen.

Welche Bedeutung wird dem Werkplatz Domat/Ems in 10 bis 20 Jahren zukommen?

Blocher: Wenn die Politiker keinen Blödsinn machen, wird der Werkplatz Domat/Ems auch in Zukunft gute Chancen haben. Unsere Leute arbeiten sehr erfolgreich und haben starke Produkte. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. Unser Hauptproblem ist die immer höhere Energiebelastung. Wer nach Amerika und China exportieren will, muss mit diesen Staaten mithalten können, also möglichst tiefe Produktionskosten aufweisen.

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