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Wirtschaft
23.04.2011
Interview mit dem Tagesanzeiger vom 23. April 2011 zur staatlichen Rettung von Grossbanken
Herr Blocher, Sie haben nach der UBS-Rettung vehement Massnahmen gefordert, damit der Staat nie mehr eine Bank retten muss. Gestern hat der Bundesrat ein Massnahmenpaket verabschiedet. Da müssten Sie eigentlich erleichtert sein.
Ich wäre erleichtert, wenn der Bundesrat einen tauglichen Vorschlag gebracht hätte. Was er nun aber vorlegt hilft bei einem künftigen Bankenzusammenbruch nichts. Der Steuerzahler haftet. Das darf nicht sein: Gemäss Bundesrat dürfen die Banken weiterhin derart gross sein, dass sie der Staat im Notfall nicht fallen lassen kann, denn der Bundesrat verzichtet auf eine Aufteilung in voneinander unabhängige Gesellschaften. So würde z.Bsp. auch in Zukunft der schweizerische Steuerzahler für den Bankrott einer CS- oder UBS-Bank in USA haften! Das ist absurd.
Nach welchen Kriterien wollen Sie denn die Banken aufteilen, nach Ländergesellschaften oder nach Geschäftsfeldern?
Die grossen Niederlassungen im Ausland müssen voneinander unabhängig sein. Am wichtigsten ist, dass die Banken verpflichtet werden, die überaus grossen amerikanischen Teile abzuspalten, denn bisher waren es vor allem die amerikanischen Teile, welche eine Bankenkrise in der Schweiz verursacht haben. Wenn wir Amerika ausgliedern, trennen wir auch automatisch das Investmentbanking vom risikoärmeren Vermögensverwaltungsgeschäft in der Schweiz.
Warum wollen Sie nicht gleich wie früher in den USA ein klares Trennbankensystem einführen, also das Investmentbanking streng von der Vermögensverwaltung trennen?
Faktisch läuft unser Vorschlag auf diese Lösung hinaus.
Wollen Sie denn die Gesellschaften wirklich ganz trennen? Oder dürfen die Banken die einzelnen Teile in einer Holding zusammenfassen?
Einer Holding steht nichts im Wege. Eine Holding-Struktur liegt beispielsweise bei der Hongkong-Shanghai-Bank (HSBC) vor. Sie war eine jener Banken, die bei der letzten grossen Finanzkrise nicht derart geschädigt wurde, dass der Staat hätte eingreifen müssen. Gewisse Teile der Bank gingen unter, ohne dass gesunde Töchter in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auf diesem Modell basiert unser Lösungsvorschlag. Vorstellbar ist aber auch, dass die Banken aus den Tochtergesellschaften eigene Börsengesellschaften machen und über eine Holding z.Bsp. 30 oder auch 70 Prozent dieser Firmen halten. Obwohl sich die beiden Grossbanken massiv gegen diesen Vorschlag wehren, sagte UBS-Chef Oswald Grübel, dass dieses Modell auch Vorteile hätte. Die Banken würden dadurch beweglicher. Aber vorschreiben muss es der Staat, damit seine Bürger nicht haften.
Und dies soll eine Rettung durch den Staat verhindern?
Ja. Natürlich: Wenn eine unserer Grossbanken in den USA Konkurs gehen würde, würde dies zwar auch die Holding treffen und vielleicht sogar mitreissen, denn Holdingtöchter haften nicht mehr nur mit dem Aktienkapital.
... womit Ihre Lösung nicht funktioniert.
Doch, doch! Denn die Schweizer Volkswirtschaft hängt ja nicht von der Holding ab, sondern von der UBS Schweiz. Die bliebe gesund und könnte sogar veräussert werden.
Experten sagen aber, dass innerhalb einer Holding auch auf andere Tochtergesellschaften durchgegriffen werden kann.
Darum muss die heutige Bankengesetzgebung angepasst werden. In der Industrie ist dies bereits erprobt.
Ihr Parteikollege und Bankfachmann Hans Kaufmann sagt aber, dies lasse sich nicht auf die Banken übertragen, wo die juristischen und finanziellen Verflechtungen sehr eng seien.
Weil er die heutige Bankengesetzgebung berücksichtigte (unter der heutigen Bankengesetzgebung haften die Töchter quer). Die juristische und finanzielle Entflechtung muss eben neu durch den Staat vorgeschrieben werden. Die Gesetzesänderung muss auch die Kreditströme zwischen den Töchtern beschränken. Das hätte zudem den Vorteil, dass der Bund keinen derart übertriebenen Kontrollapparat schaffen müsste, wie er ihn jetzt plant. Diese zusätzlichen Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht und des Bundesrates schaffen neue Probleme: Der Staat wird neu „mitleitendes“ Bankorgan. So wird der Staat in Zukunft nicht nur faktisch haften, sondern sogar rechtlich. Es gilt nicht nur: „Wer zahlt – befiehlt,“ sondern auch „wer befiehlt – zahlt!“ Oder „Mitgegangen-mitgehangen.“ Zudem: Weder die Finma noch der Bundesrat ist dazu in der Lage. Darum haben alle Aufsichtsorgane der Welt weder die Bankenkrise vorausgesehen noch verhindert!
Können Sie den Vorschlägen des Bundesrats auch etwas Positives abgewinnen?
Höhere Eigenkapitalvorschriften verkleinern das Risiko, dass eine Bank Konkurs geht.
Dann wird die SVP im Parlament also für das Anheben der Eigenmittel auf 19 Prozent stimmen?
Die Anforderungen an das Eigenkapital dürfen nicht wesentlich höher sein als auf den internationalen Konkurrenzplätzen, sonst werden die Kredite in der Schweiz zu teuer, was den Werkplatz Schweiz trifft. International sollen die Regeln von Basel III gelten, also ein Eigenkapitalanteil von mindestens 10, 5 Prozent. Wenn alle Banken auf der Welt tatsächlich zu dieser Quote verpflichtet werden, erleiden die Schweizer Banken keinen Konkurrenznachteil. Wir haben aber keine Garantie, dass die anderen Staaten das vollziehen. Darüber hinaus will der Bund den Schweizer Grossbanken weitere 8,5 Prozent Eigenmittel vorschreiben. Dieser sogenannte Swiss Finish könnte gefährlich werden. Der Bundesrat gibt zu, dass dadurch die Kosten für Kredite kurzfristig steigen. Langfristig hofft er, dass sich der Effekt wieder abschwächt, weil die Schweizer Banken dann als besonders sicher gelten. Das Kurzfristige ist eine Tatsache, das Langfristige eine Hoffnung. Und auf Hoffnungen können wir uns nicht verlassen. Die Schweizer Wirtschaft ist auf günstige Kredite angewiesen, vor allem auch im Hypothekarbereich.
Die SVP wird also im Parlament gegen die strengeren Regeln für die Grossbanken stimmen?
Nicht gegen strengere, aber gegen Regeln, die das too-big to-fail Problem nicht lösen, aber selbst in guten Zeiten volkswirtschaftlich sehr nachteilig werden können. Ohne Verpflichtung zur Aufgliederung der Grossbanken wird die SVP nicht zustimmen können. Die heutige Vorlage des Bundesrats scheint uns noch schlechter als der Status quo. Würde die Aufteilung vorgeschrieben, wären zu hohe Eigenmittelvorschriften und weitere exzessive Regelungen unnötig. Durch eine Ablehnung oder Rückweisung der Vorlage wäre dies möglich. Ich finde die Sache sehr wichtig. Darum sagte ich, dass man sogar eine Volksinitiative ergreifen sollte, um das Problem zu lösen, wenn Regierung und Parlament es nicht lösen. Weite Kreise waren damals auf unserer Seite. Viele aus der Industrie, Wissenschaft und vor allem auch die Ratslinke. Heute höre ich namentlich von der SP und den Grünen nichts mehr davon.
Wörtlich haben Sie 2009 gesagt: «Das ist für die Schweiz so zentral, dass wir eine Volksinitiative lancieren sollten, wenn Bundesrat und Parlament nicht handeln.» Gleich in mehreren Interviews haben Sie sich so geäussert. Es gehe hier um einen «lebensnotwendigen Akt». Wann starten Sie mit der Unterschriftensammlung?
Ich bin immer noch dieser Meinung, habe aber immer auch zugefügt, dass es ein parteiübergreifendes Vorgehen braucht für eine solche Initiative. Wenn die SVP in diesem Spezialgebiet den Abstimmungskampf völlig allein führen müsste, würde der Abstimmungskampf sehr schwierig.
Die SVP ist zu schwach? Das sind ja ganz neue Töne. Sie haben schon für weniger wichtige Anliegen wie die Minarett- oder die Ausschaffungs-Initiative Unterschriften gesammelt.
Die Minarett- und die Ausschaffungs-Initiative hat die SVP richtigerweise auch bei einem Alleingang als aussichtsreich eingeschätzt, sie hat die Abstimmung auch im Alleingang gewonnen. Wenn sich ein grosser Verbund in der too-big-to-fail-Problematik bewerkstelligen lässt, müsste m.E. unsere Partei auch hier antreten. Das kann erst nach der Gesetzesberatung entschieden werden.
Haben Sie Angst vor parteiinternen Experten wie Hans Kaufmann, die gegen die Initiative kämpfen könnten?
Anfänglich hatten wir in der Partei zwei Meinungen, die diskutiert werden mussten. Das haben wir getan. Am Schluss waren in der Fraktion nur noch fünf dagegen. Wir verfügen heute über eine klare Position.
Mit dem Verzicht auf eine Initiative setzen Sie sich nun aber dem Vorwurf aus, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern um die Empörung, wenn die Volksseele brodelt. Sobald der Unmut abgeklungen ist, wollen Sie sich dann nicht mehr mit den Banken anlegen. Macht sich die SVP so nicht unglaubwürdig?
Ich würde mich wundern, wenn Sie uns dies nicht unterschieben würden. Aber richtig ist: Uns ging es nie um die Zerstörung des Bankenplatzes. Wie gesagt: Wäre die SVP allein, müsste man das gut überlegen.
Haben Sie denn mit der SP entsprechende Gespräche geführt?
Nein, vorerst werden wir unsere Vorschläge in die parlamentarischen Kommissionen einbringen. Erst danach können wir mit anderen Parteien darüber sprechen, was man im Falle einer schlechten Lösung machen könnte. Wenn wir breite Kreise gewinnen z.B. die SP und die Grünen mitmachen, ist die SVP dabei. Wir haben keine Berührungsängste.
Angenommen, das Gesetz fällt im Parlament durch: Könnten Sie die Verantwortung tragen, dass die Schweiz gar keinen Schutz vor dem Grossbanken-Risiko hat?
Wir werden unsere Verantwortung selbstverständlich wahrnehmen, obwohl wir aktuell aus der Verantwortung im Bundesrat ausgeschlossen sind. Wir wollen eine too-big-to fail Lösung. Was der Bundesrat vorschlägt, ist keine. Eine Ablehnung hätte den Sinn, einer echten Lösung Platz zu machen.
Sie haben Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand wiederholt scharf attackiert und ihm den Rücktritt nahegelegt. Haben Sie ihn dadurch nicht geschwächt in seinem Bestreben, die Grossbanken zu regulieren?
Er hat leichtfertig 32 Milliarden Volksvermögen in den Sand gesetzt. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Das ist brandgefährlich. Ich weiss auch nicht, ob es Aufgabe der Nationalbank ist, „die Grossbanken zu regulieren.“ Die Nationalbank soll die Geldversorgung gewährleisten und Preisstabilität garantieren.
Vor zwei Jahren wollten Sie die Saläre der Grossbanken begrenzen, da faktisch der Staat für die Banken hafte. Gilt das immer noch?
Solange der Staat die Garantie übernehmen muss, redet er halt auch rein. Das tut er heute ja auch. Wer zahlt, der befiehlt.
Die Saläre bei der UBS sind aber immer noch ziemlich grosszügig.
Wer bestimmt denn, was grosszügig ist?
Für Journalisten ist es grosszügig.
Für die EMS-Chemie auch, vielleicht gerade weil der Staat keine Haftung übernimmt und nicht dreinredet.
Sie kandidieren im Herbst für den National- und den Ständerat. Werden Sie – falls Sie die Zürcher Ständeratswahlen gewinnen sollten – nochmals für den Bundesrat kandidieren?
Das ist nicht meine Absicht. Zudem: Das Parlament würde mich ja auch gar nicht wählen.
Kann man also ausschliessen, dass Sie wieder kandidieren?
Ich habe ja gar nie kandidiert ...
... ausser 2003.
Auch damals nicht.
Sie haben sich nicht stark dagegen gewehrt.
Nachdem wir die Wahlen 2003 erneut gewonnen hatten, konnten wir doch nicht einen zweiten Sitz im Bundesrat fordern, ohne dass ich mich zur Verfügung gestellt hätte. Sonst hätte man der Partei vorgeworfen: Sie schicken einen andern in die Regierung, aber Blocher macht ausserhalb Opposition. Es war eine Frage der Glaubwürdigkeit – eine Zwangslage.
Und wenn es im Herbst wieder eine solche Zwangslage gibt?
Eine solche Zwangslage kann nicht erneut auftreten. Meine Bereitschaft habe ich gezeigt. Andere haben es verhindert.
Das Bundesstrafgericht spricht Oskar Holenweger vollumfänglich frei. Freut Sie das Urteil?
Der Rechtsstaat wurde durch dieses Urteil gestärkt. Das ist zu begrüssen.
Hätte man die Ermittlungen einstellen sollen, nachdem sich herausstellte, wie unzuverlässig Ramos ist?
Man hätte die ganze Sache seriöser angehen sollen, dann wäre es nicht soweit gekommen.
Sie selber haben als Justizminister Bundesanwalt Erwin Beyeler als Nachfolger von Valentin Roschacher vorgeschlagen. Inwiefern widerspiegelt der Freispruch das Versagen Beyelers – und seiner Ermittlungsbehörde?
Darauf möchte ich nicht eingehen. Das haben jetzt andere zu untersuchen.
Ist Erwin Beyeler als Bundesanwalt für Sie jetzt noch wählbar?
Auch das haben andere zu entscheiden!
16.03.2011
Interview im «Tages-Anzeiger» vom 16. März 2011 mit Matthias Chapman zur Schweizer AKW-Politik
Herr Blocher, Sie kennen Japan von der Firma Ihrer Tochter her. Stehen Sie in Kontakt mit Leuten der EMS-Chemie dort?
EMS hat regelmässig Kontakt.
Was hören Sie von dort?
Die Fabrik steht südöstlich von Tokio, ist also nicht betroffen. Büros hat EMS in Tokio. Die Mitarbeiter mit Familien in Tokio können meines Wissens ins Werk, wenn sie wollen. Aber im Moment gibt es dazu keine zwingenden Gründe.
Mit den Geschehnissen in Japan wird die Debatte für und wider neue AKW erneut heftig debattiert. Was sagen Sie dazu?
Jetzt müssen wir zuerst einmal abwarten. Während Katastrophen darf man keine langfristigen Entscheide treffen, die nicht nötig sind. Es heisst: Warten bis man den Überblick hat, bis man sieht, was passiert ist. Dann werden die Erkenntnisse geprüft, um herauszufinden was das für unsere Kraftwerke und Energieversorgung heisst. Nerven behalten!
Halten Sie es für möglich, dass hiesige Kraftwerke geschlossen werden müssen?
Die Situation in Japan ist ganz anders, das weiss man. Japan ist eine Erdbebenregion.
Vieles ist wegen des Tsunami zerstört, das kann es in der Schweiz nicht geben. Schweizerische Anlagen halten zudem Erdbeben bis Stärke 7 jedenfalls aus. Das ist viel, weil wir weniger Erdbebengefährdet sind. Die Sicherheit unserer Anlagen wird ja laufend überprüft. Vielleicht muss dies nach Erkenntnissen aus Japan verbessert werden. Möglich ist natürlich immer alles. Aber es muss auch sinnvoll sein.
Sie waren quasi Totengräber des Projekts für ein neues Kernkraftwerk in Kaiseraugst. Wurden sie damals plötzlich zum AKW-Gegner?
Nein, überhaupt nicht. Es ging um ein "sittliches Begräbnis": Die Situation war so verfahren, dass der Bau des AKW Kaiseraugst unmöglich war.
Sie meinen den Widerstand des Volkes?
Das auch. Aber noch mehr die Tatsache, dass dadurch die ganzen Verfahren in der Bürokratie steckengeblieben sind. Man kam einfach nicht mehr weiter. Zudem war die geplante Anlage inzwischen schon technisch veraltet. Es machte schlicht keinen Sinn mehr. Darum sagte ich: Wenn man das AKW Kaiseraugst nicht bauen kann, dann muss man es beerdigen.
AKW-Gegner feierten das damals als ihren eigenen Sieg.
Für mich ging es weder um eine Feier noch um einen Sieg.
Was hiess der Stopp damals für die Schweizer Energiepolitik?
Wir kauften danach in Frankreich Kernenergiestrom, konnten langjährige Lieferverträge vereinbaren, und so die Stromlücke schliessen. Bis heute! Aber die Abhängigkeit wurde erhöht. Meines Wissens laufen die Verträge in rund 10 Jahren aus, dann wird es kritisch, v.a. wenn Beznau I und II sowie Mühleberg nicht erneuert werden sollten.
Eben erst schien es, als könnten Mehrheiten für neue AKW zustande kommen. Befürchten Sie, dass es damit schon wieder vorbei ist?
Wenn das Volk entscheidet, dass es keine neuen AKW will, dann gilt es und dann muss es auch mit den Konsequenzen leben. Das heisst Stromknappheit, sicher höhere Preise für den Strom, grosse negative Folgen für Wirtschaft, Löhne, Arbeitsplätze, Mietausgaben etc.
Ist es richtig, dass Bundesrätin Doris Leuthard die laufenden Bewilligungsverfahren sistierte?
Ich hätte das Wort sistieren zwar nicht verwendet. Die Gefahr ist, dass die Beamten dies als Arbeitsstopp verstehen. Aber, dass man die Erkenntnisse Japans bis ins Detail miteinbezieht und berücksichtigt, da hat sie recht.
Welche Strompolitik verfolgen Sie und Ihre Partei?
Unsere Bedingung ist: Sichere, genügende und kostengünstige Energie. Zur Sicherheit gehört nicht nur die technische Sicherheit, sondern auch die grösstmögliche Unabhängigkeit. Oel kommt aus Lybien, Saudiarabien, Gaslieferungen aus Russland!
Wir sind für alle Energieformen zu haben, die das Ziel erreichen. Es besteht in absehbarer Zeit kein äquivalenter Ersatz zu Kernkraftwerken.
Es muss also nicht um jeden Preis ein neues AKW her?
Wir, ich meine die SVP, hängen nicht an der Kernenergie als solches. Bis jetzt zeichnet sich einfach kein anderer Weg ab.
Es gibt Szenarien für die Energiewende.
Das ist noch weit weg. Das erfolgreichste auf lange Frist ist die Nutzung von Erdwärme. Aber bis es wirtschaftlich gereift ist, dauert es noch lange. Andere - z.Bsp. Photovoltaikstrom - ist sehr teuer. Der Preis ist nicht gleichgültig.
Wären Sie gerne Uvek-Vorsteher gewesen?
Im Moment schon. (lacht). In dieser schwierigen Situation, würde ich mich gerne in diese Probleme einlesen und sie lösen. Was ist passiert in den japanischen Kraftwerken? Was sind Erdbebenschäden? Was Tsunami? Und was heisst das für die Schweizer Anlagen? Ich weiss: Neues Leben blüht aus den Ruinen!
Kommt es nach den Gesamterneuerungswahlen im Bundesrat vom kommenden Dezember zu einem Gerangel um das Uvek?
Nein. Das glaube ich nicht. Das mit der Zukunft der Schweizer Kernenergie ist ja für viele auch eine undankbare Geschichte. Das sah ich schon damals bei SP-Bundesrat Willy Ritschard. Er war in den 70er Jahren überzeugter AKW-Befürworter. Musste die Kernenergie gegen seine eigene Partei verteidigen. Da kam ihm manchmal der Verleider.
Wie wichtig wird das Thema „neue AKW in der Schweiz“ im Wahlkampf?
Es gibt jetzt nichts zu entscheiden. Und weil alle die Situation prüfen wollen, gibt es keinen Kampf. Eine Diskussion unter Gleichgesinnten ist relativ langweilig!
Können Sie sich eine Zukunft ohne Atomstrom vorstellen?
Ich schaue nicht in die Steckdose, was da rauskommt (lacht). Wie gesagt: Sollten wir auf anderem Weg zu sicheren, genügendem und günstigem Strom kommen, dann brauchen wir keine AKW mehr. Bis jetzt konnte uns dies niemand zeigen.
Herr Blocher, treten Sie nun zu den Wahlen im Herbst an?
(lacht) Wie gesagt, das wird erst Ende April entschieden.
Machen Sie ihre Entscheidung vom Ausgang der Zürcher Wahlen abhängig?
Nein. Aber man soll erst entscheiden, wenn es nötig ist. Wie bei den AKW.
Sie wissen es schon, aber sagen es noch nicht.
Meine Frau würde sagen, „solche Dinge schiebt er stets vor sich her“.
13.03.2011
Interview mit der «SonntagsZeitung» vom 13. März 2010 mit Denis Vonburg
Wird die SVP die Vorlage des Bundesrates zu too big to fail unterstützen?
Diese Vorlage nicht. Sie muss zur Überarbeitung an den Absender zurück. Sie verhindert nicht, dass der Staat bei Konkurs einer Grossbank haftet - darum geht es aber. Dafür wird viel zusätzliches geregelt, von dem niemand weiss, was es für Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft hat. Das geht nicht.
Warum nicht?
Die Verpflichtung, dass die Grossbanken in voneinander unabhängige Tochtergesellschaften aufzuteilen sind, fehlt. Die ganze Vorlage stützt sich im wesentlichen lediglich auf die Erhöhung des Eigenkapitals ab, und ist geprägt von einem unglaublichen Glauben an die Regulierungsbehörden, die allesamt auf der ganzen Welt die Bankenkrise weder vorausgesehen, geschweige denn verhindert hatten.
Im Dezember hat die SVP die Vorschläge des Bundesrates aber noch grundsätzlich begrüsst.
Wir haben die Vorschläge der Expertenkommission grundsätzlich begrüsst. Die Vorlage des Bundesrates weicht davon ab. Damals liess man die Aufteilung in Tochtergesellschaften noch als Möglichkeit offen. Da ist das Wichtigste.
Aber der Bundesratsvorschlag sieht eine Abtrennung von systemrelevanten Bereichen vor, wenn es nötig ist.
Sie glauben doch nicht, dass man die Teile im Krisenfall schnell abtrennen könne. Das wäre im Konkursfall eine Umgehung der Haftungsbestimmungen. Zudem: Ein Zusammenbruch geschieht bei Banken oft innert kurzer Zeit, wie wir es ja erlebt haben.
Was spricht denn gegen die vorgeschlagenen strengen Eigenmittelvorschriften?
Die Erhöhung der Eigenmittel vermindert zwar das Risiko eines Konkurses, das ist zu begrüssen. Die Grossbanken bleiben jedoch „too big and too important“ d.h. zu gross und für die Volkswirtschaft zu bedeutsam. Deshalb bleibt faktisch die Staatsgarantie. Das muss man verhindern.
Um diese Probleme zu minimieren will der Bundesrat mit dem sogenannten „Swiss Finish“ bei den Eigenmitteln über das internationale Niveau gehen.
Hier stellt sich ein anderes Problem: Wie steht es dann mit der Konkurrenz des Finanzplatzes Schweiz? Wir wollen das too big to fail verhindern, aber gleichzeitig einen gesunden Finanzplatz. Die negativen Folgen für die gesamte Wirtschaft sind in keiner Weise abgeklärt, und durchaus ernst zu nehmen.
Inwiefern?
Die Schweizer Gesamtwirtschaft hat sehr tiefe Zinsen für Bankkredite und Hypotheken. Das ist ein grosser Konkurrenzvorteil für den Schweizer Werkplatz. Wenn man die Eigenmittelvorschriften weit über die ausländische Konkurrenz erhöht, senkt dies nicht nur die Konkurrenzfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz, sondern bringt den Banken auch höhere Kosten, die sie in Form höherer Zinsen auf ihre Kunden abwälzen. Dann steigen die Kosten für Kredite, Hypotheken, Mieten etc.
Darum verlangen wir gründliche Abklärungen über die Folgen der weit über das den Ausländern auferlegten Niveaus hinausgeht. Mit einem Trennbankensystem braucht es dagegen keine exzessiven Vorschriften, welche die Konkurrenzfähigkeit der Gesamtwirtschaft beeinträchtigen.
Immerhin will der Bundesrat die Kompetenzen der Finma stärken.
Diese exzessive Kontrolltätigkeit ist teuer und unnütz. Woher dieses grenzenlose Vertrauen in die Regulierungsbehörden? Wir müssen den Mut haben, Bankenstrukturen so zu verlangen, dass es diese überbürokratischen und letztlich unnützen Regulierungen nicht braucht.
Sie sind vor dem Druck der Grossbanken eingeknickt, die drohen bei schärferen Eigenmittelvorschriften die Schweiz zu verlassen.
Wir nehmen auch diese Einwände ernst. Wir wollen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen kennen. Ich habe im übrigen bei einer Fernsehdiskussion mit Herrn Grübel mit Freude festgestellt, dass er einem Trennbankensystem viel positives abgewinnen kann. (Bilanz-Business-Talk: „Unter Altmeistern“, 17.10.2010, SF1).
Herr Grübel sieht in einer Holdingstruktur auch eine Möglichkeit, einzelne Geschäftsbereiche aus der Schweiz abzuziehen, so sagt er es jedenfalls in der „Bilanz“.
Ich will über Herrn Grübels Motive nicht spekulieren. Wir verlangen sowohl eine Lösung, die die Staatshaftung, gerade auch für amerikanische Risiken ausschliesst, als auch keine regulative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat. Herr Grübel erwartet sogar beim Trennbankensystem eine Kurssteigerung für die UBS-Aktie – und er hat wohl recht. Der Wert der einzelnen UBS-Töchter, wenn es denn echte voneinander unabhängige Tochtergesellschaften wären, wäre wohl um einiges höher als der Wert der jetzigen UBS. Die Schweizer UBS wäre auf jeden Fall mehr Wert.
Wie wollen sie für ihre Lösung mit einem Trennbankensystem eine politische Mehrheit finden?
Bisher hat auch die SP eine Aufteilung der Grossbanken gefordert. Wenn sie dabei bleibt und das hoffe ich, können wir die Vorlage zumindest im Nationalrat zurückweisen.
Die SP will nicht nur ein Trennbankensystem. Sie will zusätzlich möglichst hohe Eigenmittel. Am Ende gibt es eine Nein-Allianz zwischen Ihnen und der SP und es gibt überhaupt keine Lösung.
Durch die Rückweisung gibt es die Möglichkeit einer Verbesserung. Aber man sieht es am Terminplan des Bundesrates: Er will die Anliegen der Vernehmlasser gar nicht prüfen, bzw. berücksichtigen. Das ist Pfusch!
06.03.2011
Interview mit der «SonntagsZeitung» zu Devisengeschäften der Nationalbank vom 06.03.2010 mit Denis von Burg
Sie wollen der Nationalbank ausserhalb des Kernauftrages Preisstabilität ihre Autonomie beschränken. Devisengeschäfte sind aber doch ein Mittel für die Preisstabilität.
Im Extremfall können gewisse Devisenkäufe zur Gewährung der Preisstabilität nötig sein. Das ist eine Grauzone. Genau deshalb braucht es klare und disziplinierende Aufsichtsregeln, die verhindern, dass ein Nationalbankdirektorium alleine und unbeaufsichtigt im Widerspruch zu ihrem Kernauftrag handelt und unglaubliche milliardenschwere Risiken eingeht. Andere Gremien, z. Beispiel der Bankrat, der Bundesrat oder das Parlament müssen das verhindern können.
Die SNB hat einen langfristigen Horizont und kann sich vorübergehende Verluste leisten.
Es ist zu hoffen, dass sie ihre Verluste wegbringt, sicher ist dies nicht. Wer in einem Jahr ein Drittel seiner Reserven verspielt, geht das Risiko ein, dass er bald ganz am Boden liegt. Man hat bei der UBS gesehen, wie rasch das geht. Zudem kann es durch solche Geschäfte zu einem Interessenskonflikt kommen z.Bsp: Muss die SNB wegen der Inflationsgefahr die Zinsen erhöhen, wird das den Franken weiter stärken. Dann schreckt sie vielleicht davor zurück, weil sie sonst weitere Verluste einfährt. Damit könnte sie ihrem Auftrag, die Preisstabilität zu garantieren, nicht mehr nachkommen.
Sie wollen die SNB gängeln, weil sie zu europäisch denkt?
Nein. Ich habe zwar aufgrund seiner Äusserungen den Verdacht, dass Herr Hildebrand auf europäischer oder gar globaler Ebene eine Rolle spielen will: Er plädiert für Öffnung und Integration, was nicht in seinen Kompetenzbereich gehört. Er will auch die Bindung des Frankens an den Euro nicht klar ausschliessen. Aber schärfere Aufsichtsregeln braucht es unabhängig der Personen, die gerade in der Führung sind.
30.01.2011
Interview in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 30.01.2011
Das Dubliner Erstasylabkommen ist teilweise ausser Kraft, weil nach einem Urteil aus Strassburg keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückgeschickt werden können. Die Gesuche müssen nun in der Schweiz behandelt werden. Was halten Sie davon?
Christoph Blocher: Was bei Schengen/ Dublin vorauszusehen war, aber niemand hören wollte, ist nun eingetroffen: Keine Kontrolle mehr an den Landesgrenzen und alle die über Griechenland in die Schweiz kommen, kann die Schweiz nicht mehr zurückschicken. All die Schlepper werden ihren Kunden (Asylbewerber) sagen: Wir bringen euch nach Griechenland, dann könnt ihr weiter in die Schweiz - und da könnt ihr sicher sein, dass man euch sehr lange nicht heimschicken kann. Genau das hat man vermeiden wollen.
Wie denn?
Blocher: Früher hatten wir mit einigen Staaten praktische Lösungen, beispielsweise mit Italien. Die gibt es jetzt aber nicht mehr, da alle auf Dublin verweisen. Dublin als grossangelegte Übung spielt nicht. Die Schweiz hat heute leider wieder eine sehr large Asylpolitik. Also werden relativ viele in die Schweiz kommen.
Wie kommen Sie darauf?
Blocher: Die Zahlen zeigen, dass die Asylpolitik wieder aus dem Ruder läuft. Seit 2008 sind wir wieder bei 16'000 Gesuchen pro Jahr. Als ich im Amt war, war es gelungen, mit einer konsequenten Linie die Zuwanderung von 21'000 auf 10'000 zu bringen. Dann wurde man wieder larger und bewilligte neue Kredite, statt Missbräuche abzustellen. Besonders gross ist der Misstand bei den Eritreern, Somaliern, Nigerianern.
Mit den Eritreern hatten Sie bereits Probleme.
Blocher: Ja, das Bundesverwaltungsgericht fällte damals ein katastrophales Urteil, wonach Dienstverweigerer und Deserteure als Flüchtlinge und nicht nur als Vorläufig aufgenommene zu gelten haben. Das hat die Eritreer angezogen. Ich habe vor meiner Abwahl einen dringlichen Bundesbeschluss auf Februar 2008 angekündigt, um das zu verhindern. Seither wurde versprochen, aber nichts gemacht. Zuzüglich werden jetzt dann viele über Griechenland in die Schweiz kommen und lange oder für immer da bleiben.
Ihre Partei bekämpfte bereits per parlamentarischen Vorstoss das Schengen-Abkommen. Steigen Sie nun auch gegen das damit verbundene Dublin-Abkommen auf die Barrikaden?
Blocher: In der Praxis funktioniert Dublin sehr schlecht, da es zu lange geht, bis die Abklärung in jenem Staat erfolgt sind, der den Asylsuchenden zurücknehmen müsste. In der Zwischenzeit gehen die Abgewiesenen entweder in ein anderes Land und das ganze Spiel beginnt von vorne. Zudem wird in einzelnen Staaten geschummelt.
Ein weiterer Grund, weshalb die Schweiz die Abkommen von Schengen und Dublin kündigen sollte?
Blocher: Schengen hat mehr Kriminalität gebracht und wird es noch bringen. Wichtiger als solche multinationalen Systeme sind konsequente Verbrechensbekämpfung im innern. Je konsequenter unechte Flüchtlinge nach Hause geschickt werden, umso weniger werden kommen. Asylsuchen darf nicht attraktiv sein. Verheerend ist, wenn z.B. der Kanton Zürich für Abgewiesene wieder Sozial- statt Nothilfe einführen will!
Das Asylverfahren ist doch verschärft worden, auch wegen des von Ihnen aufgegleisten Gesetzes.
Blocher: Das Gesetz bietet das Instrumentarium, aber es wird nicht angewendet. Man kann, wenn man will.
Aussenpolitiker schlagen vor, die Schweiz müsse nun an der EU-Aussengrenze Infrastrukturen für Flüchtlinge mitfinanzieren. Sind Sie dafür?
Blocher: Das wäre eine Lösung, wenn es wirklich funktionieren würde. Das Geld wird in falsche Kanäle geleitet, ohne Nutzen.
Wie wollen Sie Schengen und Dublin bekämpfen?
Blocher: Zuerst muss man mal zugeben, dass Schengen nicht funktioniert. Die Kriminalität ist gestiegen und hat nicht abgenommen. Das Problem der Sanspapiers verschärft sich. Das Schengener Informationssystem II ist bis heute nicht in Betrieb und wird gemäss den meisten Fachleuten nie funktionieren. Und auch die damalige Zwecklüge, Schengen sei ausgabenneutral, hat sich als Unwahrheit bestätigt – es kostet uns bereits über 50 Millionen Franken pro Jahr. Schengen ist eine Fehlkonstruktion. Deshalb muss man es rückgängig machen.
Setzen Sie dafür nur auf den SVP-Vorstoss im Parlament, oder denken Sie auch an eine Volksinitiative?
Blocher: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Volksinitiativen soll man nie ankündigen, bevor man nicht gewiss ist, dass man über die nötigen Mittel und die notwendige Kraft verfügt sowie eine gewisse Chance hat.
Bereits als Justizminister hatten Sie wenig Freude an Schengen und Dublin. Sehen Sie sich nun in Ihrer Kritik bestärkt?
Blocher: Ja, leider. Ich war damals ja im Bundesrat eingebunden und konnte mich nicht dagegen wehren. Nachdem aber der damalige Bundespräsident Joseph Deiss erklärt hatte, Schengen und Dublin seien im Bundesrat einhellig gutgeheissen worden, musste ich erklären, das Kollegialitätsprinzip sei nicht dazu da, Unwahrheiten zu verbreiten.
Sie haben die Nationalbank unüblich harsch kritisiert, weil sie an Grössenwahn leide, sinnlos spekuliert und Volksvermögen verschleudert habe, und Sie haben den Rücktritt von Präsident Philipp Hildebrand gefordert. Ist das ein neuer Wahlkampfschlager?
Christoph Blocher: Nein, ich meine es sehr ernst und bleibe dabei, dass ich an seiner Stelle zurücktreten würde. Die Währungsspekulationen der Nationalbank von 2009 und vor allem Anfang 2010, die allein bei den Devisen zu einem Verlust von 27 Milliarden Franken führten, waren unverantwortlich, gehörten nicht in das Aufgabengebiet der Nationalbank und sind entweder Ausdruck von Grössenwahn oder einer Fehleinschätzung. Vielleicht auch beides.
Deshalb attackieren Sie aus heiterem Himmel die Nationalbank und ihren Präsidenten?
Blocher: Es ist nötig. Die Nationalbank hatte zu Recht einen guten Namen, da sie in den letzten Jahren gut gearbeitet hat. Ihre Kernaufgabe - Preisstabilität - hat sie gut erfüllt, und auch bei der Rettung der Banken hat sie eine gute Arbeit geleistet. Aber es ist immer das gleiche: „Es ist nichts so schwer zu ertragen als eine Reihe guter Tagen“. Es steigt einem schnell in den Kopf. Und niemand wagt einzugreifen.
Wie soll die Nationalbank für Preisstabilität sorgen, wenn sie keine Käufe zur Stützung der eigenen Währung vornehmen kann?
Blocher: Mit der Geldmenge z.B. Aber massenweise Euros zu kaufen zu einer Zeit, als der Schweizer Franken noch nicht überbewertet war und keine Deflationsgefahr herrschte, war nicht nur sinn- und wirkungslos, sondern spekulativ eingesetztes Volksvermögen.
Hätte die Nationalbank tatenlos zusehen müssen, wie der Franken stärker und stärker wird, statt präventiv einzugreifen?
Blocher: Ja natürlich. Ihre Käufe haben zum Gegenteil, nämlich zur Aufwertung geführt. Das konnte man schon von Anfang an wissen, dass dem so sein wird! Als bekannt wurde, welche Summen da investiert worden sind, ist der Frankenkurs erst recht in die Höhe geschnellt. Diese aufgabenfremden Handlungsfreiheiten sind einzuschränken. Deshalb wird die SVP einen Vorstoss einreichen, damit die Nationalbank nicht mehr machen kann, was sie will, aber machen kann, was sie muss.
Sie haben gesagt, die Nationalbank könne deswegen pleite gehen, glauben Sie wirklich daran?
Blocher: Ich sage nicht, sie gehe pleite, aber die Gefahr ist gross. Es ist wie damals bei der Swissair: Diese war ja auch fast ein gottähnliches Gebilde, das man nicht kritisieren durfte – bis zum Grounding, da war es aber zu spät. Das Gleiche geschah bei der UBS und nun wiederholt es sich bei der Nationalbank. Jeder weiss, dass ich die Nationalbank sehr wichtig finde und nichts gegen Herrn Hildebrand persönlich habe. Aber das, was da gemacht worden ist, ist unverantwortlich.
Nochmals: Glauben Sie an einen Bankrott der Nationalbank?
Blocher: Das ist durchaus eine reale Möglichkeit! Die Nationalbank hat 240 Milliarden Devisen. Verliert die Währung z.B. 30 Prozent, was möglich ist, ist das Eigenkapital von 66 Milliarden weg und es ist soweit. Ein Unternehmen muss mit dem worst case rechnen, und das ist heute kein theoretischer Fall mehr. Wenn es stimmt, dass die Schweiz mit 160 Milliarden Franken der grösste Gläubiger Deutschlands sei, dann ist das nochmals ein gefährliches Risiko. Damit werden wir erpressbar. Das sieht man bereits am Internationalen Währungsfonds –ein weiterer Fehlschritt.
Sie sprechen vom 16-Milliarden-Kredit, den das Parlament im März für den EU-Fallschirm sprechen soll. Wie soll denn die Wirtschaft bestehen, wenn der Euro zusammenbricht?
Blocher: Erstens bricht der Euro deswegen nicht zusammen. Haben Sie gehört, was Nicolas Sarkozy in Davos gesagt hat? Nachdem der Euro nun mal geschaffen wurde, muss die EU alles unternehmen, um ihn zu halten und wird das auch unabhängig vom Schweizer Beitrag tun. Ausserdem ist das Geld des IWF kein Mittel, um den Euro zu stützen, sondern um die Länder, die sich durch Misswirtschaft überschuldet haben, und die Länder und Banken, die leichtfertig Kredit gegeben haben, abzusichern.
Sollte man die Länder Konkurs gehen lassen?
Blocher: Ja, mittels geordnetem Konkurs wäre besser. Aber wenn man dies nicht will, ist es sicher nicht an uns, dies zu vermeiden. Es ist eine Frage der Verantwortung. Wer Kredite gibt, erhält Geld, aber er muss das Risiko tragen. Sollten jetzt die Schweizer Bürger deutsche und französische Banken, welche diesen Ländern leichtfertig Kredite gegeben haben, retten? Das Geld wird auch kaum mehr zurückkommen.
Gemäss Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat man mit dem IWF noch nie Geld verloren.
Blocher: Selbstverständlich. Wie bei der Weltbank kann man auch im IWF gar kein Geld verlieren. Denn immer, wenn die Zinsen nicht mehr bezahlt werden, nimmt man neue Kredite auf, um daraus wieder die Zinsen zahlen zu können. Es ist das gleiche System, wie es der Betrüger Madoff angewendet hatte. Nur zurück kommt das Geld nicht mehr.
Wenn man die verschuldeten Staaten aus erzieherischen Gründen bankrott gehen lässt, wie Sie empfehlen, gehen möglicherweise auch Schweizer Firmen pleite.
Blocher: Ich weiss es nicht. Wenn eine Schweizer Firma dort Kredit gegeben hat, muss sie die Konsequenzen tragen.
FDP-Vizepräsident Pedrazzini übt harsche Kritik an Ihnen und an der SVP. Ein paar Superreiche hätten sich eine eigene Partei aufgebaut und könnten dank dem vielen Geld ihre Meinung durchdrücken. Was antworten Sie ihm?
Christoph Blocher: Er will die gut strukturierte SVP nicht kennen. Die SVP finanziert den ordentlichen Betrieb durch Parteibeiträge, die bei der SVP relativ hoch sind, dann durch Parteisteuern, und jährliche Beiträge aus der Wirtschaft. Für die Fraktionsauslagen kommt wie bei allen anderen Parteien der Staat auf. Ich finanziere die Partei nicht mit Spenden, denn die SVP darf nicht von einzelnen Geldgebern abhängig werden.
Anders sieht es im Wahlkampf aus. Was sagen Sie zum Vorwurf, Ihr Budget sei ein Vielfaches grösser als jenes der anderen Parteien?
Blocher: Ich glaube es nicht. Aber wenn ich an die „Freunde der Freisinnigen“ denke, so viele reiche Leute! Haben denn die Freisinnigen kein Geld? Oder sind alles geizige Kerle? Ist ihnen die Schweiz oder das freisinnige Programm nichts wert?
Gemäss Pedrazzini stehen der SVP zweistellige Millionenbeträge zur Verfügung, der FDP aber nur 2,6 Millionen.
Blocher: Das ist dummes Zeug. Schön, wenn wir soviel Spenden bekämen. Wir gehen immer gleich vor: Wir stellen ein Wahlkampfbudget auf, bei dem wir hoffen, dass wir mit ca. zwei Millionen durchkommen. Dann machen wir Inserate, suchen dafür gezielt Spender und geben soviel aus, wie wir bekommen. Vor allem für Abstimmungskämpfe gebe auch ich grössere Beiträge. Das habe ich auch in der Schlussphase des Abstimmungskampfs gegen die Steuerinitiative und bei der Ausschaffungsinitiative getan.
Bei der Ausschaffungs-Initiative wirft Pedrazzini der SVP vor, die Schweiz mit Inseraten und Plakaten für 10 Millionen zugepflastert zu haben, während die FDP keine 200'000 Franken gehabt habe. So habe man die Leute emotional beeinflusst und gewonnen.
Blocher: 10 Millionen ist Unsinn. Zudem: Fast alle Medien setzten sich für den Gegenvorschlag ein, darum waren Inserate der Freisinnigen nicht nötig. Wieder einmal: Obwohl alle Medien und Parteien – ausser der SVP – für die Initiative waren, wurde sie angenommen. Zudem würde ich mich an Stelle von Herr Pedrazzini fragen, wieso die FDP-ler nicht mehr Geld zusammengebracht haben. Vielleicht war das FDP-Produkt den Franken nicht wert! Herr Pedrazzini selbst hätte doch sicher 100'000 Franken von seinem persönlichen Vermögen geben können, dann hätten die Freisinnigen schon die Hälfte mehr gehabt. Es freut uns aber, dass er meint, die SVP hätte soviel geleistet – das ist Zeichen einer guten Werbung.
Wenn so viel Geld von so wenigen Personen kommt, fehle die breite Abstützung, kritisiert Pedrazzini.
Blocher: Es kommt nicht von wenigen Personen. Dann soll er sich als Vizepräsident der Freisinnigen mit einem Vorstoss dafür einsetzen, dass man Parteispenden offen legt, die SP und Grünen machen vielleicht mit. Wir sind zwar nicht dafür, weil alle Parteien dann weniger Geld bekommen. Er soll aber, wenn ihm soviel daran liegt, dafür kämpfen. Eine Offenlegung der Spender, wird für die SVP nicht peinlich ausfallen.
Indirekt lautet der Vorwurf, sie untergraben mit viel Geld die direkte Demokratie. Ihre Antwort?
Blocher: Dass der Vorwurf ausgerechnet von einem Freisinnigen kommt, erstaunt mich schon. Auch die SVP gäbe lieber kein Geld aus. Aber die Schweiz ist vielen Bürgern noch etwas wert, und dann spenden sie, vor allem dort, wo der Medien- und Parteienmainstream das Gegenteil verkündet. Pedrazzinis Vorwurf verachtet auch unsere Bevölkerung, wenn er meint, diese sei käuflich. Dabei wissen wir zur Genüge, dass das Volk auch bei Abstimmungen, bei denen sehr viel Geld geflossen ist, anders entschieden hat. Was richtig ist: die SVP muss relativ viel Geld für Inserate ausgeben, um ihre Botschaft zu vermitteln. Die Mitte-Links-Parteien haben das Staatsfernsehen, Staatsradio und fast alle grossen Zeitungen, die das für sie gratis tun.
Sie sind also keine Gefahr für die Demokratie?
Blocher: Das ist eine Verunglimpfung mehr. Es soll mir mal einer darlegen, wo ich meine Sonderinteressen in der Politik vertreten hätte. Wer verhindern will, dass nicht heimlich persönliche Sonderinteressen vertreten werden, muss anderes tun, was den Freisinnigen nicht angenehm wäre. Man müsste alle die persönlichen Freundschaften in die Verwaltung, in den Bundesrat, im Parlament, beim Versprechen von Posten und Verwaltungsratssitzen für die Zukunft untersuchen. Diese Gefahren drohen in allen Parteien und sind gefährlich für die Demokratie.