Die Oper gehört ins Volk

Kultur ist im Leben von Nationalrat Christoph Blocher kein Fremdwort

Interview in der « Züri Woche » vom 16. April 1998

Er hat schon höchst eigenwillige Vorträge über « Mozart ein Industrieller » oder seinen Lieblingsmaler Albert Anker gehalten. Demnächst tritt der Bündner « Nabucco-Chor », den Blocher unterstützt, in Zürich auf. In einem Exklusiv-Interview mit der « Züri Woche » vertieft er seine persönlichen Ansichten.

Sie besitzen rund 100 Bilder von Albert Anker und etwa 30 von Ferdinand Hodler. Sie lieben in der Musik Mozart und Verdi. Gibt es da Gemeinsamkeiten?

Christoph Blocher: Ganz eindeutig. Besonders zwischen Anker und Mozart einerseits, Hodler und Verdi anderseits. Mozart und Anker scheinen vordergründig eine heile Welt darzustellen, doch wer genau hinhört oder hinschaut, merkt, dass es dahinter brodelt. Trotzdem: Bei beiden spüre ich die Botschaft von Gnade. Hodler und Verdi dagegen symbolisieren für mich Kraft und Energie. Ihre Kunst schöpft in der Natur sowie in der Seele der Menschen. Alle vier sind sehr volksnah – im besten Sinne des Wortes.

Ihr Geschmack lässt sich mit Ihrer politischen Haltung vergleichen: traditionell, aufs Schöne ausgerichtet, fast klassisch.

Blocher:
Bin ich in einer Stadt und habe freie Zeit, so findet man mich oft in Museen. Ich liebe vor allem Malerei, auch den Ex- und Impressionismus. Mit moderner Kunst habe ich allerdings etwas Mühe. Ich sage nicht, sie sei schlecht. Aber mir gefällt sie ganz einfach nicht.

Trotzdem haben Sie den « Denkpartner » des umstrittenen Zürcher Künstlers Hansjörg Limbach bei sich in Ems ausgestellt und dieses Sujet als Leitmotiv auf die Jahresberichte Ihres Unternehmens gesetzt. Eine Statue, die übrigens 1980 auf dem Paradeplatz stand. Hat Schang Hutters « Shoah » eventuell auch die Chance, in 10 bis 15 Jahren Ihr Werk zu zieren?

Blocher: (lacht) Ich meine, Kunst sollte schön und nicht bewusst hässlich sein. Mit dem Würfel von Hutter kann ich nichts anfangen. Ich habe den Würfel zwar nicht direkt « wüescht gfunde », kann mir sogar vorstellen, dass die Dimension und die Figur oben drin ein Konzentrationslager darstellen. Generell finde ich Kunst auf öffentlichem Grund anregend und positiv. Ich habe mich nicht darüber aufgeregt, dass der Würfel aufgestellt wurde, ich habe mich aufgeregt, dass sich Hutter damit einfach über die gültige Rechtsordnung hinweggesetzt hat. Ihm persönlich habe ich gesagt, er sei ein intoleranter Mensch, der von uns verlange, dass wir alle seine Kunst schön fänden. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ein Schang Hutter wird wohl kaum in Ems stehen.

Dafür kommt jetzt Ihr « Ernani » nach Zürich.

Blocher: Ja. Und darauf freue ich mich sehr. Besonders wenn ich an die Erfolge von « Nabucco » denke. Ich bin überzeugt – und dafür engagiert sich auch unsere Firma -, dass Oper nicht eine Kunst für die « Oberen Zehntausend » sein darf. Oper gehört ins Volk. Mit dem rund 100köpfigen Bündner Chor – alle Sängerinnen und Sänger des Chores sind ausgebildete Laien aus dem Bündnerland – und Verdis Musik erreichen wir dieses Ziel.

Dass Sie « Nabucco » aufgeführt haben, leuchtet mir ein: Da will Verdi die Botschaft von Freiheit verkünden, da kennen alle den Gefangenenchor. « Ernani » hingegen ist ein Banditenstück mit unzähligen Intrigen. Das passt doch nicht so ganz zu Christoph Blocher.

Blocher:
Es geht mir bei der Oper weniger um den Inhalt als um die Musik. Und die ist bei Verdi kraftvoll und volksnah. Kommt dazu, dass die Bündner Stimmen ideal sind fürs italienische Fach. Also hat der künstlerische Leiter, der Bass Armin Caduff, erneut eine diesmal etwas komplexere Oper Verdis speziell für seinen Chor und eine einfache, halbszenische Aufführung eingerichtet, die auch in Mehrzweck- und Turnhallen gespielt werden kann.

Sie fördern also Oper. Stand Alexander Pereira noch nie bei Ihnen auf der Matte?

Blocher:
Doch. Aber ich habe meine eigenen Ideen. Ich will mit meinem Geld nicht das unterstützen, was bereits staatliche Mittel in grösserem Umfang verschlingt. Ich bin generell gegen Staatskultur. Denn hier bestimmt ein kleiner Kreis von sogenannten Experten, was unterstützungswürdig ist und was nicht. Ich vertrete das gute alte Prinzip des privaten Mäzenatentums.

Als Firma oder als Privatmann Blocher?

Blocher: Als Privatmann. Da unterstütze ich dieses Jahr den Produzenten Lukas Leuenberger mit seinem Projekt über Ulrich Bräker, den Toggenburger Dichter, dessen 200. Todestag wir 1998 feiern. Der Hirtenjunge Bräker zog als einfacher Mensch in die Welt, trat in die Dienste des Preussenkönigs Friedrich II., beschäftigte sich mit Shakespeare und zeichnete in seinen Texten – vor allem in « Der arme Mann im Toggenburg » – ein hervorragendes Bild seiner Zeit. Doch das Bundesamt für Kultur erachtet Bräker nicht als ehrenswürdig, also tue ich es.

Ausgerechnet mit Lukas Leuenberger, der die Nationalräte mit seinem « Herkules und der Stall des Augias » verärgerte und dann mit « Jeanmaire » erneut für negative Schlagzeilen sorgte.

Blocher: Den « Herkules » habe ich nicht gesehen. Dafür seine frühen Produktionen wie « Der Besuch der alten Dame » im Ankerdorf Ins – so bin ich überhaupt auf ihn gestossen, ganz per Zufall – und « Die schwarze Spinne » im Emmental. « Jeanmaire » habe ich auch gesehen. So schlimm war es doch gar nicht. Auf die Szene in den Unterhosen wurde viel zu viel Gewicht gelegt. Ich fühlte mich persönlich sehr angesprochen, da Jeanmaire im Militär mein Vorgesetzter war und ich ihn sehr gut kannte.

Zurück zu « Ernani »: Dass hier das Transsylvanische Symphonie-Orchester Budapest spielt und nicht ein Schweizer Ensemble passt nicht so ganz zu Christoph Blocher.

Blocher: Wäre ein bündnerisches Orchester zur Verfügung gestanden, hätten wir bestimmt dieses ausgewählt. Doch als wir 1992 ein Orchester für « Nabucco » brauchten, kam uns eine ganz andere Idee: Osteuropa wurde frei. Der Ruf nach Unterstützung wurde laut. Diesem Ruf wollten wir folgen. Nicht, indem wir einfach Geld hinschickten, sondern besser, indem wir ihnen Arbeit verschafften. Sicher: Ein Orchester aus Osteuropa ist billiger als ein Schweizerisches. Umgekehrt muss man sehen, dass wir mit unserem Beitrag diesen Musikern ihre Existenz zu sichern helfen. So verstehe ich « Entwicklungshilfe ». Und weil die Zusammenarbeit bei « Nabucco » hervorragend klappte, haben wir sie wieder für « Ernani » engagiert.

Was bezwecken Sie genau mit Ihrem Engagement für den Bündner Nabucco-Chor?

Blocher: Es gibt viele wunderbare Stimmen im Bündnerland. Dieser Chor vereinigt sie auf besonders beeindruckende Weise. Selten haben mich Opernaufführungen so berührt, wie mit diesem Chor. Die Surselva ist ein karges Gebiet. Es hat nur Wasser, Schnee, Steine… und wunderschöne Stimmen voller natürlicher Lebenskraft und Lebensfreude! Diese wollen wir in die Schweiz hinaustragen und damit die Kultur Bündens fördern und unterstützen.

← retour vers: Articles