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10.03.2003

Eine innovative Platzierung

Interview mit "Stocks" vom 10. Januar 2003 Von Daniel Krähenbühl Stocks: Der Entscheid gegen ein Going Private widerstrebt Ihnen offensichtlich. Christoph Blocher: Mir läge es viel näher, die Firma von der Börse zu nehmen. Wir könnten die Firma in den nächsten Jahren auch problemlos alleine führen. Im Interesse der Firma muss dies aber sein, um ein Wachstum, eine nachhaltige Gewinnentwicklung und eine langfristig solide Situation zu gewährleisten. Kontrolle ist offenbar etwas sehr Wichtiges für Sie. Christoph Blocher: Ja. Es hätte die Krisen in diversen grossen Firmen nicht gegeben, wenn diese starke Aktionäre gehabt hätten. Wenn es von der Expansion her nicht anders geht, bin ich bereit, meinen Aktienanteil unter 50 Prozent abzubauen. Man kann auch mit 40 oder 30 Prozent noch eine wichtige Verantwortung tragen. Ems muss aber einen beherrschenden Aktionär behalten, das ist ihre Stärke. Haben Sie sich deshalb für eine Einheits-Namen und nicht für eine Inhaber-Aktie entschieden? Christoph Blocher: Ja. Man weiss halt bei einer Namenaktie ,wer die Aktionäre sind. Der Entscheid ist aber nicht in Stein gemeisselt. Sie wollen die Aktien "innovativ platzieren". Was heisst das? Christoph Blocher: Das Stupideste wäre, wenn wir morgen die Aktien auf den Markt werfen würden. Zum momentanen Kurs werden wir das sowieso nicht tun. Eine Möglichkeit wäre eine Versteigerung. Vielleicht gibt es aber auch noch ganz andere Formen. Wir müssen uns das in den nächsten Monaten noch überlegen, um dann Mitte Jahr für eine Platzierung bereit zu sein, die dem Aktionär möglichst viel bringt und steueroptimiert ist. Welcher Verkaufspreis schwebt Ihnen vor? Christoph Blocher: Ems hat zwar keine schlechte Kursentwicklung gemacht. Aber im Moment sind die Aktien allgemein weit unten. Jetzt muss man Titel kaufen und nicht verkaufen. Aber Sie beginnen noch in diesem Jahr mit dem Verkauf Ihrer Aktien? Christoph Blocher: Bei so tiefen Kursen sicher nicht. Es besteht auch keine Notwendigkeit. Was bringt Ems als breite Publikumsgesellschaft den Aktionären? Christoph Blocher: Die Vorzugs-Stimmrechte fallen weg. Wenn ich meinen Anteil auf 50,1 Prozent abbaue, haben die anderen Aktionäre einen massiven Einfluss auf die Firma. Und die Investoren wissen gleichzeitig, dass sie nach wie vor einen starken Aktionär haben, der auf ihre Vermögenswerte achtet.

01.03.2003

Lappi tue d’Augen uf

Meine Entgegnung auf den sir-Artikel in der "NZZ" vom 1. März 2003

11.02.2003

Welches ist die liberalste Partei im Lande?

Streitgespräch im "Tagesanzeiger" vom 11. Februar 2003 Was liberale Politik ist, definierte einst die FDP. Nun macht ihr die SVP diesen Anspruch streitig. Christiane Langenberger und Christoph Blocher in ihrem ersten direkten Schlagabtausch.Jeder Einzelne ist für sich selbst verantwortlich, sagt Christoph Blocher. Nein, findet FDP- Präsidentin Christiane Langenberger, der Staat muss für Chancengleichheit sorgen.Mit Christiane Langenberger und Christoph BlocherVon Helmut Stalder und Matthias Baer Herr Blocher, verstehen Sie sich als Liberaler? Christoph Blocher: Selbstverständlich. Liberalismus ist das Gegenteil von Sozialismus. Die Freiheit und die Selbstverantwortung des Bürgers stehen im Mittelpunkt, nicht das Kollektiv. Auch Wohlfahrt ist nur in einem liberalen Staat möglich. Ich bin also ein Liberaler im ursprünglichen Sinne. Auch Sie, Frau Langenberger, beanspruchen das liberale Etikett für sich. Was meinen Sie damit? Christiane Langenberger: Wir wollen den Menschen Freiraum geben, aber wir verlangen von ihnen auch Verantwortung. Davon habe ich bei Ihnen, Herr Blocher, nichts gehört. Wir sind für so wenig Staat wie möglich, aber für so viel wie nötig. Beide bekennen Sie sich als Liberale. Deshalb die Gegenprobe: Finden Sie, Frau Langenberger, Herrn Blocher liberal? Langenberger: Er ist weniger liberal als wir Freisinnigen. Sie, Herr Blocher, schränken den Staat auch dort ein, wo es ihn braucht, beispielsweise in der Aussenpolitik. So verhindern Sie, dass wir auf die vielen Probleme reagieren können, die von aussen auf uns zukommen. Beim Terrorismus, bei der Umweltbedrohung und in der Migrationspolitik muss die Schweiz international zusammenarbeiten. Wir stehen dafür ein, dass der Staat hier handlungsfähig bleibt. Gegenprobe auf die andere Seite: Finden Sie, Herr Blocher, Frau Langenbergers Positionen liberal? Blocher: Nein. Frau Langenberger, wenn ich sehe, was Sie alles vertreten, gehören Sie zum linken Flügel der SP. Sie waren für eine Mutterschaftsversicherung, bei der jede Mutter staatliche Unterstützung erhalten sollte, unabhängig von einer Notlage. Die anderen Bürgerinnen und Bürger bezahlen. Beim Krankenversicherungsgesetz bauten Sie den Grundkatalog aus. Nun bezahlen die Bürger jedes Jahr mehr Prämien! Für einen Liberalen ist das alles unerträglich - auf Schritt und Tritt wird sozialistisch umverteilt. Und die FDP ist eine treibende Kraft dieser Entwicklung. Langenberger: Der Staat soll und darf nur dort eingreifen, wo es um Chancengleichheit und den Schutz der Schwächsten geht. Für die höheren Einkommen hätte es keine Mutterschaftsversicherung gegeben. Bei der Krankenversicherung sind unsere Positionen mit der SVP nahezu deckungsgleich. Die FDP fordert seit Jahren die Aufhebung des Vertragszwangs und verlangt eine Überprüfung des Grundkatalogs. Drängen Sie uns also nicht in die linke Ecke! Ist für Sie, Herr Blocher, Liberalismus vor allem Wirtschaftsliberalismus? Blocher: Nein. Der Liberale wehrt sich grundsätzlich dagegen, dass die Bürger von der Wiege bis zur Bahre vom Staat betreut werden. Der liberale Bundesstaat, wie er 1848 verankert wurde, war ein schlanker Staat und lange Zeit die Grundlage von Freiheit und Wohlfahrt der schweizerischen Bürger. Wollen Sie zu einem Nachtwächterstaat zurück, der sich nur noch um das Nötigste kümmert? Das Gemeinwohl ist doch ein zentraler, liberaler Wert. Blocher: Der Staat garantiert das Gemeinwohl am besten, wenn er seine Bürger machen lässt. Wo der Staat den Bürgern viel wegnimmt, geht es allen schlechter. Ein Nachtwächterstaat wäre nur für die Sicherheit zuständig, also für Polizei, Justiz und Armee. Das genügt mir nicht: Wer zu schwach ist, sein Leben zu fristen, soll fürsorglich betreut werden - aber nur die Not Leidenden. Sind Sie, Frau Langenberger, in Abgrenzung hierzu für einen Ausbau des Sozialstaates? Langenberger: Ich will nicht, dass der Staat dauernd interveniert und die Bürger völlig unter seine Fuchtel nimmt. Aber der Staat muss dafür sorgen, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben, ihre Freiheiten wahrzunehmen. Es darf nicht sein, dass schwächere Menschen ausgegrenzt werden, dass sie keine Chance auf Bildung oder eine anständige Arbeit haben. Chancengleichheit herbeizuführen, ist eine zentrale Aufgabe für eine liberale Gesellschaft. Wir sind für den Steuerabbau, doch kann man dem Staat auch zu viele Mittel entziehen. Sie erwähnen den liberalen Wert der Chancengleichheit: Soll der Staat beispielsweise Krippen fördern, um allen Müttern und Vätern gleiche Berufschancen zu eröffnen? Blocher: Kinder haben ist Privatsache . . . Langenberger: Ach, wirklich? Was machen wir denn, wenn in der Schweiz keine Kinder mehr zur Welt kommen? Wollen Sie etwa mehr Ausländer holen? Wir müssen doch Rahmenbedingungen schaffen, die es Frauen und Männern erleichtern, Kinder zu haben. Blocher: Der Staat ist nicht für das Kinderkriegen verantwortlich. Wenn eine Frau zu arm ist, arbeiten muss und sich keine Krippe leisten kann, soll der Staat durch die Fürsorge eingreifen. Heute wird aber gefordert, dass alle ihre Kinder in staatlichen Krippen abgeben können. Andere sollen dies bezahlen - auch Kinderlose. Das ist sozialistische Umverteilung. Sie propagieren die Krippen unter dem Titel Chancengleichheit, dabei behindern Sie gleichzeitig die Chancen anderer, denen Sie das Geld wegnehmen! Langenberger: Herr Blocher, der Staat tut viel dafür, dass sich Frauen besser ausbilden und auch Kaderstellen erreichen können. Deshalb muss sich der Staat dafür interessieren, dass Beruf und Kinder in Einklang gebracht werden können. Das ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Die Arbeitgeber wollen Frauen in ihren Betrieben. Blocher: Dann sollen diese Unternehmen doch selber Krippen einrichten. Langenberger: Damit dies passiert, muss der Staat Kinderkrippen finanziell ein bisschen anschieben. Blocher: Ja, immer ein bisschen, ein bisschen, darum haben wir 200 Milliarden Schulden . . . Langenberger: Es geht um eine Anstossfinanzierung. Auch Tagesschulen mit Mittagstischen sind eine positive Massnahme, damit all die gut ausgebildeten Mütter arbeiten können. Selbstverständlich müssen sich die Eltern nach ihren Möglichkeiten beteiligen. Blocher: Geht es nach Ihnen, bezahlen die anderen Bürger eine Mutterschaftsversicherung, dann die Krippen, die Schulausbildung, das Studium und schlussendlich das Salär für die Doktoranden. Das ist Ihr Programm der staatlichen Kindererziehung. Es ist ein sozialistisches Erziehungssystem, bei dem die Wohlfahrt der Schweiz auf der Strecke bleibt: Andere sollen für die anderen sorgen, nur niemand mehr für sich selbst. Man kann die Kinder nicht auf Staatskosten abgeben, um sich dann selbst zu verwirklichen. Langenberger: Warum sagen Sie im Zusammenhang von arbeitenden Frauen so abschätzig, es gehe nur um Selbstverwirklichung? Selbstverwirklichung ist etwas Positives. Auch für Frauen. Und deshalb soll der Staat dies ermöglichen. Frauen, die arbeiten gehen können, bezahlen schliesslich auch Steuern. Ein weiterer Grundwert, der zum liberalen Denken gehört, ist Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Frau Langenberger, lebt die SVP diesem Wert nach? Langenberger: Nein. Ihre Intoleranz zeigt die SVP vor allem im Stil. Sie macht Plakate, die an der Grenze des Anstands sind. Sie leistet sich gegenüber ihrem eigenen Bundesrat Samuel Schmid abschätzige Qualifizierungen. Und sie redet dauernd das System schlecht und macht den Staat lächerlich. Von diesem antiliberalen Teil der SVP möchte ich die FDP stärker abgrenzen. Blocher: Wir machen nie den Staat lächerlich, wir kritisieren Regierende. Sie tun so, als seien Regierende der Staat. Darin zeigt sich die Arroganz der Macht. Gerade ein Liberaler darf dies niemals akzeptieren. Der einzelne Bürger steht im Zentrum, nicht die Regierung. Die SVP stellt die FDP in die linke Ecke und spricht von der "vereinigten Linken". Das tönt nach einem wenig liberalen Absolutheitsanspruch. Blocher: Auch ein Liberaler hat eine Position, eine Überzeugung. Der Staat muss die Meinungsfreiheit garantieren, auch die Freiheit des politischen Stils. Die Grundfrage jedes politischen Handelns lautet: mehr Staat oder mehr Freiheit? Früher standen sich die SP und die bürgerlichen Parteien gegenüber. Heute haben wir eine andere Konstellation: die SVP gegen die übrigen drei. Sie nennen diese neue Allianz "Koalition der Vernunft", was gegenüber der SVP kein sehr toleranter Begriff ist. Wir sagen "vereinigte Linke", weil nur noch die SVP gegen die Sozialisten kämpft. Langenberger: Die Zweiteilung in links/rechts, die Sie so forcieren, führt in die Irre. Es geht auch um den Gegensatz zwischen Fortschritt und Bewahren. Zum liberalen Gedanken gehört für mich Weltoffenheit und Modernität. Blocher: Das sind doch leere Floskeln. Langenberger: Nein, das zeigt sich in der Politik. Nehmen Sie die bilateralen Verhandlungen mit der EU, wo Sie ein Moratorium verlangen. Oder die Sicherheitspolitik: Sie wollen zwar eine Armee, sind aber dagegen, dass diese im Ausland üben darf. Blocher: Ihre Politik ist vielleicht zeitgemäss, aber falsch. Denn der Zeitgeist ist nicht das Mass aller Dinge. Die bilateralen Verhandlungen beispielsweise schränken die Selbstbestimmung der Schweiz ein. Frau Langenberger, Herr Blocher, in der Wintersession haben Sie bestens zusammengearbeitet: Sie haben die KVG-Revision abgelehnt, soziale Abfederungen in der AHV verhindert und am Steuersenkungspaket festgehalten. Eigentlich sind Sie ja ein bürgerliches Dreamteam. Blocher: Nein, in der Europapolitik, der grossen Auseinandersetzung der letzten zehn Jahre, stand einzig die SVP für das liberale Gedankengut ein. Es begann mit dem EU-Beitritt, einem Ja oder Nein zur Unabhängigkeit der Schweiz . . . Sie weichen aus. Finanz-, Sozial- und Gesundheitspolitik sind ebenfalls zentrale Themen. Hier arbeiten Sie im Parlament harmonisch zusammen. Blocher: Nein, denken Sie an die Mehrwertsteuererhöhungen, die Schwerverkehrsabgabe, die Tabaksteuererhöhungen, die Eigenmietwert-Initiative, die Asyl-Initiative, die Solidaritätsstiftung, die Swiss, die Expo etc. Wir fordern eine finanzielle Entlastung des Bürgers und sind gegen eine weitere Ausdehnung der staatlichen Macht. In Detailfragen gibt es vielleicht da und dort eine gewisse Harmonie. Vor den Wahlen muss die FDP ja etwas aufpassen. Wo bleibt da die von Ihnen angekündigte Abgrenzung, Frau Langenberger? Langenberger: Ich habe immer gesagt, dass wir in wirtschaftlichen Fragen gerne zusammenarbeiten. Ich grenze mich von einem gewissen Stil und dem antiliberalen SVP-Flügel ab. Die SVP, aber auch die SP polarisieren die Politik und schwächen damit das Land. Es ist gefährlich, wenn man die anders Denkenden, die Vertreter der sozialen Marktwirtschaft, derart in Bedrängnis führt, dass es schlussendlich nur noch zwei Fronten gibt: einen linken und einen rechten Flügel. Blocher: Das ist halt leider so: SP und SVP sind Gegenpole. Langenberger: Deshalb möchte ich eine starke bürgerliche Mitte aufbauen. Blocher: Machen Sie das. Herr Blocher, was passiert, wenn sich die freisinnige Auffassung liberaler Politik durchsetzt? Blocher: Wenn der Freisinn weiterhin mit der Linken marschiert und den Liberalismus sozialistisch auslegt, wird dies der SVP nützen. Der Freisinn warb ja einst mit dem Slogan: "Mehr Freiheit, weniger Staat." Übrigens wollte damals auch die SVP diesen Satz verwenden. Wir einigten uns dann mit der FDP und wählten: "Mehr Freiheit, weniger Bürokratie." So nahe lagen wir früher zusammen. Ihren heutigen Kurs, Frau Langenberger, goutiert die freisinnige Basis nicht: Nach links hat die FDP keine Chance. Sie haben ihre Position verlassen, nun suchen ihre einstigen Wähler eine neue Heimat bei uns. Wenn sich die FDP aber auf ihre Ursprünge zurückbesinnt, wird die SVP wieder schwächer. Dann wäre sie auch nicht mehr so nötig. Frau Langenberger, was passiert, wenn sich die SVP-Auffassung von liberaler Politik durchsetzt? Langenberger: Wir haben nicht derart unterschiedliche Ansichten von Liberalismus als die SVP. Was die Finanzpolitik oder die Rolle des Staates angeht, sind wir uns wahrscheinlich einig. Aber, nochmals, wir betreiben eine verlässliche, moderne und weltoffene Regierungspolitik. Wenn sich die SVP durchsetzt, wird die Polarisierung noch stärker zunehmen. Das ist schade für die Parteienvielfalt, die wir anerkennen.

03.02.2003

Flughafen soll sich selber tragen

Interview mit dem "Tagesanzeiger" vom 3. Februar 2003 STREIT UM FLUGHAFENGRÖSSE: Zuerst änderte die Zürcher Regierung ihre Meinung zum Flugregime, dann die SVP ihre Haltung zur Grösse des Flughafens. Zwei Monate vor den Zürcher Wahlen wird der Flughafen zum Hauptthema. «Jetz isch fertig», sagte Christoph Blocher, als er merkte, dass die Flughafenbefürworter den Hubbetrieb auch dann behalten wollen, «wenn er nicht rendiert und der Kanton zahlen muss». Von Erwin Haas Herr Blocher, jahrelang hatte die SVP nichts dagegen, dass der Flughafen Zürich als Schweizer Drehkreuz des internationalen Luftverkehrs politisch unterstützt wird. Im Gegenteil: Sie waren immer dafür. Jetzt wollen Sie ihn plötzlich zurechtstutzen, «bevor er Pleite geht». Woher wissen Sie denn, dass es so schlimm um ihn steht? Blocher: Die SVP hat das Flughafenkonzept in den 90er-Jahren mitgetragen. Die Swissair, der Flughafen, die zürcherische Wirtschaft und die Regierung haben die Prognosen erstellt. Auch die SVP hat diese damals mitgetragen. Doch heute steht fest: Wir haben einen zu grossen Flughafen. Das ahnten wir schon lange, heute haben wir Gewissheit. Wir sind misstrauisch geworden, als der Flughafen die Eröffnung des neuen Docks hinauszögerte, um es nicht in seiner Bilanz aktivieren zu müssen. Auch die Gebührenerhöhung ist eine sichtbare Folge. Sie haben stundenlang mit dem Unique-Verwaltungsratspräsidenten Andreas Schmid über eine Redimensionierung diskutiert, konnten ihn aber nicht zur Bescheidenheit überreden. Der rechnet immer noch mit 4,5 Prozent Wachstum pro Jahr. Blocher: Er hat seine Unsicherheit schon durchblicken lassen. Er könne nichts dafür, wenn die Swiss sich nie festlege, welche Kapazitäten sie haben werde. Aber ich kann auch nicht meine Kunden fragen, wie es in 20 Jahren aussieht. Swissair und Swiss führten zu einem überdimensionierten Konzept. Nicht der Markt war entscheidend, sondern das Bedürfnis, einezu grosse Fluggesellschaft auszulasten. Darum strandete die Swissair, und es wird auch für Swiss nicht funktionieren. Jetzt behaupten diejenigen Kreise, welche die Privatisierung des Flughafens für notwendig hielten und die Eigenwirtschaftlichkeit hervorhoben, man müsse die Flüge auch dann aufrechterhalten, wenn diese oder der Flughafen nicht rentierten. Die Öffentlichkeit solle das bezahlen. Da sage ich: «Jetz isch fertig.» Haben Sie sich selber bei Schmid gemeldet? Blocher: Nein. Ich traf ihn an einem Wirtschaftstreffen am Genfersee. Nach dem Essen traf man sich an der Bar. Dort habe ich mit Schmid bis weit in den Morgen hinein diskutiert. Es war kein gutes Gespräch. Es kam mir vor wie bei der Swissair: Wer damals kritisierte und warnte, galt als Totengräber der nationalen Fluggesellschaft. Wer heute besorgt nach der wirtschaftlichen Zukunft des Flughafens fragt, wird als Flughafenkiller verteufelt. Die gleichen Kreise, die hinter der Swissair waren, stehen heute hinter dem falschen Flughafenkonzept. Auch die Unique hat wieder Verwaltungsrat und Beirat - stets Zeichen der Verfilzung. Offiziell sagt man, die Beiräte seien da, um die Verwaltungsräte zu beraten. In Wirklichkeit sind sie dazu da, um Leute einzubinden. Im Flughafen-Beirat, der den Verwaltungsrat beraten sollte, ist der Präsident derselbe wie im Verwaltungsrat. Der Berater berät sich also selber. Vizepräsident des Beirates ist Verwaltungsrat und Regierungsrat Ruedi Jeker. Auch er berät sich selber. Im Beirat sitzt Vreni Spoerry, das ist die alte Swissair-Linie. Neben dem Volkswirtschaftsdirektor gehören auch die Baudirektorin und der Finanzdirektor dazu, wobei der Kanton Zürich der grösste Gläubiger ist. Das ist Ihr Regierungsrat. Blocher: Diese Bemerkung ist typisch. Wir haben eine Loyalität zur Sache. Ob das jetzt Christian Huber ist oder nicht: Regierungsräte dürfen nicht gleichzeitig im Verwaltungsrat und im Beirat sitzen. Wenn ich Finanzdirektor wäre, würde ich der Regierung den Antrag stellen, dass ich nicht im Verwaltungsrat sein dürfe. Niemand kann zwei Herren dienen. Diesen Antrag hat Huber aber nicht gestellt. Blocher: Das weiss ich nicht. Aber er sieht durchaus ein, dass es Interessenkonflikte geben kann. Dorothée Fierz ist Baudirektorin und sitzt ebenfalls im VR. Ich sage das nicht, weil sie freisinnig ist. Aber eine Baudirektorin, die Bewilligungen erteilt, kann doch nicht im Verwaltungsrat sitzen. Der Präsident der Unique, Andreas Schmid, ist natürlich anderer Meinung. Er sagt, er wolle doch nachher nicht die langen Instanzenwege durchschreiten. Dass er das nicht will, ist mir klar: Der Finanzdirektor istdie kürzeste Verbindung zur Staatskasse. Frau Fierz ist die kürzeste Verbindungzur Baubewilligungsbehörde. Das muss auseinander gerissen werden. Die Folgen zahlen die Steuerzahler. Was raten Sie Swiss-Chef André Dosé, der offensichtlich auch ein überdimensioniertes Unternehmen steuert? Blocher: Die SVP war von Anfang an dagegen, dass der Staat sich an der Swiss beteiligt. Das gilt heute noch, ob es nun gut oder schlecht geht. Die Staatsbeteiligung ist ein schwerer ordnungspolitischer Missgriff. Auch die Swiss ist zu gross. In Swiss-Kreisen wartet man sehnlichstauf den Irak-Krieg, damit man einen Grund hat, um die Redimensionierung durchzuführen, die ohnehin gemacht werden muss. Reden Sie noch bei anderen Unternehmen drein? Bei ABB? Bei Martin Ebner? Blocher: Nein. Das sind private Unternehmen. Ich bin nicht dafür verantwortlich. Darum rede ich nicht drein. Ich rede beim Flughafen drein, weil der Kanton Zürich mit 49 Prozent beteiligt ist, und ich rede bei Swiss drein, weil die Öffentlichkeit Milliarden hineingesteckt hat. Ich habe als Politiker die Steuerzahlerinnen, die Bürger, die öffentlichen Anliegen zu vertreten. Das ist mein Auftrag. Besitzen Sie Unique- oder Swiss-Aktien? Blocher: Nein. Ich beteilige mich nie dort, wo der Staat beteiligt ist. Das liegt nicht in meinem Konzept, ich habe auch keine Aktien der Swisscom, die ja gesund ist. Wennich Nationalrat bin, muss ich diese Gesellschaften doch unter die Lupe nehmen. Wenn ich selber solche Aktien besitze, bin ich nicht mehr frei. Es ist eine naturgegebene Sache: Verantwortung ist unteilbar. Wer trägt am Flughafen die Verantwortung? Christian Huber sagt zu Recht, man könne das Konzept nicht ändern, der Kanton sei nur Minderheitsaktionär, das sei eine private Gesellschaft. Und wer trägt die Verluste? Die Gesellschaft? Nein. Die Verluste für den Flughafen, den man nicht fallen lassen kann, zahlt am Schluss der Kanton Zürich. Der SVP-Wunsch nach politischer Kontrolle des Flughafens ging von einer «Gruppe externer Berater» aus, wie Ihr Regierungsratskandidat Hans Rutschmann und Nationalrat Hans Kaufmann sagten. Muss man vermuten, dass diese Gruppe Sie allein waren? Blocher: Nein. Ich war da gar nicht dabei.Diesen Flughafen haben schon verschiedene Leute angeschaut, auch Ökonomen. Ich habe lediglich Wert darauf gelegt,dass Hans Rutschmann und Hans Kaufmann unabhängig von mir und anderen zu einem eigenen Urteil kommen. Hans Rutschmann als Regierungsratskandidat brauchte eine Position. Die Bürger müssen wissen, was er später in der Regierung vertritt. Das gilt auch für die SVP. Jedenfalls haben Sie die Flughafenproblematik Hans Rutschmann in die Schuhe geschoben, damit er einen guten Wahlkampfstart hat. Der hatte sich als Rafzer und Zürcher Unterländer in der sensiblen Flughafenfrage noch kaum exponiert und wäre selber nicht draufgekommen. Blocher: Das ist eine Unterstellung. Ich habe diese beiden Kandidaten, bevor sie nominiert wurden, gefragt, ob wir noch ungeklärte Positionen hätten. Die SVP hat überall - Staatsfinanzen, Steuern, Verkehr, Sicherheit, Asylpolitik, Schule - klare Lösungen. Beim Flughafen haben wir jahrelang um eine Position gerungen. Wir haben gezweifelt. Vor ein paar Jahren hat der Präsident der Zürcher Handelskammer, Andreas Keller, die bürgerlichen Parteien und die zürcherischen Wirtschaftsverbände zusammengetrommelt, dann ein Papier vorgelegt und gesagt, das müsse man jetzt im Interesse des Landes, der Volkswirtschaft, des Kantons und des Flughafens als Absichtserklärung beschliessen. Ein Konzept, von dem wir sofort merkten, dass es ein Swissair-Papier war. Das haben wir nicht unterschrieben. Sofort wurde die SVP verunglimpft. Nach dem Sturz der Swissair verlangten wir, die Regierung müsse sich jetzt auf den Flughafen konzentrieren. Eventuell müsse man den Flughafenausbau stoppen. Jetzt ist der Kanton sowohl beim Flughafen als auch bei der Swiss im Risiko. Gerade vor den Wahlen müssen die Bürger wissen, wie die Kandidaten denken. Das wurde auch vom «Tages-Anzeiger» verlangt, als sich die amtierenden Regierungsräte nicht einzeln zur Flughafenpolitik äussern wollten. Blocher: Klar. Alle sieben amtierenden Regierungsräte dürfen ja nur eine Meinung vertreten. Wenn wir mit unseren beiden am Tisch sitzen, vertreten sie die Meinung der Regierung. Die dürfen ja nichts anderes. Dieses Kollegialprinzip ist zu lockern. Wenn einer seine Meinung nicht mehr sagen darf, stimmt etwas nicht. Die Grünen haben den 2,3 Milliarden Franken teuren Flughafenausbau schon 1995 für grössenwahnsinnig gehalten. Jetzt brauchen Sie das gleiche Wort: Grössenwahnsinn. Offenbar brauchen Sie die Grünen, um auf die richtige Spur zu kommen. Blocher: Die Grünen waren in wirtschaftlicher Hinsicht nicht glaubwürdig in dieser Frage. Sie hatten nicht das Wirtschaftliche im Auge. Wer generell gegen das Auto ist, wird jede Strasse zu breit finden. Die Linke (etwa SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr und der grüne Kantonsrat Martin Bäumle in der Finanzkommission) hat schon vor eineinhalb Jahren davor gewarnt, das Dock Midfield werde zu Lasten des Kantons zu einer Investitionsruine. Blocher: Dann fragen Sie Jacqueline Fehr, warum denn ihre Partei - die SP - so vehement für die zu grosse Swiss eingetreten ist. Aber offenbar sind Sie in dieser Frage ein Spätzünder. Vorher haben Sie noch gesagt, Sie müssten sich im Interesse der Steuerzahler auf die Sachfrage konzentrieren. Das hätten Sie schon früher tun können. Blocher: Soll ich es nochmals sagen: Die SVP hat damals die Bauvorhaben mitgetragen. Doch die Zeit hat sich geändert. Der Markt gibt es nicht her. Also muss gehandelt werden. Für ein Unternehmen ist diese Anpassung nichts Aussergewöhnliches. Wie viele Direktverbindungen ab Kloten braucht der Standort Zürich? Blocher: Ich weiss es nicht und muss es nicht wissen. Das ergibt sich von selber auf Grund dessen, was der Markt und der Standort hergeben. Aber so viel, wie geschätzt wurde, gibt er nicht her. Eine Ausrichtung auf etwa 320 000 Flüge ist wohl realistisch. Wenn das Komitee Weltoffenes Zürich und die Handelskammer die volkswirtschaftliche Bedeutung des Flughafens herausstreichen, meinen sie ja das: möglichst viele Direktflüge an möglichst viele internationale Destinationen. Was machen denn Sie, wenn Sie in Frankfurt drei Stunden auf einen Anschluss warten müssen? Blocher: Beide Organisationen sind mit Unique verbandelt. Ich sage nicht, es sei schön, umzusteigen. Aber wenn man sagt, ohne das überrissene Projekt würden die Betriebe nicht mehr in der Schweiz produzieren, stimmt das nicht. Ich muss in den USA auch umsteigen. Deshalb verlege ich doch meine Firma nicht an einen anderen Ort. Genf hat man die Direktflüge 1996 auch reduziert, und es gab keinen Exodus. Zürich hatte letztes Jahr etwa 285 000 Flüge. War es deswegen ein Provinzflughafen? Ein massgebliches Mitglied des Komitees Weltoffenes Zürich verglich den Flughafen mit Einsiedeln: Dort gebe es die grösste Beizendichte und viele Devotionalienläden, alles nur wegen des Klosters. Wenn man Einsiedeln das Kloster wegnehmen würde, gäbe es die Beizen nicht mehr. Aber das Kloster trägt sich eben selber. Die Wirtschaften tragen nicht das Kloster, damit sie ihre Wirtschaften führen können, sondern das Kloster besteht und die Wirtschaften bestehen auch, ohne dass ihre Betriebsrechnungen vermischt würden. Sollten denn die Gemeinde Einsiedeln und die Wirtschaften das Kloster finanzieren? Die würden sich bedanken. Das Komitee Weltoffenes Zürich will Fluggesellschaften und Flughäfen. Aber bezahlen müssen schliesslich die Zürcher. Es gibt Studien über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Flughafens. Blocher: Es gibt auch Studien über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Ems-Gruppe. Ich bin der grösste Arbeitgeber in Graubünden. Auch andere Firmen sind volkswirtschaftlich bedeutsam. Dennoch ist es nicht die Aufgabe des Staates, deren Defizite zu tragen. Das gilt auch für Unique. «Wer heute nach der wirtschaftlichen Zukunft fragt, gilt als Flughafenkiller.»

17.01.2003

Dialog mit Abwesenden

Albisgüetli-Rede 2003