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Wirtschaft

13.02.2010

Wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben

Abzocker-Initiative: Interview mit Thomas Wyss, Finanz und Wirtschaft vom 13. Februar 2010 Sie unterstützen nun die Minder-Initiative. Die Gegner sagen, damit werde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz geschwächt. Ein gesuchtes Argument. Gestern versicherte mir der Verwaltungsratspräsident einer grossen kotierten Gesellschaft, dass man mit der nun präsentierten Lösung gut leben könne. Die neuen Regelungen bringen eine gewisse Belastung zum Ausweisen von Bezügen für Verwaltungsrat und für Anträge an die Generalversammlung. Aber wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben. Sie gibt den Unternehmen die nötige Flexibilität und verhindert krasse Missbräuche. Wenn man sieht, was die G7 von Staates wegen plant, tut die Schweiz gut daran, einen freiheitlichen Ansatz zu wählen. Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass mit der Jahreswahl die langfristige Optik verloren geht? Wiederwahl ist der Normalfall. Aber. Man kann die Verwaltungsräte nicht für 3 Jahre wählen lassen, um sich dann Jahr für Jahr frei zu bedienen. Die Jahreswahl hat sich zudem in vielen Gesellschaften bewährt. Aber ich kann doch nur über die Vergütung entscheiden, wenn ich weiss, welche Leistung er vollbracht hat und ob er diese Vergütung wert ist! Über die einzelne Entlöhnung stimmt die GV – der Eigentümer – nicht ab, sondern über die Gesamtheit. Und sie wählt die Verwaltungsräte unter voller Kenntnisse der Bezüge. Sie wird in Extremfällen eingreifen. Das ist ja alles gut und recht. Aber am Schluss wird an der GV nur noch über die Entlöhnung gestritten, und strategische Fragen werden vergessen. In extremen und missbräuchlichen Fällen, vielleicht. Es dürfte für den Verwaltungsrat schwierig werden, Anträge zu stellen um – zum Beispiel nach einem Jahr mit 864 Mio. Verlust, 11 Milliarden Eigenkapitalvernichtung, 6 Milliarden Abschreibungen und einem um 61% tieferen Aktienkurs dem Verwaltungsrat die gleichen Vergütungen vom 10 Mio. – gleichviel wie im exzellenten Vorjahr – und pro Geschäftsleitungsmitglied 6 Mio. zuzugestehen, wie dies für 2008 bei der SWISS Re geschehen ist. Wer definiert denn, was der richtige Betrag ist? Wie in jedem Unternehmen der Eigentümer. Der Verwaltungsrat stellt den Antrag. Entscheidend ist der Grund. Wenn es dem Unternehmen nachhaltig gut geht, verdient der Unternehmer, aber er verliert, wenn es schlecht geht. Bei den Banken und Versicherungen verdienten die Manager in beiden Situationen viel. Wir brauchen eine echte Wirtschaftspolitik, die mehr ist als die Interessenvertretung von ein paar Managern. Aber die Minder-Initiative ist doch klar gegen die Finanzindustrie gerichtet. Sie ist gegen überhaupt niemanden gerichtet. Höchstens gegen Manager, die statt für das Unternehmen vom Unternehmen leben. Aber gegen diese muss es auch gerichtet sein. Es geht um die Aufsicht der Organe einer Gesellschaft durch die Eigentümer. Und es ist Aufgabe des Staates Regeln zu schaffen, damit das Privateigentum geschützt ist. Die einjährige Wahl, die Transparenz und wichtige Entscheide an der Generalversammlung gewährleisten dies. Aber ich hatte nie Mühe, zum Beispiel in der Ems Chemie die Gehälter des Verwaltungsrates offen zu legen und eine einjährige Wahlperiode einzuführen. Sie übten mit 60% ja auch die Kontrolle aus. Trotzdem. Wollen sie eine staatliche Regelung? Wenn uns der Staat – Politiker und Beamte – sagen wollen, wie hoch diese Summe sein darf, ist das Unsinn. Und darauf läuft es nun in Europa hinaus. Börsenkotierte Gesellschaften brauchen einfache, gangbare Lösungen, die die Führung nicht untergräbt aber Missbräuche verhindert. Das gewährleistet der Einigungsvorschlag. Aber Sie haben sich zu Visionszeiten auch bedient. Nein. Die Verwaltungsratsentschädigung wurde an der ersten Generalversammlung nach einem genauen Zielerreichungsmodell einstimmig beschlossen. Die Börse stieg, aber die Leistung war nicht messbar. Der Zweck dieser Anlagegesellschaft war den Anlagewert zu steigern. Dieser war genau messbar. In der Pharma Vision gab es bis 6% Wertsteigerung kein Verwaltungsratshonorar. Dann war die Stufenleiter definiert. Die Verwaltungsräte mussten zudem zusammen 51% des Aktienkapitals zeichnen. Aber der Wert der Firma stieg durch die ganze Börsenentwicklung. Das war auch der Sinn. Doch die Missbräuche in grossen Gesellschaften waren grösser als man denkt. Weil die Transparenz fehlte. Was da hinter den Kulissen heraus genommen wurde, geht auf keine Kuhhaut. Neu muss die konsolidierte Offenlegung aller Bezüge gelten. Man kann nicht mehr eine kleine Entschädigung von der Holding beziehen und sich gleichzeitig und unbemerkt von der amerikanischen Tochtergesellschaft anstellen lassen. Das geht nicht mehr. Ein Bonus sollte auch auf null fallen können. Das ist doch die Fehlkonstruktion. Natürlich. Sogar ein Malus wäre konsequent. Aber das wird nicht verlangt. Die Manager haben immer eine neue Begründung für die Boni. Die Optionen wurden eingeführt , um die langfristige Denkweise zu fördern. Gut so! Aber: Als die Titel einbrachen, wurde der Ausübungspreise nach unten angepasst oder der Ausübungszeitpunkt verschoben. Das ist nicht unternehmerisch. Bezahlt haben das Tausende von Eigentümer. Das haben wir ja auch moniert. Moniert schon. Nun muss das Aktienrecht dafür sorgen, dass gehandelt wird. Missbräuche schaffen böses Blut und ein wirtschaftsfeindliches Klima. Unpopulär ist auch die Senkung des Umwandlungssatzes im BVG. Was sagen Sie Ihren Leuten? Leider hat man es verpasst, die Sache einfach zu erklären: "Wenn Du 65 Jahre alt bist und 100'000 Franken einbezahlt hast, bekommst Du diese 100'000 Franken auch wieder. Du kannst es als Kapital herausnehmen und damit machen was Du willst. Du kannst es aber auch als Rente beziehen und dann werden diese 100'000 Franken durch die durchschnittliche Lebenserwartung aufgeteilt. Wenn die Leute durchschnittlich 75 Jahre alt werden, gibt es pro Jahr einen Zehnten. Wenn sie durchschnittlich 85 Jahre alt werden, gibt es nur einen Zwanzigstel. Das durchschnittliche Lebensalter ist gestiegen. Und deshalb muss man den Umwandlungssatz anpassen, sonst wird die Pensionskasse zerstört und die Jungen gehen leer aus!" Wie stehen die Chancen der Vorlage? Leider schlecht. Auch unsere Wähler werden den bundesrätlichen Vorschlag hoch verwerfen. Die meisten hören nicht. Sie haben genug. Und damit sind wir wieder beim Thema. Die Wut auf Banken, Versicherer, Manager, auf die Wertverluste, die die Leute erlitten haben, ist so gross, dass sie einfach aus Protest Nein sagen! Aber der Aktionär übergibt dem Verwaltungsrat heute die notwendigen Kompetenzen. Das soll so bleiben. Die Begrenzung uferloser Kompetenzen ist eine geringfügige Einschränkung. Neu soll nicht nur die Gesamtsumme der Verwaltungsratsvergütung sondern auch die der Geschäftsleitung bestimmt werden. Die Hauptmissbräuche finden tatsächlich auf Stufe Geschäftsleitung statt. Der Verwaltungsrat rechtfertigt stillschweigend seine hohe eigene Entschädigung oft mit der Höhe der Entschädigung der Geschäftsleitung, darum ist diese Schranke sinnvoll. Was halten Sie von den Stimmrechtsbeschränkungen? Die Partei hat dafür plädiert, dass man diese Vinkulierungsbestimmungen aufhebt. Aber wir sind nicht durchgedrungen. Aber das war nicht Bestandteil Ihrer Aktienrechtsreform. Bestandteil schon. Aber sie hat keine Aufnahme gefunden. Jetzt hat man die Meldepflicht auf 3% gesenkt. Raiders werden dadurch nicht abgehalten, aber unter Umständen gute Investoren von einem Engagement. Das kann sehr kontraproduktiv sein. Wo gibt es heute aus Sicht des Investors interessante Situationen? Ich bin Unternehmer – nicht Finanzanlagenspezialist. Aber als Unternehmer muss man einsteigen, wenn es schlecht steht. Wie zum Beispiel UBS? Von Banken verstehe ich zu wenig. Aber ich hätte Vertrauen in Herrn Grübel an der Spitze. In gute Leute in einer schlechten Situation zu investieren, ist in der Regel nicht falsch. Und wer in die Qualitäten von Christoph Blocher investieren will, kauft Ems Chemie? Die Ems-Gruppe führt unsere älteste Tochter. Ich lasse die Finger davor. Wenn sie wollen, können mich die Kinder um Rat fragen. Sie sind tüchtige Unternehmer und besser ausgebildet als ich und machen es sehr gut. Wo sehen Sie als erfolgreicher Geschäftsmann und Milliardär heute Möglichkeiten zum Geld verdienen? Ich bin nicht der richtige Mann für die Antwort auf diese Frage. Geld zu verdienen, war nie mein Beweggrund. Aber wenn man die Sache wirtschaftlich gut macht, verdient man Geld. Ich bin in dem Sinn kein Anleger. Aber eines ist sicher: Chancen, etwas zu bewegen, hat man in schwierigen Situationen – falls man führen kann. Ich kaufte Ems, als es schlecht lief. Ich habe Firmen gekauft und erhielt - weil sie so schlimm standen – zum Teil noch Geld, damit ich sie "kaufte". Aber ich musste sie führen. Und so entstand das Vermögen. Einer Branche, der es ganz offensichtlich schlecht geht, ist die Medienbranche. Sind Sie bei der Basler Zeitung dabei? Nein. Wenn ich so etwas machen würde, so nur zu 100%. Um erfolgreich zu sein, muss ich auf die Stärken setzen. Was ist meine Stärke? Ich habe Führungserfahrung und derzeit finanzielle Mittel. Wenn es Firmen gibt, die durch Führung zum Erfolg geführt werden können und in der Not sind, mache ich das. So habe ich mich an verschiedenen Firmen still beteiligt, die häufig von jungen Leuten gegründet wurden, die noch nie eine Wirtschaftskrise durchlebt haben. Ich will sie mit ihnen zum Erfolg führen, dann wieder abtreten. Wie viele stille Beteiligungen haben Sie derzeit? Sieben, alles Industrieunternehmen, mit einem Gesamtvolumen von rund 70 Mio. Fr. Wollen Sie dieses Portefeuille ausbauen? Zurzeit habe ich zu viele Anfragen. Aber ich darf mich nicht "überlupfe". Am Anfang ist der Führungsaufwand sehr gross. Aber der Vorteil des Alters ist die grosse Erfahrung. Man sieht meist sehr schnell, woran es liegt. Schon die richtige Frage wirkt Wunder. Was empfehlen Sie im Bereich der kotierten Gesellschaften? Wenn es eine Firma gibt, deren Aktien ich noch nie empfohlen habe, ist es die im eigenen Umfeld. Wer auf Sicherheit gehen will, ist mit Ems gut bedient. Ein sicherer Wert, seriös geführt. Gute Rendite. Wollen sie hohe Rendite bei hohem Risiko, suchen Sie Gesellschaften, denen es schlecht geht und wo sie den personellen Turnaround spüren. GF ist noch nicht so weit. Habe ich nicht geprüft. Bei Rieter vor einem Jahr vielleicht. Vielleicht bald Lonza. Bei kotierten Gesellschaften ohne starken Aktionär geht es immer länger, bis die Alarmglocke schlägt. Aber hören Sie auf diese Glocke. Halten Sie einen Teil Ihres Vermögens in Gold? Nein, ich bin durch und durch Unternehmer. Als  grosses Problem der künftigen Wirtschaft sehe ich die staatliche Verschuldung. Das Problem ist noch gravierender als die hohen Managerlöhne. Und in dieser Unsicherheit ist es höchste Priorität dafür zu sorgen, dass die Grossbanken kein Landes-Problem mehr darstellen. Wird das too big - to fail Problem nicht gelöst, kann die Schweiz zu Grunde gehen. Deshalb wollen Sie die Grossbanken aufbrechen. Neu strukturieren mit einer Holding und voneinander unabhängigen selbständigen Gesellschaften. Bis jetzt gibt es keine bessere Lösung als die Holdinglösung, die mit dummen Argumenten unter den Tisch gewischt wird. Eine andere Lösung wäre ein internationales Insolvenzrecht. Das geht in die gleiche Richtung. Aber wir können nicht auf eine internationale Regelung warten. Die Schweiz muss vorangehen. Für die Schweiz ist diese Problemlösung überlebenswichtig. In Sachen Bankkundengeheimnis torkelt die Schweiz scheinbar von einer Panne in die nächste. Wie konnte es soweit kommen? Bundesrat Merz hat keine Strategie und lebt in den Tag hinein. Aber der Gesamtbundesrat lässt ihn auch in den Tag hinein leben. Wenn ich der Presse glauben kann, ist an der letzten Bundesratssitzung den anderen Bundesräten wohl der Kragen geplatzt und sie verlangten rasch eine Strategie. Das ist ein altes Problem des Bundesrates. Schon 2006, als die Rentenanstalt wankte, wurde das Problem „Too big – to fail“ erkannt. Es wurde nichts gemacht mit der Begründung, eine solche Firma könne nicht scheitern. Als Europa das Steuerthema lancierte, weigerte sich der Bundesrat eine Strategie zu entwerfen. Man liess Herrn Merz bewusst machen! Aber für die SVP ist Merz doch ein Glücksfall. Der FDP laufen die Leute gerade wegen ihm davon. Unsere politischen Gegner sind nicht die Freisinnigen. Es nützt nichts, wenn uns die Freisinnigen zulaufen. Die grünen und roten Politiker in vielen Parteien und die Führungslosigkeit ist das Problem. Das gilt es zu verhindern. Die Probleme, die sich stellen, lösen und dies nicht den Linken überlassen. Sie haben schlechte Motive, ein falsches Menschenbild und betreiben dekadente Politik. Es gilt die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft zu schützen, damit die Linken nicht die Wirtschaft zerstören. Die Überfremdungsangst ernst nehmen. Die Bürger haben kein Vertrauen in die sozialistische Politik, aber nur wenn wir Bürgerliche nicht versagen. Dann wäre ja ein Schulterschluss zwischen SVP und FDP naheliegend. Der vorherige Parteipräsident Rolf Schweiger war offenbar nahe dran. Darauf warten wir schon lange. Der Freisinn hat leider ein Basisproblem, das in den Siebziger Jahren entstand. Die Partei öffnete sich nach links, und heute kann die FDP machen, was sie will, sie macht es immer jemandem  nicht recht. Das zerreisst die Partei. Und trotzdem: Wenn es darauf ankommt, steht die SVP zur FDP. Ohne die SVP wäre Herr Burkhalter nicht in der Regierung. Sind Sie für 2011 für die SVP optimistisch? Wenn heute Wahlen wären, würde die Partei massiv zulegen. 2011 ist aber noch zu weit weg für eine Prognose. Leiden wird die FDP. Aber das ist nicht unsere Zielsetzung – im Gegenteil. Wo Grünliberale und BDP auftreten, verliert nicht die SVP. Zur FDP: "Getrennt marschieren und vereint schlagen."

13.02.2010

Der Ständerat hat die bundesrätliche Vorlage auf Druck der Manager massiv verwässert

Abzocker-Initiative: Interview mit der NZZ vom 13. Februar 2010 Die Credit Suisse zahlt pro Mitarbeiter durchschnittlich 144 000 Franken Bonus. Ist das Wasser auf die Mühlen von SVP und «Abzocker»-Initiant Minder? Vielleicht. Aber weil der Steuerzahler beim Kollaps der CS zahlen müsste, interessiert die Frage auch die Politik. Die gewinnabhängigen Boni müssten jedenfalls auf ein Sperrkonto bezahlt werden. Schlimm aber ist, dass Geschäftsleitungsmitglieder die führenden Leute für 2008, als die CS einen Verlust von 8,2 Mia. zu verzeichnen hatte, im Durchschnitt mit 7,1 Mio. Fr. Entschädigt wurden! Das ist unternehmerischer Unsinn und für den Schweizerischen Steuerzahler, der im Ernstfall faktisch haftet, unhaltbar! In guten Jahren begründete man den Bonus als unternehmerische Partizipation am Gewinn. Als Verluste produziert wurden, waren Boni plötzlich Prämien um die Leute zu halten. Sind Sie auf Thomas Minder zugegangen, oder war es umgekehrt? Der bundesrätliche Entwurf für das revidierte Aktienrecht stammt aus meiner Zeit als Bundesrat. Damals habe ich mit allen involvierten Kreisen intensive Gespräche geführt, auch mit Herrn Minder. Jetzt tue ich es nicht als Bundesrat, sondern als Verantwortlicher für Strategiefragen der SVP. Seit Anfang Dezember 2009 führten Thomas Minder und ich intensive Gespräche mit dem Ziel, eine wirtschaftspolitische gangbare Lösung zu haben, die es dem Initiativkomitee erlaubt, die  Initiative zurückzuziehen und die gleichzeitig auch der Haltung der SVP entspricht. Haben Sie denn als Bundesrat eine untaugliche Vorlage gezimmert? Nein. Aber der Ständerat hat die bundesrätliche Vorlage auf Druck der Manager massiv verwässert. Die Einigungsvorlage nimmt die Eckwerte wieder auf. Die Lehren aus der Finanzkrise zwingen zudem zu Ergänzungen: Zum Beispiel die Genehmigung der Gesamtvergütung der Geschäftsleitung durch die Generalversammlung. Unter dem Aspekt der Verantwortlichkeit ist das zwar nicht ganz lupenrein. Die Geschäftsleitung untersteht dem Verwaltungsrat. Aber um Missbräuche bei der Salärierung der Geschäftsleitungen bei börsenkotierten Firmen zu verhindern, muss dies im Kauf genommen werden. Und jede börsenkotierte Firma, die keinen Dreck am Stecken hat, kann gut damit leben. Sie schliessen ein Ja zur Minder-Initiative nicht aus. Spielt da der Druck der SVP-Basis mit? Auch bei der BVG-Vorlage haben Sie ja grösste Mühe, ihre Truppe zusammenzuhalten. Nicht nur die Basis, sondern ich persönlich ziehe die „Abzocker-Initiative“ einem schlechten Gegenvorschlag vor. Man hat keine Vorstellung davon, wie viele Leute letztlich Aktionäre sind und damit ihr Geld verloren haben, zum Beispiel bei der zweiten und dritten Säule! Die Stimmung in der Bevölkerung ist darum schlecht, zu recht. Dies rächt sich nun bei der BVG-Vorlage. Diese gute Vorlage geht verloren - nicht nur wegen der lausigen Pro-Kampagne. Hat die Wirtschaft das Vertrauen der Politik verspielt? Nicht das Vertrauen in die Wirtschaft, aber in die Verantwortlichen von börsenkotierten Firmen, vor allem die Banken und Versicherungen. Hier sind ja auch Missstände aufgetreten. Da  ist das Privateigentum der Anleger nicht mehr geschützt. CVP und FDP wollen nach wie vor einen direkten Gegenvorschlag zur Minder-Initiative. Ist ein bürgerlicher Schulterschluss unmöglich geworden? Der direkte Gegenvorschlag macht keinen Sinn mehr. Thomas Minder könnte sonst seine Initiative nicht zurückziehen. Nun müssten die Mitteparteien einlenken. Sprechen Sie noch mit CVP und FDP? Unverzüglich wird die SVP mit allen Regierungsparteien reden.  Inhaltlich ist ja die CVP schon weit gegangen mit ihren Vorschlägen. Und wenn die SP nicht nur vom Abzocker-Problem leben, sondern es lösen will, wird auch sie mitmachen. Kommt es Ihnen zupass, dass Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf für die Aktienrechtsreform verantwortlich ist? Es wäre mir schon lieber, ich wäre selber noch zuständig (lacht). Also tue ich es nun als Bürger – als Mitglied des Souveräns. Sie könnten ja das zuständige Departement kontaktieren. Das geht nicht. Frau Widmer-Schlumpf ist da sehr empfindlich. Würde ich meine ehemaligen Leuten kontaktieren, wären diese wohl ihre Stelle los. Blicken wir nach Deutschland. Ihre ehemaligen Bundesratskollegen wollen möglichst rasch ein neues Doppelbesteuerungsabkommen abschliessen. Das ist zu sistieren. Man schliesst keine Abkommen mit einem Staat ab, der gestohlene Bankdaten kauft und sich als Hehler und Mittäter agiert. Zuerst muss die Datenklau-Affäre bereinigt werden. Auch strafrechtlich. Welche Handlungsoptionen sehen Sie gegenüber Deutschland? Das Bankkundengeheimnis gilt. Man kann es nicht ändern, ohne das Schweizer Gesetz zu ändern. Das hat man Deutschland zu erklären. Und weiter? Die Unterscheidung zwischen Hinterziehung und Betrug muss bleiben. Sonst wird in der Schweiz jeder Steuerzahler kriminalisiert. Durch die neuen Doppelbesteuerungsabkommen  würde der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit preisgegeben. Dieser bedeutende Grundsatz sagt, dass für die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe sowohl nach der Rechtsordnung im Inland als auch im Ausland ein Verdacht zu einem Verbrechen vorliegen muss. Steuerhinterziehung ist nach schweizer Recht ein Vergehen – wird auch bestraft – aber nicht als Verbrechen. In Deutschland ist es ein Kapitalverbrechen. Es ist ausserordentlich gefährlich, wenn man allgemeine Grundsätze auf den kleinsten Druck hin preisgibt. Sie haben aber selber schon signalisiert, man müsse dem Ausland klar machen, dass man kein Geld aus Steuerbetrug bzw. Hinterziehung akzeptiert. Das gilt schon heute für die Banken. Sie machen sich strafbar, wenn sie die Kunden zu Steuerhinterziehung verleiten. Wenn die Banken nicht hintergangen werden wollen, dann können sie von ihren Kunden eine Bestätigung verlangen, dass sie ihr Geld versteuert haben. Die Privatbanken laufen dagegen Sturm. Dann müssen sie es nicht tun. Aber die Konsequenzen tragen. Weiter steht die Idee einer Abgeltungssteuer im Raum. Eine solche wäre innenpolitisch konsensfähig. Europa hat dies bisher abgelehnt. Diese würde der Schweizeischen Verrechnungssteuer entsprechen, die ja Steuerhinterziehung uninteressant macht. Warum will die EU nicht? Weil die angelsächsischen Staaten viel stärker geschützte Finanzplätze – auch für Schwarzgelder - haben. Und weil sich die EU-Staaten gegenseitig nicht trauen, dass das Geld überwiesen wird! Aber wenn die EU eine Abgeltungssteuer will, bin ich nicht dagegen. Die SVP hat bisher immer nur Härte markiert. Sie wollten das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern. Nicht Härte, sondern Konsequenz! Konsequent sein bedeutet die schweizerische Rechtsordnung zu respektieren und zu verteidigen! In diesem Fall das Bankkundengeheimnis.  Die Idee eines Verfassungsartikels kam auf, weil die Politiker angefangen haben, es zu unterlaufen. Willkürlich! Sie halten also immer noch an der Verankerung in der Verfassung fest. Ja, aber wir sollten es weiter fassen. Wir brauchen einen Verfassungsartikel zum Schutz der Privatsphäre allgemein. Das Bankkundengeheimnis ist ein Teil davon. Die SVP hat erst ein vorläufiges Konzept dazu. Im Moment haben leider aktuelle Fragen Vorrang. Es macht den Anschein, als komme die Schweiz überall zu spät. Das hat doch auch damit zu tun, dass die SVP jegliche Kompromissbereitschaft des Bundesrats sofort als Schwächezeichen diskreditiert. Für das Richtige zu spät und für das Falsche zu früh! Das Problem wurzelt darin, dass die Politik heute konzept- und strategielos handelt. Solange der Bundesrat so regiert, ist der dauernden Flucht nach vorn und dem Regieren im Einzelsprung-Verfahren entschiedener Widerstand entgegenzusetzen. Macht der Bundesrat denn überhaupt etwas richtig? Wenn er etwas richtig machen würde, hätten Sie die Frage nicht gestellt. Wir fragen trotzdem. Auf den kleinen Druck aus dem Ausland macht der Bundesrat so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Der Gesamtbundesrat delegiert Probleme und lässt Strategielosigkeit zu. Heute hackt man auf Hans-Rudolf Merz herum. Dabei hat es hat noch sechs andere Bundesräte. So wird jeden Tag unter Druck Neues preisgegeben. So verliert das Land den Respekt! Nehmen wir den automatischen Informationsaustausch! Bis vor kurzem galt dies als undenkbar. Jetzt heisst es, die Preisgabe sei allenfalls die Gegenleistung für ein – übrigens unnötiges - Dienstleistungsabkommen mit der EU. Ein neuer Sprung ins Abseits! Bundespräsidentin Leuthard sagt, der Bundesrat sei sich völlig einig. Das hoffe ich nicht. Vertritt Ueli Maurer denn eine andere Meinung als die übrigen Bundesräte? Leider sind die Sitzungen geheim. Aber ich bin überzeugt, dass Ueli Maurer die Meinung der SVP vertritt. Sie wollen die UBS aufspalten. Alle systemrelevanten Firmen. Da gehört neben der UBS auch die CS. Hat die Schweiz nicht hervorragend von der Grösse dieser Banken gelebt? Von den Banken – nicht von der Grösse! Wir wollen die Banken nicht kaputtmachen. Aber neu strukturieren, damit im Krisenfall nicht die Schweiz kaputt geht. Und jede Firma kann sterben. Ich kenne kein Unternehmen, das vor 2000 Jahren gegründet wurde und noch lebt – ausser die katholische Kirche. (Aber sie muss die Bilanz wohl erst im Himmel offenlegen). Spass beiseite: Die Schweizer Volkswirtschaft darf nicht in den Ruin gezogen werden, nur weil eine Grossbank in den USA Verluste erwirtschaftet. Vielleicht ist Ihre Idee nicht gut genug. Dann bringen Sie eine bessere. Aber unser Weg löst das Problem Too big – to fail. Das ist noch wichtiger als das Bankgeheimnis, die  Doppelbesteuerungsabkommen,  das Aktienrecht und vieles mehr. Hier geht es um die Existenz des Landes.  Doch der Bundesrat hat als Experten vorwiegend Grossbankvertreter. Für dieses Problem ist dies falsch: „Wer den Sumpf trocken legen will, kann dies nicht mit den Fröschen besprechen“.

12.02.2010

«Wenn ich einen Erfolg erziele, darf es einfach nicht mit rechten Dingen her- und zugehen»

Abzocker-Initiative: Interview mit Norbert Neininger, Schaffhauser Nachrichten vom 12. Februar 2010 Die Kommentatoren – auch die Ihnen sonst feindlich gesinnten – sind heute des Lobes oder wenigstens des Respekts voll ... Christoph Blocher: ... Respekt genügt ... ... ob der Tatsache, dass Thomas Minder und Ihre SVP nun gemeinsame Sache machen. Aber manche meinen auch, Sie hätten den Neuhauser Unternehmer «über den Tisch gezogen.» Blocher: Ja, das sagt die SP. Und die FDP meint, Herr Minder hätte mich – und damit die SVP – «über den Tisch gezogen». Daran erkennt man, dass es sich hier um einen Kompromiss handelt, bei dem beide nachgeben mussten, um die beste Lösung zu finden. Wie kam denn dieser aufsehenerregende Schulterschluss zustande? Blocher: Die Minder–Initiative wurde in die Wege geleitet, als ich noch Bundesrat war, und unter meiner Führung entstand der bundesrätliche Gegenvorschlag, der ja in dieselbe Richtung zielt wie die Initiative. Wäre ich im Bundesrat geblieben, hätte ich das Gespräch mit Herrn Minder gesucht. Da ich nicht mehr Bundesrat bin, tat ich es als SVP-Vizepräsident. Es begann im vergangenen Dezember. Wer gab dazu den Anstoss? Blocher: Das weiss ich nicht mehr genau. Wichtig aber ist, dass wir nach intensiven Verhandlungen nun zu einer gemeinsamen Lösung gelangt sind. Alle sind erstaunt, dass Herr Minder – der ja als unbeirrbar gilt – nun bereit ist, seine Initiative zurückzuziehen. Wie konnten Sie ihn davon überzeugen? Blocher: Ja, Herr Minder ist unbeirrbar und gradlinig, andere sagen stur, und er hat eine gewisse Verbissenheit. Aber ohne diese Eigenschaften hätte er diese Initiative – und da war er ja ganz allein – auch nicht zustande gebracht. Thomas Minder ist Unternehmer und hat sich ohne Eigennutz voll und ganz für die Sache engagiert, das hat ihn Geld und Kraft gekostet, und zwar Geld aus dem eigenen Sack. Das ist bewundernswert. Und wenn jemand so ist, dann ist er andrerseits auch nicht grad ein besonders geschmeidiger Verhandlungspartner.  Das waren tatsächlich harte, lange und intensive Gespräche, die wir unter höchster Geheimhaltung führten. Es gibt  Journalisten, die vermuten, Sie seien bereit, sich an Herrn  Minders Unternehmen zu beteiligen und hätten so diesen Kompromiss erreicht. Blocher (lacht): Ja, das ist typisch, wenn ich einen Erfolg erziele, darf es einfach nicht mit rechten Dingen her- und zugehen. Das stimmt also nicht? Blocher: Nein, das ist Unsinn. Ich weiss übrigens gar nicht, ob Herr Minder das überhaupt wollte. Und ich wüsste nicht, ob ich wollte, wenn er wollte. Das stand nie zur Debatte. Aber etwas anderes schon: Ich habe grossen Respekt vor der Leistung dieses Unternehmers. Und das vor allem: Das Resultat unserer Verhandlungen ist nun ein Gesetzestext, der besser ist als die sogenannte Abzocker–Initiative. Und auch besser als Ihr bundesrätlicher Gegenvorschlag? Blocher: Ja, auch das, weil wir das Gesetz nun den Entwicklungen anpassen konnten und die vom Parlament eingebrachten Verwässerungen wieder draussen sind.  Gleichzeitig konnte ich meine Erfahrungen als Inhaber eines börsenkotierten Unternehmens einbringen; der Kompromiss ist nun im unternehmerischen Alltag anwendbar. Also keine Verwässerung der Abzocker–Initiative? Blocher: Nein, überhaupt nicht. Vor allem hat Herr Minder nun ein Gesetz in der Hand, das bald in Kraft treten kann.  Und nun hoffe ich, dass die Wirtschaft mitzieht ... Sie meinen die Economiesuisse? Blocher: Ja, die auch.  Jetzt müssen natürlich – auf der Ebene der Parteileitungen – Gespräche geführt werden. Gehen Sie davon aus, dass die Parteien, auch die SP, nun einschwenken und man sich auf diesen Blocher-Minder-Kompromiss einigt? Blocher: Das ist schwer zu sagen. Aber die Ausgangslage ist für alle klar: Entweder einigt sich wenigstens die bürgerliche Mehrheit auf unseren Vorschlag, und Herr Minder zieht die Initiative zurück, oder nicht. Wenn es keine Einigung gibt, bleibt die Initiative bestehen, und wir, die SVP, unterstützen Herr Minders Initiative mit voller Kraft. Am Spielbrett würde man von «Figgi oder Müli» reden, und alle wissen, dass man da nicht mehr verlieren kann. Letzte Frage: Ist das nun der grösste Erfolg, den Sie als Strategiechef der SVP bisher erzielen konnten? Blocher: Das gehört einfach zu meinem Auftrag. Und von Erfolg wollen wir erst reden, wenn das Ziel erreicht ist, dass nämlich den sogenannten Abzockern das Handwerk gelegt wird und den Eigentümern der Firmen – und das sind die Aktionäre – ihre angestammten Rechte zugestanden werden.

07.02.2010

Die Wahrung der Privatsphäre muss unantastbar bleiben

Interview mit der SonntagsZeitung vom 7. Februar 2010 Herr Blocher, der Bundesrat spricht vom automatischen Informationsaustausch. Ist dieser noch zu verhindern? Absolut. Es kommt überhaupt nicht in Frage, diesen einzuführen und damit das Bankgeheimnis aufzugeben. Aber der Bundesrat muss jetzt endlich eine Finanzplatzstrategie auf den Tisch legen und durchsetzen. Bisher hat der Bundesrat das leider nicht geschafft:  Er gibt jedem „Drücklein“ aus aus dem Ausland nach. Wie müsste sie aussehen? Erstens: Klar feststellen,  dass der Sinn  des Bankkundengeheimnisses, die Wahrung der Privatsphäre ist. Sie muss   unantastbar bleiben. Banken müssen weiterhin dafür bestraft werden, wenn sie Informationen über Ihre Kunden unrechtmässig herausgeben. Zweitens muss im Inland die Unterscheidung zwischen Betrug und Hinterziehung bleiben. Wir dürfen nicht jeden Bürger kriminalisieren, der auf seiner Steuererklärung etwas vergisst. Drittens müssen wir aber auch klar machen, dass wir mit dem Bankgeheimnis nicht Steuerbetrüger und -hinterzieher schützen wollen und eine entsprechende Lösung anbieten. Und wie soll diese aussehen? Die Banken sollten von ihren ausländischen Kunden eine Bestätigung einfordern, dass sie ihr Geld korrekt versteuert haben. Andernfalls müssen die Banken auf das Geld verzichten. Das nimmt die Banken aus der Schusslinie. Wenn Geld nicht versteuert wird, liegt das dann allein in der Verantwortung des Kunden. Es gibt grosse Altlasten von unversteuerten Geldern in der Schweiz. Wie soll man mit diesen umgehen? Wie gross diese sind, weiss ich nicht. Aber man könnte vorsehen, dass diese  beispielsweise innert fünf Jahren legalisiert werden müssen. Danach müssten die Bankkunden auch für altes Geld eine Erklärung abgeben, dass es versteuert ist. Bei einem solchen Vorgehen droht die Gefahr, dass viele unversteuerte Gelder aus der Schweiz abgezogen werden. Das glaube ich nicht. Es kommt darauf an, wie man es macht. In Frage kämen Amnestien und reduzierte Nachbesteuerungssätze. Wichtig ist, dass man nun reinen Tisch macht. Die Banken können und müssen ohne Schwarzgeld leben. Der Finanzplatz Schweiz muss sich mit Qualität und Sicherheit profilieren und einfach besser sein als andere. Ihr Vorschlag entspricht dem, was Liechtenstein nach dem Fall LGT gemacht hat. Ich kenne das Liechtensteiner Modell nicht genau, aber mein Vorschlag geht in diese Richtung. Und Sie fordern das gleiche wie die SP. Nein, die SP will den automatischen Informationsaustausch. Sie will das Bankkundengeheimnis aufheben und verdächtigt damit  jeden Bürger, ein Krimineller zu sein. Und sie will die Unterscheidung von Steuerbetrug und -hinterziehung sogar im Inland aufheben - das ist gegen den Bürger. Banken und Bundesrat wollen eine Abgeltungssteuer, mit der das Geld anonym für andere Staaten besteuert würde. Sachlich wäre das möglicherweise eine Lösung. Die Schweiz wollte die jetzige Zinssteuer ja eigentlich viel umfassender  als die heutige. Aber die EU wollte nicht so weit gehen. Die EU-Staaten trauen einander offensichtlich nicht und sind nicht sicher, dass die Steuern korrekt eingezogen würden. Es ist also unrealistisch jetzt auf die Abgeltungssteuer zu setzen, weil sie in der EU kaum Chance hat. Ihr neuer Vorschlag überrascht. Bisher wollte die SVP nur hart bleiben. Das ist keinerlei Abkehr vom bisherigen Kurs der SVP, es ist allenfalls eine Detaillierung:  Die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland müssen sistiert werden und die Schweiz darf den Deutschen keine Gelder aus dem Zinsbesteuerungsabkommen überweisen - und zwar so lange bis Deutschland die Namen der Datendiebe und eine Erklärung abgibt, dass es künftig auf die Verwendung gestohlener Daten verzichtet. Unabhängig davon muss der Bundesrat Strafanzeigen machen: erstens gegen die Datendiebe, event.   gegen Unbekannt, zweitens gegen jene Behörden, welche die Daten in Deutschland  und Frankreich gekauft haben, und drittens gegen die Banken, aus welchen die Daten stammen. Letztere habe doch eindeutig ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

03.02.2010

«Möchten Sie, dass ich zum Krieg aufrufe?»

Interview mit der Aargauer Zeitung vom 3. Februar 2010 Interview mit Gieri Cavelty Christoph Blocher ist dezidiert gegen ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Schweizer Banken sind für ein kein Auslaufmodell, sie müssten aber anders organisiert werden. Die jüngsten Aussagen von UBS-Präsident Kaspar Villiger seien scheinheilig. AZ: Vor Wochenfrist hat sich der Bundesrat zum Abkommen mit den USA in Sachen UBS geäussert. Sie haben sich seitdem noch nicht öffentlich vernehmen lassen. Blocher: Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Vertrag für ungültig erklärt. Der Bundesrat gab bekannt, dass er mit den USA reden und neu verhandeln werde. Das ist gut so. Aber gleichzeitig schob er nach, dass dieser rechtsungültige Vertrag durch das Parlament genehmigt werden soll. Was gilt? Verhandelt er oder will er Unrecht im Parlament absegnen lassen? Mit dieser Äusserung hat der Bundesrat die Verhandlungen mit USA bereits erledigt. Was sollte die Regierung Ihrer Meinung nach unternehmen? Blocher: Es ist einfach: die Verwaltung hat zu den Amerikanern zu gehen und darzulegen: Das oberste Gericht hat den Vertrag für ungültig erklärt. Wir müssen anderes vereinbaren. Die USA sind für solche Argumentationen durchaus zugänglich, sie sind auch ein Rechtsstaat und erleben solche Fälle auch im eigenen Staat. Die Signale aus den USA tönen offenbar anders. Blocher: Ja natürlich. Das ist die erste Stellungnahme. Darum wird auch verhandelt. Aber nicht schon einknickend, bevor man begonnen hat! Dieser Fehler lässt sich wohl kaum wieder gutmachen, die Sache wird beim Parlament landen. Blocher: Der Wille zum Verhandeln ist in der Tat klein. Die Regierung wird aber hoffentlich wenigstens darauf hinweisen, dass dank dieses Vertragsabschlusses den amerikanischen Steuerpflichtigen einen gehörigen Schrecken eingejagt wurde und sich tausende Kunden gemeldet haben. Der Zweck ist ja für die USA schon erreicht. Nehmen sie die 285 Kundendossier, welche die Schweiz vor einem Jahr in einer Nacht- und Nebelaktion entgegen Recht und Gesetz an die USA übermittelt hat. Was ist damit? Blocher: Das ist skandalös. Die UBS behauptete danach, es seien Steuerbetrüger. Sie wollte die Verantwortung zur Herausgabe aber nicht tragen! Also, bat sie den Bundesrat, dies zu tun. Und dieser liess das Unrecht durch die Finanzmarktaufsicht geschehen. Wären es tatsächlich Steuerbetrüger gewesen, hätte die Bank die Daten ja problemlos selber herausrücken können. Aber das wollte sie nicht. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur scheinheilig, wenn UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger jetzt verkündet: Wir werden niemals Schweizer Recht brechen! Aber die Schweiz bitten, dies an Stelle der UBS zu tun. Nein, so nicht! Trotzdem: Für Sie wäre es doch eine Chance, wenn das Parlament über den Vertrag befinden könnte. Blocher: Die SVP wird nicht zustimmen können. Warum stellen Sie nicht Bedingungen: Die SVP sagt Ja zum Abkommen - unter der Bedingung, dass die Neustrukturierung der Grossbanken an die Hand genommen wird. Blocher: Dass das «Too big - to fail»-Problem gelöst wird, ist für unser Land überlebensnotwendig. So oder so. Tun wir es nicht, kann bei einer neuen Bankenkrise die Schweiz bankrott gehen, wie Island. Es muss beides passieren: Der rechtswidrige Vertrag darf nicht abgesegnet werden, und die Grossbanken UBS und CS brauchen eine Organisationsform, die es verunmöglicht, dass die ganze Volkswirtschaft von deren Existenz abhängig ist. Sie selber halten nach wie vor die Überführung der Grossbanken in eine Holdingstruktur für die beste Lösung? Blocher: Bis jetzt brachte niemand eine bessere. Amerika sucht einen anderen Weg: Obama möchte, dass das Vermögensverwaltungsgeschäft und das Investment-Banking getrennt werden. Und er will das Fremdkapital der Grossbanken besteuern. Das alles ist ernsthaft zu prüfen. Zur Holdingstruktur: Wahrscheinlich würde der Untergang einer Tochtergesellschaft - beispielsweise in den USA - auch die Holding mit in den Ruin reissen, nicht aber die unabhängige Schweizer Gesellschaft. Man könnte die gesunde Schweizer Gesellschaft, von der die Volkswirtschaft abhängig ist, notfalls auch verkaufen. Auf alle Fälle bräuchte der Staat nicht in Aktion zu treten. Die UBS schüttet fürs letzte Jahr angeblich 4 Milliarden Bonus aus. Ihr Kommentar? Blocher: Wir reden keiner Firma bei Löhnen und Boni drein. Doch UBS und CS verfügen ja faktisch über eine Staatsgarantie. Darum muss der Staat leider mitreden. Solange das «Too big -to fail» nicht gelöst ist, sollte der Staat - als Garant im konkreten Fall - verlangen, dass die gewinnabhängigen Boni auf ein Sperrkonto überwiesen und erst nach ein paar Jahren ausbezahlt werden, sofern kein Defizit vorliegt. Die Bonifrage fällt mit der Diskussion über die Abzocker-Initiative zusammen. Die SVP-Nationalräte in der Rechtskommission haben letzte Woche einen ziemlichen Schlenker gemacht. Ist die Partei nun für die Initiative oder für einen Gegenvorschlag? Blocher: Die SVP war und ist für einen indirekten Gegenvorschlag, darum soll das Aktienrecht entsprechend revidiert werden. Es geht insbesondere um Fragen der Aufsicht über den Verwaltungsrat und über die Geschäftsleitung. Zur Debatte steht im Augenblick allerdings ein direkter Gegenvorschlag, nicht ein indirekter. Blocher: Ein direkter Gegenvorschlag ist ein fauler Trick. Mit einem griffigen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesbasis - und man ist mit der Beratung schon im Zweitrat - wird die Problematik unmittelbar angegangen. Gibt es keinen brauchbaren Gegenvorschlag, ist die Abzocker-Initiative zu unterstützen. Themawechsel: Deutschland kauft die geklauten Bankdaten. Was ist zu tun? Blocher: Ich bin erstaunt und enttäuscht. Ich kenne Wolfgang Schäuble. Das entspricht nicht seinem Charakter! Da werden Staaten über Nacht zu Kriminellen. Jetzt beginnt man Diebstahl zu fördern. Man betreibt Hehlerei. Staaten mit leeren Kassen werden gefährlich. Das beweist die Geschichte! Was aber ist zu tun? Blocher: Der Bundesrat muss dies energisch zurückweisen. Die laufenden Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland sind zu sistieren. Mit einem Land, das Diebstahl begünstigt und Hehlerei betreibt, können wir keine solchen Abkommen abschliessen. Und weiter? Blocher: Der Bundesrat hat auch andere Verhandlungen zu sistieren oder abzubrechen. Was das im Detail alles ist, weiss der Bundesrat. Wir sind doch zwei zivilisierten Staaten mit engen Beziehungen. Tönt das alles in allem nicht eher ratlos? Blocher: Möchten Sie, dass ich zum Krieg aufrufe? Dem Finanzplatz Tessin steht das Wasser bis zum Hals, Frankreich und Deutschland machen Ärger. Ist nicht die gesamte bisherige Praxis der Schweizer Banken ein Auslaufmodell? Blocher: Keineswegs. Natürlich müssen die Banken alles tun, damit sie keine Steuerbetrugsgelder annehmen, aber das ist doch selbstverständlich. Wer kriminelle Gelder anlegen will, geht heute sicher nicht in die Schweiz. Aber um Steuerhinterziehung brauchen sich die Schweizer Banken nicht zu kümmern? Blocher: Steuerhinterziehung ist in der Schweiz ein Vergehen. Es ist aber in erster Linie Sache der betroffenen Kunden und ihrer Heimatländer, das zu unterlassen! Hand aufs Herz: Wenn Deutsche Kunden bei Schweizer Banken anlegen, passiert dies doch nicht selten mit der Absicht, Steuern zu hinterziehen. Blocher: Das glaube ich nicht. Es gibt doch viele Gründe, dies bei einer seriösen Schweizer Bank zu tun. Das zeigt sich etwa darin, wie wenig Geld jeweils bei Steueramnestien und Offenlegungsprogrammen im Ausland zum Vorschein kommt. Immerhin gegen 10 000 amerikanische UBS-Kunden haben sich beim US-Fiskus selber angezeigt. Blocher: Wie viel Steuerbetrüger darunter sind, weiss ich nicht. Wie auch immer: In den neuen Doppelbesteuerungsabkommen wird die Unterscheidung zwischen Betrug und Hinterziehung nicht mehr gemacht. Blocher: Für die Ausländer nicht mehr. Das ist bedauernswert. Die SVP wird diese Abkommen nicht genehmigen. Ergreift die Partei dagegen auch das Referendum? Blocher: Das ist noch nicht entschieden. Wir können ja nicht 12 Referenden machen. Vielleicht picken wir ein Abkommen heraus. Was ist eigentlich aus der Idee geworden, das Bankgeheimnis in der Verfassung festzuschreiben? Blocher: Die SVP hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss eingereicht und für den Fall des Scheiterns eine Volksinitiative angekündigt. Nun ist aber die Lega vorgeprescht und hat eine Initiative lanciert, und die Junge SVP ist auf den Zug aufgesprungen. Wenn man schon eine Initiative lanciert, müsste diese breiter angelegt sein. Es sollte dabei um den Schutz der Privatsphäre gehen. Dabei ist das Bankkundengeheimnis nur ein Gebiet. Auf alle Fälle kann die Lega bei der Unterschriftensammlung nicht auf die SVP zählen. Blocher: Wir bekämpfen sie nicht. Aber es ist jetzt eine Initiative der Lega.