Artikel

 

15.03.2001

SAir-Krise und FDP-Filz

Mein Beitrag für den Tages-Anzeiger vom 15. März 2001 Die SAirGroup steckt in der Krise. Dass es so weit kommen konnte, hängt eng mit einem anderen Krisenfall zusammen: dem Freisinn. Von Christoph Blocher, Herrliberg Die bestürzenden Ereignisse der letzten Wochen um die Swissair zeigen drastisch die Folgen einer unheilvollen Verfilzung. Das Problem Swissair ist zugleich - und vielleicht mehr noch - ein Problem Freisinn. Die verheerenden Auswirkungen einer unernsten Auffassung von Wirtschaft wie von Politik lassen sich heute nicht mehr beschönigen und bedürfen der schonungslosen Kritik. Es steht zu viel auf dem Spiel: Für die Wirtschaft und für die Politik des Landes. Man wird auch nicht darum herumkommen, in diesem Zusammenhang Namen von Schweizer Firmen, Managern und Politikern zu nennen, deren kläglicher Leistungsausweis allzu lange bengalisch beleuchtet wurde, heute aber als gewaltiger Scherbenhaufen für jedermann sichtbar zu Tage tritt. Der Sturzflug der einstigen Swissair Zur Katastrophe verdammt war die unternehmerische Strategie der SAir-Group, bei maroden ausländischen Fluggesellschaften einzusteigen und das Fluggeschäft unter ständigem Abbau der Qualität mit 14 Airlines aufzublasen. Unternehmensleitung, Politik, Staat, Banken, Wirtschaftsverbände und Medien haben die Swissair geschickt zum nationalen Symbol hochstilisiert, um das Unternehmen der Kritik weitgehend zu entziehen. Dieses wird seit Jahren praktisch ausnahmslos von Freisinnigen geleitet, und die Verknüpfung mit Staat und Politik wird bewusst auch in der Führungsebene gehegt und gepflegt. Schon der Freisinnige Hannes Goetz stand für die verfehlte und vom gesamten Verwaltungsrat abgesegnete "Hunter-Strategie". Im SAir-Beirat sind hauptsächlich FDP-Leute eingebunden, aber auch das Departement Leuenberger durch dessen Generalsekretär. Eric Honegger (FDP) - von Beruf Historiker, später Verbands- und Parteisekretär und schliesslich vollamtlicher Politiker - sass sieben Jahre im Ausschuss des Verwaltungsrates. Honegger verfügte noch in seinem 54. Lebensjahr über keinerlei Erfahrung, geschweige denn über einen Leistungsausweis im freien Markt und hatte in seinem Leben noch nie einen Bleistift verkaufen müssen. Dennoch machten ihn seine freisinnigen Freunde zum Verwaltungsratspräsidenten der SAir-Group, wo er die katastrophalen Fehlentscheide des Managements seit Jahren mitverantwortet. Image im Vordergrund Die Schaffung eines fleckenlosen Images gegen aussen war für die SAir-Group wichtiger als der innere Zustand. Eine Kommunikationschefin, die von Berufs wegen die Fassade zu reinigen hatte, überstrahlte Inhalt und Substanz des Unternehmens. Wer am 9. März 2001, dem Tag der Bekanntgabe des Kollektivrücktritts des Verwaltungsrates, auf der Homepage der SAir-Group die Frage anklickte, warum er bei der SAir investieren solle, erhielt die Antwort: "Ebit expected to be 15% higher in 2000 than in 1999." Oder auf gut Deutsch: Der Betriebsgewinn der SAir-Group wurde noch am 9. März für das Jahr 2000 um 15% höher vorausgesagt als 1999! Journalisten wickelte die Swissair bis vor wenigen Jahren um den Finger, indem sie zum halben Preis fliegen durften. Verwaltungsräte und eine Grosszahl von "wohl Gesinnten" geniessen das Privileg von Freiflügen. Der kritische Aviatikjournalist Sepp Moser wurde auf Anraten des freisinnigen Imageberaters Klaus J. Stöhlker kurzerhand auf die "Beraterliste" genommen, um ihn so zum Schweigen zu bringen. Eigentümlich waren die milden, schonungsvollen Analysen des Wirtschaftsblattes "Neue Zürcher Zeitung". Der gegenwärtige NZZ-Verwaltungsratspräsident heisst Eric Honegger und ist dank seinem Vorgänger Ueli Bremi (FDP) dorthin gelangt. Selbstverständlich werden NZZ-Redaktoren umgehend beteuern, der Verwaltungsrat der Zeitung habe noch nie Einfluss auf die journalistische Arbeit genommen. Dies dürfte stimmen. Wirksamer als Befehle wirken in solchen Fällen der vorauseilende Gehorsam und die politische Korrektheit, die fast immer mehr mit Politik als mit Korrektheit zu tun hat. Das Fazit ist ernüchternd: Mit falschen Konzepten haben die falschen Leute die Schweizer Fluggesellschaft zum Sanierungsfall verkommen lassen. Zu Schaden kamen auch die Steuerzahler; allein der Werteverlust der Aktien seit 1998 beträgt für die öffentliche Hand 529 Millionen Franken! Die Unternehmensführung hat den Scherbenhaufen geschaffen, das politische Beziehungsnetz hat ihn ermöglicht und die Medien haben das sich abzeichnende Debakel fein säuberlich zugedeckt. Dies gilt nicht nur für die NZZ und die vielen freisinnigen Regionalblätter, sondern auch für den "Tages-Anzeiger" oder die gesamte Ringier-Presse mit deren heuchlerischen nationalistischen Kampagnen zur angeblichen Rettung der Swissair. Erwähnenswert sind auch die Querverbindungen zu den kreditgebenden Banken: Der Präsident der CS, Lukas Mühlemann, ist Verwaltungsrat der SAir, Philippe Bruggisser war Verwaltungsrat der CS und SAir-Präsident Honegger ist Verwaltungsrat bei der UBS. Mitbetroffen von der Misere ist selbstverständlich auch der Unique Zurich Airport; die dortigen Verflechtungen wären ein eigenes Kapitel wert. Swissair kein Einzelfall Wie der Swissair gelang es auch den Managern der Firma Sulzer, ihr Versagen und ihre Massenentlassungen mit Berufung auf die fehlende EWR- und EU-Zugehörigkeit vor den unkritischen Medien zu rechtfertigen. Die Verfilzung von FDP, SP und Gewerkschaften boten einen sicheren Wall gegen jede Neuausrichtung von Sulzer. FDP-Nationalrat Erich Müller - glückloser Finanzchef und Verwaltungsrat der Sulzer - sang zusammen mit Alt-Bundesrat Friedrich (FDP) als Redner bei Manifestationen der SP das Lob des EU-Beitritts. Kreuzverflechtungen zwischen freisinnigen Verwaltungsräten, die sich gegenseitig beaufsichtigen, behinderten gerade bei Sulzer eine objektive Beurteilung der Geschäftsführung. Die einst stolze, heute aber nur noch serbelnde Weltfirma gilt zu Recht geradezu als Inbegriff des freisinnigen Wirtschaftsfilzes. Den freien Fall des erfolglosen Ex-Sulzer-Chefs Fritz Fahrni (FDP) verhinderte ein zuverlässiges Beziehungsnetz zwischen Wirtschaft und Staat: Als Professor an der Universität St. Gallen und an der ETH doziert der gescheiterte Manager seinen Studenten heute, wie man ein Unternehmen führt - nunmehr auf Kosten der Steuerzahler! Die Reihe wäre fortzusetzen, etwa mit dem Niedergang der Firma Von Roll, der Biber Holding, der Solothurner und Appenzeller Kantonalbank oder der Calida unter dem zeitweisen Präsidium von Nationalrätin Lili Nabholz (FDP). Die Zugehörigkeit von Politik und Partei war wichtiger als die Fähigkeit. Geradeso gut hätte man den Schreibenden wegen seiner Parteizugehörigkeit zum chirurgischen Chefarzt wählen können. Freisinnige Vetternwirtschaft Bei so viel unternehmerischem Versagen ist es unmöglich, der SP mit der Forderung nach weniger Staat entgegenzutreten. Wenn die FDP es täte, müsste sie befürchten, dass ihr von der Gegenseite der Spiegel vorgehalten würde. Ein vorbeugendes Rezept dagegen besteht im politischen Konsens zwischen SP und FDP, der von den Medien gefeierten "Koalition der Vernunft". Die mangelnde Widerstandskraft des Freisinns entspricht nicht einem Wechsel des Parteiprogramms oder besonderer Führungsverantwortung, sondern einzig der eigenen Schwäche. Dabei findet eine problematische "Entsorgung" freisinniger Würdenträger in gut bezahlte Staatspfründen statt. Auch wenn diese aus liberaler Sicht ordnungspolitisch völlig verfehlt sind, will die FDP solche Pöstchen unbedingt besetzen. Was bei der SP zum politischen Programm gehört, wurde beim Freisinn zur üblen Gewohnheit. Ein besonders stossendes Beispiel bot letztes Jahr die Neubesetzung der Chefstelle der unsinnigen staatlichen Handelsförderung Osec. Als Direktor kam im Departement Couchepin Balz Hösly unter, FDP-Fraktionspräsident im Kanton Zürich, der als Manager bei der freisinnig geführten "Winterthur" versagt hatte. Weil Bundesbern glaubt, man könne Imageprobleme am besten durch Bürokratisierung lösen, wurde mit "Präsenz Schweiz" ein staatliches Fremdenverkehrsbüro mit 14 Angestellten und einem Vierjahresbudget von 46 Millionen gegründet. Für diese ordnungspolitisch ebenfalls verwerfliche Institution wurde der ehemalige FDP-Generalsekretär Johannes Matyassy zum Direktor mit Botschaftertitel ernannt. Als Präsident amtet Paul Reutlinger aus dem Swissair-Beziehungsfeld, obwohl er an der Sabena-Sanierung gescheitert war. Auf die Forderung der SVP, dass dieser Präsident ungeeignet sei und nach seinen Fehlleistungen ersetzt werden müsse, antwortete der Freisinnige Franz Steinegger staatsmännisch, das komme überhaupt nicht in Frage, sonst würde man keine verdienten Persönlichkeiten mehr finden… Die Medien als unheilvolle Helfer FDP-Präsident Franz Steinegger - auch er Verwaltungsrat der NZZ und ehemals Verwaltungsrat bei der PTT - wirkt als Verwaltungsratspräsident der Suva, die er als Parlamentarier eigentlich zu beaufsichtigen hätte. Steinegger erhielt auch das Präsidium der Expo.02, denn die Ringier-Boulevardblätter hatten ihn erfolgreich in dieses fürstlich bezahlte Amt gejubelt - schliesslich sitzt Steinegger im Verwaltungsrat der Luzerner Zeitung AG, an der Ringier massgeblich beteiligt ist. So wurde dafür gesorgt, dass die Aufsicht durch Bundesrat und Parlament kaum mehr möglich ist und die miserable finanzielle Lage der Expo weiterhin durch die NZZ und die Ringier-Blätter beschönigt wird. In den 1970er- und noch in den 1980er-Jahren besass unser Land mit einer kritischen Presse eine wirkliche vierte Gewalt. Auch die FDP stand damals - fast wie heute die SVP - im gesunden Gegenwind der Medien und war eine überzeugende Gegenspielerin der sozialistischen Ideologie. Heute ist die freisinnige Partei gehätscheltes Liebkind der Medien, was wiederum zum Glaubwürdigkeits- und Wählerverlust beigetragen hat. Die heutige Stärke der SVP und ihrer Exponenten ist nicht zuletzt auch auf die unerbittliche Kritik der Medien zurückzuführen. Diese hat dazu geführt, dass sie von verhängnisvollen Verfilzungen ausgeschlossen und ausgegrenzt blieb. Dadurch ist die SVP glaubwürdig, unabhängig und kampffähig geworden. Sie hat die Kraft, unerschrocken gegen die Linke anzutreten, aber auch gegen Missstände in den eigenen Reihen. So wird sie die unanständige Bonus-Selbstbedienung bei der Staatsbank ZKB unter keinen Umständen dulden, auch wenn einer der drei Präsidenten der SVP angehört. In jenen Kantonen, wo auch die SVP einen anderen, bequemeren Kurs fährt und sich dafür von den Medien rühmen lässt, ist sie in die gleiche Verstrickung geraten; entsprechend schwach ist dort ihre politische und wirtschaftliche Leistung. Verfilzung als freisinniges Problem Am 7. April wird die FDP Schweiz einen neuen Parteipräsidenten wählen. Es fragt sich, ob es ihm gelingen wird, den Freisinn wieder zu einer bürgerlichen, wirtschaftsnahen und dem Staatsinterventionismus kritisch gegenüber stehenden politischen Kraft zu formen. Dazu genügen allerdings ein paar wirtschaftsliberale Kernsätze aus dem Lehrbuch und die angekündigte Verpackung in einen angeblich "hemdsärmeligeren" Stil nicht. Als grösstes Hindernis auf diesem Weg wird sich die enge Verfilzung von FDP, Staat und Wirtschaft erweisen, deren negative Auswirkungen gegenwärtig geradezu mit Händen zu greifen sind. Wenn der neue freisinnige Parteipräsident mit dem freiheitlichen Gedankengut wieder ernst machen will, hat er in erster Linie entschieden anzutreten gegen die lähmende, ja korrumpierende Verfilzung zwischen Wirtschaft, Staat und auch den Medien. Gerade die Exponenten der FDP haben sich neben denen von CVP und leider auch denjenigen aus dem "staatsgläubigen" Teil der SVP sehr weitgehend in diese schädliche Verflechtung verstrickt. Der Freisinn ist krank, darum hat er in den letzten Jahren verloren: an Wählerstärke, an Parlamentssitzen und - vor allem - an politischer Bedeutung und Glaubwürdigkeit. Das Schicksal des politischen Hauptverbündeten kann der SVP nicht gleichgültig sein. Wie konnte es so weit kommen? Wie ist es fast unbemerkt geschehen, dass die FDP-Politiker zwar theoretisch jahrelang ihr grundsätzliches liberales Denken, die Freiheit der Bürger und die Selbstverantwortung anpriesen, aber im politischen Alltag das Gegenteil taten? Noch 1979 hat die FDP mit der prägnanten Parole "mehr Freiheit und Selbstverantwortung, weniger Staat" einen erfolgreichen, betont antisozialistischen Kurs verkündet. Diesen vermochte sie aber schon nach den ersten Angriffen von links nicht durchzustehen. Statt sich in die proklamierte Botschaft zu vertiefen und ihr zum Durchbruch zu verhelfen, begann sich die FDP zu rechtfertigen und bald schon zu distanzieren. Im Bestreben, möglichst viele Wähler zu gewinnen, hat die FDP ihr inhaltliches Profil seither ständig mehr verwässert und dabei immer mehr Wähler verloren. Franz Steinegger - langjähriger Präsident ohne Parteierfolge - sprach schliesslich vom Ende des Links-rechts-Gegensatzes, um die Bürger darüber hinwegzutäuschen, wie erschreckend viele freiheitliche Grundsätze die FDP schon aufgegeben hatte. Die Annäherung an sozialistische Positionen belohnte die SP, indem sie Steinegger bekniete, ihn als Bundesrat von SP-Gnaden vorschlagen zu dürfen. Den kopflosen Wahlgag einer "Steuerstoppinitiative" hat die FDP still und leise kompostiert und damit viele steuermüde Mitbürger enttäuscht. 1999 brachte es die FDP sogar fertig, die Volksinitiative zur Reduktion des Eigenmietwerts abzulehnen. In ihrer "Vision Schweiz 2007" fordert die FDP den Beitritt der Schweiz zu EU, Uno und Nato und will mit solcher und anderer Betriebsamkeit "reformbereite Wählergruppen anbinden". Etwa mit Ketten oder mit Fesseln? Durch das staatsgläubige, interventionistische Denken und Handeln der Freisinnigen ist die einst von Persönlichkeiten wie Hans Letsch, Otto Fischer oder Heinz Allenspach mutig vertretene Ordnungspolitik zunehmend verludert. Dies hat die Freiheit und den Wohlstand der Bürger, die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und das Ansehen unseres Landes in der Welt geschmälert. Was wäre zu tun? Es ist zwar nicht an der SVP, der FDP wieder auf die Beine zu helfen, aber es kann der SVP auch nicht gleichgültig sein, wie ihr Hauptverbündeter politisiert. Dringend notwendig wäre ein gesetzliches Verbot, dass Parlamentarier in von Bundesrat und Parlament zu beaufsichtigenden Organisationen und Gesellschaften Führungs-Funktionen ausüben, etwa bei Expo, Suva, Eisenbahnen, Nationalbank und dergleichen mehr. Dasselbe müsste in den Kantonen gelten. Das gebietet die Gewaltentrennung! Im Interesse der Wirtschaft sollten die Unternehmen keine Politiker in die Verwaltungsräte wählen, nur weil sie Politiker sind. Dies durchzusetzen, ist allerdings nicht Sache des Staates, sondern der Unternehmen. Dem Freisinn wäre am besten geholfen, wenn er alle diese Verbindungen kappen würde, speziell auch diejenigen zu den Wirtschaftsverbänden (die wiederum ein Kapitel für sich darstellen). Dies allein böte Unabhängigkeit für Partei und Wirtschaft. Nur diese Grundsätze führen wieder zur Loyalität gegenüber der Sache statt der Loyalität gegenüber Parteifreunden. So erhielte die FDP wieder die Möglichkeit, sich für mehr Freiheit und Selbstverantwortung sowie für weniger Staat einzusetzen und diese Maxime nicht nur zu verkünden, sondern auch zu leben. Daran könnte der Freisinn genesen!

13.03.2001

«Weshalb ich am 10. Juni 2x Nein stimme»

Zwölf zwingende Gründe gegen die Militärgesetz-Revision Artikel vom 13. März 2001 1. Die Schweiz hat eine Widerstandsarmee Schweizer Soldaten sind für den Krieg gerüstet, damit sie notfalls Krieg führen können, um unser Land zu verteidigen. So schafft unsere Widerstandsarmee im eigenen Land Frieden, sie verhindert Krieg. Bundesverfassung Artikel 58: 2 Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Vom Schweizer Soldaten wird verlangt, dass er für den Schutz unseres Landes notfalls sein Leben hergibt. Die Frage ist zu stellen: Sterben wofür? Für fremde Händel und Kriegsabenteuer lässt sich der Einsatz des Lebens nicht rechtfertigen. Mit der Ernsthaftigkeit und den Schrecken des Krieges spielt man nicht. Wir sagen nein zu Kriegsabenteuern. Bundesverfassung Artikel 58: 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. Bundesverfassung Art. 59: 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Die Verteidigung des eigenen Landes ist Aufgabe jedes Schweizer Bürgers. Für diesen Zweck haben wir die Milizarmee mit Bürgern in Uniform geschaffen. Eine Armee, welche nur im Notfall aufgeboten werden kann. 2. Schwächung der Landesverteidigung und des Milizarmee Der Selbstbehauptungswille und die militärische Landesverteidigung der Schweiz gründen auf dem Gedanken des Widerstandes. Unsere Widerstandsarmee dient der Verteidigung. Sie mischt sich nicht in fremde Angelegenheiten In der Milizarmee ist der Bürger gleichzeitig auch Soldat und somit Träger des Widerstandes. Auslandeinsätze leisten der Schaffung einer Berufsarmee Vorschub und schwächen die Milizarmee. Sie führen zur Zweiklassenarmee. Der Zusammenhalt in der Armee wäre gefährdet. In der Folge wür-de die militärische Landesverteidigung den Rückhalt im Volk verlieren. 3. Verhinderung einer zukunftsweisenden Reform der Schweizer Armee Die Auslandseinsätze und die Ausbildungskooperation mit der NATO wollen aus der schweizerischen Milizarmee auf verfassungswidrige Art und Weise eine der NATO unterstellungsfähige Interventions-armee schaffen. Es soll eine NATO-Armee im Taschenformat konstruiert werden. Hauptsächlich aus Profis bestehend und von Profis kommandiert, mit Flugzeugen transportierbar und integrierbar in NA-TO-Strukturen, soll sie im Ausland zum Vasallen fremder Befehlshaber werden. Selbstverständlich: die schweizerische Miliz-Armee muss modernisiert und auf neue Formen von Ge-walt und Krieg ausgerichtet werden. Sie hat sich aber strikte auf das eigene Land zu konzentrieren. Wer die Armee mit militärischen Ausland-Einsätzen rechtfertigen will, leistet der Armee-Abschaffung Vorschub. Die beiden Gesetzesvorlagen bilden die Grundalge für die Armee XXI. Die neue Armee ist so gestal-tet, dass wir zwangsläufig von der NATO abhängig werden. Die Armee wird drastisch verkleinert. Tra-ditionsreiche und über Jahrzehnte gewachsene Verbände sollen der NATO-kompatiblen Brigadisie-rung weiche. Die Gebirgstruppen werden faktisch aufgehoben. Ein Gebirgsarmeekorps zum Schutz der wichtigen strategischen Übergänge wird es nicht mehr geben. 4. Auch "friedensunterstützende" Einsätze führen unvermittelt zu Kampfhandlungen Ein UNO-Expertenbericht, der sogenannte Brahimi-Bericht, hat die "Friedenseinsätze" der UNO wäh-rend der letzten 10 Jahre untersucht. Das Resultat ist vernichtend: Die Mehrzahl der Einsätze ist ge-scheitert. Die UNO-Experten und die NATO verlangen auch für "friedensunterstützende" Einsätze eine "robuste Doktrin": UNO-Truppen müssen jederzeit in der Lage sein, den "Kampf zu führen und den Gegner zu besiegen". Solche Forderungen nehmen endgültig Abschied von der naiven Annahme, es könne unterschieden werden zwischen "friedensunterstützenden" und "friedenserzwingenden" Einsätzen. Auch die Schwei-zer Truppen würden demzufolge den Auftrag erhalten, "den Gegner besiegen zu können". Die Schweiz könnte sich der Forderung nach einer UNO-Interventionsmacht (unter NATO-Kommando!) mit Kampfauftrag nicht widersetzen. Deshalb stellt sich die grundsätzliche Frage: Sollen Schweizer Soldaten in ausländischen Konflikt- und Kampfgebieten eingesetzt werden? Es geht nicht darum, ob Schweizer Soldaten für ausländische Kriegshändel zum Selbstschutz ein wenig bewaffnet werden sollen. 5. Eskalationsspirale führt zu Kriegsabenteuern Beispiele wie Bosnien, Ruanda, Ost-Timor, Somalia oder Sierra Leone zeigen, dass "friedensunter-stützende" Einsätze rasch eskalieren können. Auch für Schweizer Soldaten wäre der Griff zur Waffe unvermeidlich. Wer würde nach den Schüssen noch unterscheiden, ob es nun Notwehr der neutralen Schweiz oder eine Aggression der "fremden Interventionsmacht" war? Die Schweiz würde zur Kriegs-partei. Sie würde ihr Ansehen und ihre humanitäre Tradition als neutraler Kleinstaat verlieren. Ausge-rechnet der Depositärstaat des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) würde endgültig zur Marionette der interventionistischen Grossmachtpolitik. 6. Der Krieg und seine Schrecken "Suchst Du den Krieg, dann kommt er zu Dir!" Jeder Krieg ist begleitet von Grausamkeiten, Schre-cken, Tod und Zerstörung. Uranhaltige Munition, Minen, Splitterbomben und Giftgase kommen zum Einsatz. Neue Waffensysteme werden getestet. Wir haben dazu nichts zu sagen. Die Zivilbevölkerung und die Umwelt leiden. Unsere Söhne und Töchter kommen aus den fremden Kriegseinsatz mit Ver-strahlungen, Leukämie, Vergiftungen, körperlichen und seelischen Schäden oder gar als Tote zurück. Wofür? Und wo Truppen im Einsatz stehen, nistet sich die Prostitution ein. Sie will zusammen mit der Dro-genmafia profitieren. Jede Mutter, jede Frau, jede Freundin muss wissen, dass im Ausland eingesetz-te Soldaten diesen Gefahren ausgeliefert sind. Deshalb geht man nicht unter irgendwelchen Vorwän-den freiwillig zum Krieg. Bewaffnete Auslandeinsätze sind keine Abenteuerferien. Auslandeinsätze sind keine Abenteuerferien. 7. Preisgabe der schweizerischen Neutralität - weniger Sicherheit! Unsere Neutralität hat sich als erfolgreiches Sicherheits- und Friedensinstrument bewährt. Auch für das neue Jahrtausend ist sie hochmodern. Sie verpflichtet unsere Behörden zur konsequenten Nicht-einmischung in fremde Angelegenheiten und zur aussenpolitischen Bescheidenheit. Damit schützt sie Volk und Land davor, ungewollt in internationale Konflikte hineingezogen und erpressbar zu werden. Mit dem Einsatz von Schweizer Soldaten in ausländischen Konflikt- und Kriegsgebieten und mit der Präsenz von ausländischen Soldaten und Kampftruppen in der Schweiz würde die Neutralität ausge-höhlt und schliesslich aufgegeben. Die Sicherheit von Volk und Land würde fahrlässig aufs Spiel ge-setzt. Unsere 200-jährige Friedenstradition auf der Grundlage der Neutralität würde durch Anpasser-tum und modisches Prestigedenken über Bord geworfen. Die Schweizer Armee soll gemäss dem hohlen Schlagwort "Sicherheit durch Kooperation" zusammen mit der NATO 200 bis 300 Kilometer ausserhalb unserer Landesgrenzen den Abwehrkampf führen können. Die Neutralität wäre damit aufgegeben. Und unsere Truppen müssten unter Führung fremder Generäle ihr Leben einsetzen. Im eigenen Land wäre die Armee geschwächt. Möglichen Gefahren auf einheimischen Boden wären wir wehrlos ausgesetzt. Unsere Sicherheit würde fahrlässig aufs Spiel gesetzt. 8. Türöffner-Vorlage für falsche Aussenpolitik Die Militärgesetz-Revision ist die Türöffner-Vorlage für die verfehlte Aussen- und Sicherheitspolitik von Bundesbern: Zunächst soll mit dem Einsatz von Schweizer Soldaten und mit der Präsenz von auslän-dischen Soldaten in der Schweiz der Weg Richtung NATO-Beitritt geebnet werden. Sobald der militä-rische Auslandeinsatz legitimiert ist, wird man auf einen schnellen UNO-Beitritt drängen. Dies mit dem Argument, solche Militäreinsätze würden in der Regel unter UNO-Mandat durchgeführt, und die Schweiz müsse "mitreden" können. Schliesslich soll die Schweiz via politische UNO in die EU einge-bunden werden. Diese falschen aussenpolitischen Ziele werden die Unabhängigkeit, die Souveränität, die direkte De-mokratie und die Neutralität der Schweiz bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. 9. Preisgabe der Souveränität und Unabhängigkeit Im Widerspruch zur Bundesverfassung setzt die neue Sicherheitspolitik die militärischen Auslandein-sätze an erste Stelle. Die angestrebte sicherheitspolitische Kooperation mit dem Ausland und die NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP) schränken die Handlungsfähigkeit der Schweiz ein. Die Vernetzung wird immer dichter. Die Neutralitätspolitik wird zunehmend abhängig von den Grossmächten. Die Ausrüstung und Bewaffnung sowie die Ausbildungs- und Einsatzdoktrin der Schweizer Armee wird bereits heute aus-schliesslich auf NATO-Interoperabilität (Fähigkeit der Streitkräfte, mit ausländischen Streitkräften zu kooperieren) gedrillt. Schweizer Armeeangehörige sollen die englische Militärsprache lernen. Die Militärgesetzrevision würde die ausenpolitische Kompetenz des Bundesrates auf Kosten der Volksrechte ausweiten. Der internationale Aktivismus, das "Sich-zur-Schau-stellen" und der Bürokra-tismus der Verwaltung werden auf Kosten der Steuerzahler ausgeweitet. Solche Fehlentwicklungen schränken die Souveränität und Unabhängigkeit unseres Landes ein. 10. Missachtung der Bundesverfassung und von Volksentscheiden Das Schweizer Volk hat sich in klaren Volksentscheiden (UNO 1986, EWR 1992, Blauhelme 1994, EU-Beitritt März 2001) zur Unabhängigkeit und zur Neutralität bekannt. Bundesbern wollte ursprüng-lich die Militärgesetzrevision ohne Volksabstimmung durchziehen. Man geht einfach über Volksent-scheide hinweg, als hätten sie nie stattgefunden. Bundesverfassung Art. 173, Weitere Aufgaben und Befugnisse 1 Die Bundesversammlung hat zudem folgende Aufgaben und Befugnisse: a. Sie trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz. Bundesverfassung Art. 185, Äussere und innere Sicherheit 1 Der Bundesrat trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz. Bundesverfassung Art. 58, Armee 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. 2 Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Die Vorlage missachtet mit unglaublicher Ignoranz die in der Verfassung definierten Bestimmungen über die Neutralität und Armee: 11. Unverantwortliche Geldverschleuderung Militärische Auslandeinsätze sind eine unverantwortliche Verschleuderung von Steuergeldern. Auf-wand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Das Verteidigungsdepartement fordert schon heute Grossraum-Transportflugzeuge, Spezialausrüstungen für Auslandeinsätze, Container usw. - auf Kos-ten der Milizsoldaten und des Auftrages "Landesverteidigung". Der Swisscoy-Einsatz im Kosovo kostete für 15 Monate (bis Ende 2000) gemäss VBS etwa 60 Millio-nen Franken. Ein Swisscoy-Soldat kostet pro Monat gemäss Berechnungen der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit im EDA) 42'000 Franken, ein Angehöriger des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps etwa 12'000 Franken. Für Aufwendungen, die nichts mit den verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben der Schweizer Armee zu tun haben, werden heute schon weit über 100 Millionen Franken pro Jahr ausgegeben. Und dies auf Kosten unserer Verteidigungsarmee. Was für Regierungsmitglieder und reisefreudige Politiker prestigeträchtig erscheinen mag, ist für den humanitären Auftrag der Schweiz kontraproduktiv: Viel wirksamer ist es, die humanitäre Auslandhilfe der zivilen Organisationen - insbesondere der Schweizerischen Katastrophenhilfe - zu verstärken. 12. Der Weg der Schweiz Die immerwährende, bewaffnete Neutralität weist der Schweiz eine besondere aussenpolitische Auf-gabe zu: zivile humanitäre Hilfe, Friedensdiplomatie und jederzeitiger Einsatz des Roten Kreuzes. Es braucht in Europa und weltweit wenigstens ein glaubwürdig neutrales Land, das sich strikte aus frem-den Konflikten und Machtspielen heraushält und unparteiische humanitäre Hilfe leistet, wo Not herrscht. Unser aussen- und sicherheitspolitisches Konzept auf dem Boden der schweizerischen Neutralität muss heissen: - Wir mischen uns nicht in fremde Kriegshändel. - Keine Schweizer Soldaten im Ausland - Keine ausländischen Soldaten in der Schweiz. - Kriegsabenteuer nein - humanitäre Präsenz ja! - 2x Nein zum Militärgesetz

05.03.2001

«Jetzt bodige ich auch noch die Uno»

Blocher nach dem Sieg in der EU-Abstimmung Interview mit dem Blick vom 5. März 2001 Blocher will den aussenpolitischen Durchmarsch: Der Zürcher SVP-Chef möchte den Schwung des Europa-Neins vom Sonntag ausnützen, um auch die Uno zu bodigen. "Vorher höre ich nicht auf!", sagt Nationalrat Blocher im BLICK-Interview. Von Georges Wüthrich Herr Blocher, ist der EU-Beitritt jetzt vom Tisch? Christoph Blocher: Er ist für den Moment vom Tisch. Wie lange? Blocher: In den nächsten zehn Jahren kommt der Beitritt nicht mehr in Frage. Was muss der Bundesrat jetzt machen? Blocher: Er hätte klar sagen müssen, dass er dieses Resultat in dieser Klarheit auch nicht wollte. Er muss jetzt einsehen, dass das Schweizer Volk nicht in die EU will, auch die Westschweizer nicht. Den EU-Mitgliedstaaten muss er jetzt reinen Wein einschenken und das Beitrittsgesuch zurückziehen. Nützen Sie den Schwung gegen die Bewaffnungs-Abstimmung im Juni und gegen den Uno-Beitritt im nächsten Jahr aus? Blocher: Wir werden den Kampf nahtlos fortsetzen. Im Juni geht es um den Nato-Beitritt, und die Uno widerspricht unserer Neutralität. Dummes Zeug. Im Juni geht es nur um die Bewaffnung in Friedenseinsätzen zum Selbstschutz. Blocher: Das sagt man immer. Bei der EU hat man gesagt, es gehe nur um sofortige Beitritts-Verhandlungen, in Wirklichkeit ging es um den Beitritt. Beim Militärgesetz sagt man jetzt, es geht nur um ein wenig Bewaffnung, dabei will man den Nato-Beitritt. Ich bin gegen die Auslandeinsätze, wir haben uns nicht in fremde Händel einzulassen. Sollen Bundesrat und Parlament die Uno-Frage zurückstellen? Blocher: Ich würde mindestens raten, die Sache nochmals anzuschauen. Wie viel Geld hat die SVP gegen die EU-Initiative aufgewendent? Blocher: Es war relativ einfach, die Sache noch zu kehren, weil die riesigen Nachteile der EU immer sichtbarer werden. Ungefähr eine Million Franken. Sie könnten auf dem Höhepunkt des Triumphs jetzt zurücktreten. Blocher: Ich höre erst dann auf, wenn meine Aufgaben gemacht sind: Wenn die Uno gebodigt ist und die Steuern in unserem Land etwa halbiert sind. Macht Sie der Erdrutschsieg im Kanton Aargau rundum glücklich? Blocher: Ein solch erfreulicher Zuwachs birgt auch Gefahren. Die Aargauer müssen jetzt wahnsinnig aufpassen, dass sie nicht übermütig werden und dass sie ihre Arbeit recht machen. Ich hatte als Zürcher Präsident immer Angst vor solchen Zuwächsen.

03.03.2001

Vom christlich Schwätzen

Meine Kolumne in der Zürichsee-Zeitung vom 3. März 2001 Von Christoph Blocher, Herrliberg, Dr. iur., Unternehmer und SVP-Nationalrat Ohne Diskussion wollte das Parlament letzten Herbst seine eigene Entschädigung erhöhen. Obwohl das Volk 1992 eine Erhöhung der Parlamentsentschädigung wuchtig verworfen hatte, erhöhten sich die Parlamentarier ihre eigenen Taggelder einmal mehr, diesmal von 300 auf 400 Franken, und die jährliche Festentschädigung des Präsidenten auf 40'000 Franken pro Jahr. Es war nicht nach dem Programm der parlamentarischen Regisseure, als der die Sache stets auf den Punkt bringende Parlamentarier Mörgeli aus Stäfa beantragte, das Geschäft in einer Diskussion zu behandeln. Es gehe nicht an, "dass das Parlament seine eigenen Entschädigungen mit äusserster Diskretion, ja beinahe verschämt" behandle. Er rief die Problematik in Erinnerung, dass die Parlamentsentschädigung dem Referendum entzogen werde und dass mit der massiven Erhöhung immer mehr auf ein Berufsparlament hingearbeitet werde. Selbstverständlich wurde der Antrag Mörgeli wuchtig verworfen, denn das Parlament ist sich über alle Parteigrenzen hinweg nie so einig, wie wenn es darum geht, seine eigenen Pfründen zu verbessern. Es war dann der damalige erste Vizepräsident, Peter Hess, der mit einem für ihn untypischen Temperamentsausbruch am Fernsehen die Notwendigkeit der Erhöhung der Parlamentsentschädigungen vertrat. Als Mörgeli sagte, die geltenden Entschädigungen seien für ihn - der das Mandat als Drittelamt ausübe - mehr als hoch genug und übertreffe das Gesamtjahreseinkommen vieler Schweizer erheblich, fuhr Hess den jungen Parlamentarier schulmeisterlich an: Mit einem Drittelamt nehme Mörgeli sein parlamentarisches Amt nicht ernst genug, für ihn - Hess - erfordere das ein wesentlich grösseres Engagement! So wollte er das Parlamentsmandat als eine so unheimliche Belastung darstellen, die bei treuer Pflichterfüllung eine andere Tätigkeit praktisch verunmögliche. Hess vergass allerdings zu erwähnen, dass für ihn die spärlich bemessene Freizeit spielend für die Betreuung von über 40 Verwaltungsratsmandaten ausreichte. Es wurde Dezember, und Peter Hess wurde mit einem Glanzresultat zum Parlamentspräsidenten gewählt. Hätte er die hohen Entschädigungen bekämpft, wäre das Resultat wohl schlechter ausgefallen. In seiner Ansprache beschwor er das Gemeinwohl und verurteilte jede Interessensvertretung. Dann folgte die würdige Feier für den Präsidenten. Mit Kutschen und Schimmeln liess sich der höchste Schweizer durch die Hauptstadt seines Kantons fahren. Das sollte die Würde des Amtes unterstreichen, die Würde des Parlamentes, die Würde, die Würde, die Würde... Zwei Monate später erwähnte ein Zeitungsartikel, dass zwei der Firmen, in denen Hess im Verwaltungsrat sitzt, krimineller Machenschaften im Zusammenhang mit dem Zigarettenschmuggel angeschuldigt seien. Hess trat sofort aus den Verwaltungsräten dieser Firmen aus und versprach scheinheilig, dass das Problem der Nichtdeklaration von Verwaltungsratsmandaten - ein völlig unerhebliches Nebenproblem - angegangen werden sollte. Ich rieb mir die Augen: Entweder ist das Geschäftsgebaren dieser Tabakfirmen nicht kriminell, dann hat man aber auch nicht zurückzutreten. Oder diese Tätigkeit ist wirklich kriminell, dann hat man zurückzutreten - vor allem aber als Nationalratspräsident. Nun geht im Bundeshaus das moralische Reinemachen los. Vom Gemeinwohl ist viel die Rede. Es wird so richtig schön geheuchelt. Besonders gut kann dies die Partei mit dem C davor. Ich werde unweigerlich an Zwingli erinnert: "Christ sein heisst nicht christlich schwätzen..."

16.02.2001

«Jetzt predigen Sie wieder den Untergang»

Streitgespräch im Tages-Anzeiger vom 16. Februar 2001 Christoph Blocher im Streitgespräch mit den Initianten Stefan Läubli und Thomas Christen über die Schweiz und die Europäische Union Von Luciano Ferrari Herr Blocher, müssten Sie im Grunde nicht für die Initiative "Ja zu Europa" sein? Christoph Blocher: Wer, ich? Ja, denn gemäss Bundesrat Couchepin ist das Schlimmste, was passieren kann, ein Ja zur Initiative: Dann müsste bereits in 3 bis 4 Jahren über den EU-Beitritt abgestimmt werden, was gemäss Couchepin unweigerlich zu einem Nein führen würde. Blocher: Es wird so viel Taktisches dahergeredet. Richtig ist: Die Initiative muss abgelehnt werden. Sie will die Schweiz in einem Verfassungsartikel verpflichten, "den Beitritt zur Europäischen Union anzustreben". Das heisst, die Befürworter der Europa-Initiative wollen in die EU und zwar sofort. Selbst wenn sie dann hinzufügen, man könne am Ende doch wieder Nein zum Beitritt sagen, dieser Artikel bliebe in der Verfassung. Es geht doch aber zunächst darum, Verhandlungen aufzunehmen. Die Initiative verlangt nicht den EU-Beitritt. Blocher: Doch. Jemand der den EU-Beitritt anstrebt, soll nicht in die EU wollen? Ich verstehe nicht, dass es immer noch Leute gibt, die auf so eine Argumentation hereinfallen. Es ist mir auch nicht klar, weshalb die Initianten nicht dazu stehen, dass sie möglichst schnell der EU beitreten wollen. Stefan Läubli: Wir sagen ganz offen: Wir sind für die EU und wollen ihr auch langfristig beitreten. Wenn man das aber will, muss zuerst verhandelt werden, innere Reformen sind nötig. Das alles braucht Zeit. Mindestens fünf Jahre, wenn nicht noch länger. In dieser langen Zeit können wir noch genauer herausfinden, warum wir - auch Sie - dafür oder dagegen sind, und dann das Volk in Kenntnis der Tatsachen entscheiden lassen. Blocher: Es gibt mit der EU gar nicht viel zu verhandeln. Man kann nur ganz beitreten oder nicht. Man kann über Übergangsfristen oder über die Kommissions-Zusammensetzung reden, aber das ist nicht entscheidend. Wesentlich ist: Ein Beitritt der Schweiz zur EU heisst, den Acquis Communautaire, das heisst das europäische Recht - das heutige und das künftige - zu übernehmen. So steht zum Beispiel fest, dass die Schweizer eine Mehrwertsteuer von mindestens 15 Prozent zu bezahlen haben werden. Thomas Christen: Herr Blocher, Sie reden immer von der Mehrwertsteuererhöhung. Die andere Seite der Medaille aber erwähnen Sie nicht. Die Finanzordnung des Bundes läuft 2006 aus. Auf diesen Termin hin soll es ohnehin zu einer Verschiebung der direkten zur indirekten Bundessteuer kommen. Sie müssen doch konsequent sein und sagen, es wird zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen, aber sie kann sozial verträglich kompensiert werden, etwa durch eine Verminderung der Bundessteuer. Wieso betonen Sie immer nur die Nachteile? Blocher: Wollen Sie denn wirklich, dass die Mehrwertsteuer verdoppelt und die Bundessteuer gesenkt wird? Da würde ja der grösste Teil der Bevölkerung mehr Steuern bezahlen. Zudem glauben Sie doch nicht wirklich, dass diese Mehrwertsteuererhöhung kompensiert würde. Wir müssten ja auch noch jährlich 5 bis 7 Milliarden EU-Mitgliederbeiträge eintreiben. Das sind über 10 Prozent vom heutigen gesamten Bundeshaushalt zusätzlich. Läubli: Richtig ist, dass wir rund 3 Milliarden Franken zahlen müssten. Blocher: Schon 1992 hat der damalige Bundesrat Otto Stich 5 Milliarden berechnet. Heute, neun Jahre später, dürften es mehr sein - wohl eher 7 Milliarden. Läubli: Der Bundesrat kommt im Integrationsbericht auf einen Nettobetrag von 3,125 Milliarden Franken, und es ist klar, dass man in den Verhandlungen über diesen Preis reden müsste - übrigens nur ein Beispiel dafür, dass in Verhandlungen durchaus wichtige Punkte zur Diskussion stehen. Sie betonen aber dauernd die Kosten des Beitritts. Wir müssen doch auch sehen, was die EU in Europa erreicht hat. Die Versöhnung von Frankreich und Deutschland, die Aufnahme von Spanien, Portugal und Griechenland: Das hat zu Wirtschaftswachstum und zu einem generellen Stabilitätsgewinn in Europa geführt, von dem auch wir profitieren. Blocher: Ob der Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg durch die EU gewährleistet wurde, da mache ich gewaltige Fragezeichen. Der Frieden wurde durch die grosse Aufrüstung des Westens gesichert. ich will aber die EU nicht in Frage stellen. Die Mitgliedländer können machen, was sie wollen. Der Fortschritt in Spanien und Portugal ist durch die Demokratisierung und den Fall der Diktaturen ermöglicht worden. Aber auch die Schweiz hat eine Erfolgsgeschichte, die aus der direkten Demokratie und einer eigenen Wirtschaftsordnung besteht, die sie bei einem Beitritt preisgeben müsste. Dazu gehört zum Beispiel der Zinsvorteil gegenüber den anderen europäischen Staaten. Das hiesse heute etwa 2 Prozent höhere Hypothekarzinsen. Christen: Erstens hat sich die Zinsdifferenz zwischen den EU-Ländern und der Schweiz in den letzten Jahren immer mehr angeglichen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Zweitens können weder wir noch Sie heute sagen, was für eine Zinsdifferenz im Jahr 2006 herrschen wird, dem frühestmöglichen Zeitpunkt für einen Beitritt. Aber selbst wenn dann noch eine Zinsdifferenz besteht, gibt es immer Verlierer und Gewinner. Von einem Zinsanstieg könnten alle Sparer, wie etwa die grossen Pensionskassen, profitieren. Auch hier fokussieren Sie auf ein Thema, aber die grossen Zusammenhänge schieben sie einfach ab. Läubli: So profitieren wir schon heute von den Errungenschaften der EU, ohne einen Beitrag zu zahlen. Diese auf das Nehmen beschränkte Haltung aber führt zu einer schleichenden Isolierung der Schweiz und schadet unserem Wirtschaftsstandort. Gerade Sie wissen doch, wie wichtig heute die Netzwerke in Europa sind. Die Schweiz ist nicht mehr gut eingebunden. Ich erinnere etwa an die nachrichtenlosen Vermögen, ans Bankgeheimnis oder an die verzögerte Ratifizierung der bilateralen Verträge. Wenn man wie Sie an die Stärke der Schweiz glaubt, Herr Blocher. Wieso dann diese grosse Angst, sich selbstbewusst in diese Gemeinschaft einzubringen? Blocher: Wir leben ja nicht auf dem Mond in der Schweiz. Das Erfolgsgeheimnis der Schweizer Aussenpolitik ist doch, mit allen Staaten wirtschaftlich, politisch und kulturell freundschaftlich eng zu verkehren. Aber eines dürfen wir nicht tun: die Entscheidungsfähigkeit aus der Hand geben. Die Schweiz kann nur selbstbewusst sein, so lange sie selbst entscheiden kann. Herr Christen, die Hochzinsen führen zu Rezessionen, Wirtschaftseinbrüchen, Arbeitslosigkeit. Der höhere Wohlstand ist weit gehend auch die Folge des Selbstständigseins. Sie sind beides junge Leute: Auch für Sie ist entscheiden können, bestimmen können, zentral. Wären wir in der EU, könnten wir in wesentlichen Sachen nicht mehr selbst entscheiden. Vielleicht können der Bundesrat, Beamte und Diplomaten mitreden. Entscheiden kann, aber sicher nicht das Volk. Christen: Sie sagen, man dürfe die Entscheidungsfähigkeit nicht aus der Hand geben. Aber gerade deshalb muss man dort mit entscheiden können, wo die für uns wichtigen Fragen gelöst werden. Blocher: In Europa mitreden - um in der Schweiz nicht mehr entscheiden zu können! Nehmen wir die Aufhebung des Bankgeheimnisses oder die Sanktionen gegen Österreich: Hätte die Schweiz diese Beschlüsse nicht beeinflussen können, wenn sie EU-Mitglied gewesen wäre? Blocher: Wissen Sie, was im Fall Österreich passiert wäre? Die Schweiz hätte auch mitgemacht. Es ist ja für einen Schweizer unerträglich, wie hier die demokratische Entscheidung missachtet wurde: Da haben die EU-Staaten den Österreichern gesagt: "Diese Regierung dürft ihr nicht einsetzen, sonst boykottieren wir euch." Das tönt doch nach "Kauft nicht bei Juden". Wäre die Schweiz Mitglied gewesen, so hätte bestimmt auch der Bundesrat mitgemacht. Er hätte nicht die Kraft gehabt, sich zu widersetzen. Genauso, wie die Dänen diese Kraft auch nicht hatten. Sie wussten genau, wenn sie nicht mitmachen würden, wären sie an einer anderen Stelle zur Kasse gebeten worden. Denn in der EU geht es permanent um "Kuhhändel". Christen: Zu Österreich gilt es festzuhalten, dass es doch problematisch ist, wenn jemand an die Macht kommt, der mehrmals die nationalsozialistische Politik verharmlost hat. Das schieben Sie immer zur Seite. Mit dem Vorgehen der 14 EU-Staaten waren hingegen auch wir nicht einverstanden, befanden uns aber in sehr guter Gemeinschaft mit den Institutionen der EU. Sowohl die Kommission als auch das EU-Parlament haben von Anfang an gesagt, das Vorgehen sei falsch. Blocher: Nicht die EU-Gremien, sondern die EU-Staaten haben Österreich boykottiert, weil zu einem solchen EU-Beschluss Einstimmigkeit nötig gewesen wäre. Österreich hätte ja in den EU-Gremien selbst auch zustimmen müssen. Das Vorgehen ist undemokratisch. Sie sind ja gar keine Demokraten mehr, wenn Sie so etwas in Schutz nehmen. Christen: Diesen Vorwurf kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Blocher: Bringen Sie den Gegenbeweis. Christen: Als Demokrat will ich doch dort mitbestimmen, wo die wichtigen Entscheide gefällt werden. Ich begreife nicht, dass Sie diese Ebene einfach ausschliessen. Durch die Globalisierung sind die Probleme so gross geworden, dass sie eben nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden können. Deshalb lösen die EU-Staaten diese Probleme gemeinsam, und die Schweiz, mitten drin, muss dann einfach nachziehen. Wir werden fremdbestimmt. Läubli: Wir sehen dies doch jetzt bei der zweiten Runde der bilateralen Verträge. Da hat die EU in den Bereichen organisierte Kriminalität, Flüchtlingsströme und Asylpolitik in den Verträgen von Schengen und Dublin eine Lösung gefunden. Jetzt muss die Schweiz darum betteln, dass Sie diese fixfertigen Lösungen übernehmen kann. Hat so unser Volk noch einen Einfluss? Blocher: Ja, sie ist entwürdigend, diese Bettelei. Aber wir sind nicht gezwungen nachzuziehen. Erst wenn wir in der EU sind, werden wir fremdbestimmt. Das Schengener Abkommen wäre schlecht für die Schweiz. Wir können die Probleme im Flüchtlingsbereich ohne weiteres allein lösen. Dort, wo die Schweiz versagt hat, ist sie selber schuld. Wenn Politiker ein Problem nicht lösen können oder wollen, schieben sie es einfach auf die EU. Ich freue mich zwar über Ihre Schwärmerei, ich war nach dem Krieg auch ein grosser Anhänger dieser Einigungsbewegung, nur hatte ich natürlich ein anderes Europa vor mir. Heute erklärt Kommissionspräsident Romano Prodi, die EU müsse eine Grossmacht werden. Die Schweiz ist in ihrer Geschichte immer gescheitert, wenn sie sich einer Grossmacht anschliessen wollte. Christen: Jetzt predigen Sie wieder den Untergang der Schweiz. Sie sagen, Sie hätten sich die europäische Einigung anders gewünscht und stilisieren die EU zu einer undurchsichtigen Grossmacht herauf. Es ist doch eine Tatsache, dass zumindest die Gründerstaaten der EU seit fast 50 Jahren zusammenarbeiten, und ein Italiener immer noch ein Italiener ist, ein Deutscher immer noch ein Deutscher. Es ist wie 1848, als die Kantone sahen, dass sie die Probleme nicht mehr allein würden lösen können. So entstand die Schweiz, und ein Thurgauer blieb ein Thurgauer, ein Berner ein Berner. Man beschloss einfach, diejenigen Probleme, die man nicht für sich lösen konnte, gemeinsam, auf Bundesebene anzugehen. Jetzt steht nichts anderes zur Diskussion, als eine weitere, europäische Ebene anzufügen, ohne dabei die Schweiz als Staat in Frage zu stellen. Blocher: Damit geben Sie die Selbstbestimmung unseres Landes weit gehend auf. Wenn Sie wollen, dass die Schweiz ein Kanton der EU werden soll, dann sagen Sie das. Wer will die Kompetenzen, die die Kantone an den Bund abgegeben haben, an Brüssel abgeben? Die Schweizer Kantone waren damals - nach einem Bürgerkrieg - nicht überlebensfähig. Die Schweiz aber kann überleben, sie ist wirtschaftlich und freiheitlich sehr gesund. Da geht man doch nicht hin und sagt, wir geben uns auf und werfen uns in die Arme derer, die eine ganz andere Konzeption haben als wir. Darf man ein Nein zu dieser Initiative als Nein zum EU-Beitritt interpretieren oder muss man nicht fairerweise sagen, dass ein Teil des Neins sich nur gegen die sofortige Aufnahme von Verhandlungen richtet? Blocher: Ich hoffe, dass auch viele grundsätzliche EU-Befürworter Nein stimmen werden, wie dies ja auch Bundesrat und Parlament empfehlen. Wichtig ist, dass die Europa-Initiative am 4. März abgelehnt wird. Sicher wird dann das Ergebnis verschieden interpretiert. Die Europa-Initiative will einen sofortigen EU-Beitritt. Wird sie abgelehnt, ist der Beitritt für die nächsten Jahre vom Tisch. Läubli: Richtig, Herr Blocher, wenn die Initiative abgelehnt wird, ist der EU-Beitritt vorerst vom Tisch. Aber die Diskussion über das Verhältnis der Schweiz zur EU wird unweigerlich weitergehen - weil sich zeigen wird, dass sich eine Isolierung der Schweiz nicht auszahlt.