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Wirtschaft

19.12.2011

«Ich bleibe nicht sicher im Präsidium»

Interview mit der Sonntagszeitung vom 18. Dezember 2011 von Reza Rafi Herr Blocher, auf manchen Bilder machen Sie nach der Wahl einen deprimierten Eindruck. Wenn man tausend Fotos macht, gibt es sicher eines, auf dem ich nicht lache. Aber bitte reden wir über Substanzielles. Sie hatten keine glückliche Woche – die Schlappe bei der Bundesratswahl und die Kritik an Ihrer Kommunikation um die Besitzverhältnisse bei der «Basler Zeitung». Kritik bin ich mich gewohnt und trotzdem nehme ich sie ernst. Der neue «BaZ»-Besitzer Tito Tettamanti sagt, die Verschwiegenheit sei ein Fehler gewesen. Sehen Sie das auch so? Ja. Er hat vor allem vom Beratungsmandat der Robinvest gesprochen. Er hat auch die Besitzverhältnisse gemeint. Soweit nötig, wurden sie offengelegt. Das ist absurd. Sogar die «Weltwoche» schreibt, Sie hätten die Wahrheit zurecht gebogen. Das Ziel war, den Verlag – es ist nicht nur eine Zeitung – nicht auch noch in einem der Grossverlage versinken zu lassen. Die «Basler Zeitung» ist eine der wenigen Zeitungen, die noch „verlagsunabhängig“ sind. Ich tat alles, was ich konnte, ohne sie selbst zu kaufen. Das wäre ehrlicher gewesen. Dann wäre es erst richtig losgegangen. Es ist ja eine eigentliche Hexenjagd. Es erinnert mich an böse Zeiten.“Kauft nicht bei Blocher.“ Man hätte von einer SVP-Zeitung gesprochen, was ich nicht will. Die Presselandschaft ist besorgniserregend: Staatsfernsehen, Staatsradio, und alle grossen Verlage hängen am Tropf vom Bund. Wo ist die Meinungsfreiheit? Über Strohleute eine Zeitung zu kaufen, ist auch nicht sehr vertrauensbildend. Ich persönlich war finanziell weder direkt noch indirekt beteiligt. Das war – wie eine Zeitung schrieb – „formell richtig, aber gewagt.“ Eine andere nannte dies „schlitzohrig.“ Vielleicht. Ich bedaure, dass dies nötig war. In diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Mit Moritz Suter hatte meine Tochter, die selbständig handelte, eine Option zum Rückkauf, was jetzt geschehen ist. Meine Tochter ist Ökonomin. Dieser Verlag – nicht die Basler-Zeitung – muss saniert werden. Der Erwerb geschah zum Weiterverkauf an die von Herrn Tettamanti kontrollierte MedienVielfaltHolding. Eine gute Lösung. Damit kommt die Zeitung nicht in das Mainstream-Kartell.“ Waren Sie da involviert? Natürlich. Ich habe Herrn Tettamanti gebeten, denn er meint es ernst mit der Medienvielfalt. Er hatte begreiflicherweise etwas Angst. Angst um den notleidenden industriellen Bereich und der hohen Verschuldung. Ich garantierte, dass man dies hinbringe. Haben Sie Marcel Ospel als Gläubiger des 70-Millionen-Darlehens ins Spiel gebracht? Ueber vergangene Details äussere ich mich nicht. Wieso haben Sie nicht von Anfang an gesagt, dass Ihre Tochter die Besitzerin ist? Besitzerin war sie nicht. Sie haben von Journalisten auch schon verlangt, dass sie ihre Abhängigkeit offenlegen sollen. Dann muss doch auch ein grosser Verlag sagen, in wessen Händen er ist. Offenlegung der Parteimitgliedschaft für Journalisten des Staatsfernsehen und Staatsradio habe ich verlangt. Dieses Fernsehen bezahlen ja die Schweizer Bürger. Sie können es nichteinmal abbestellen! Diese Rumeierei schadet Ihnen – die Oeffentlichkeit fühlt sich von Ihnen hinters Licht geführt. Wenn es richtig ist, muss man auch Dinge tun, die einem schaden. In Basel wird heute anerkannt, dass die Basler-Zeitung viel besser geworden ist. Kaum jemand stört heute mehr, dass ich – nicht meine Tochter – gewisse Garantien wegen dem industriellen Teil gegeben habe. Sie haben Herrn Tettamanti eine Garantie abgegeben. Hat es eine solche Versicherung auch je gegenüber anderen Blättern gegeben, etwa bei der «Weltwoche»? Ich habe keinerlei Verpflichtung oder Garantie gegenüber der „Weltwoche.“ Soviel ich weiss, kaufte Herr Köppel die Zeitung - damals mit Millionenverlusten - und hat wieder schwarze Zahlen. Und ist eine freie Zeitung. Uebrigens, was würde dies ändern, wenn er irgend eine Garantie hätte? Wenn Herr Köppel die «Weltwoche» an einen Verlag verkaufen würde, würden Sie sich wehren? Auf jeden Fall sehr bedauern. Vielleicht würde ich mich einsetzen, dass dies nicht passiert! Sonst würden wir wieder eine unabhängige Zeitung verlieren. Zum Glück hat Herr Köppel keine Verkaufsabsichten. Nicht weniger durchsichtig erschien uns Ihre Strategie bei den Bundesratswahlen. Die SVP wollte die 50 Jahre bewährte Konkordanz (2-2-2-1) wieder herstellen. Mit 26,2 % hat sie zwei Sitze zu gut. Darum trat sie an, beim Sitz der 5,4%-Partei. Weil sich mitte-links durchsetzte, war nach dem 2. Wahlgang die Konkordanz gebrochen und die SVP frei. Das sind die Mehrheitsverhältnisse. Vor der Wahl war vor allem von prominenten Absagen wie von Spuhler und Baader die Rede: Sie haben es in den vier Jahren verpasst, überzeugende Kandidaten aufzubauen. In einer aussichtslosen Situation stehen die Kandidaten nicht Schlange. Die SVP präsentierte SVP-Kandidaten, die die andern Parteien früher stets wählen wollten. Herr Walter wurde ja bei früheren Gelegenheiten sogar von den anderen Parteien vorgeschlagen. Auch er war dann chancenlos. Damit ist klar geworden: Auch einen zweiten, sehr konkordanten SVP-Kandidaten will Mitte-links nicht. Trotz allen anderen Bekenntnissen: Man will der SVP keinen zweiten Sitz zugestehen. Trotzdem haben Sie dann die FDP angegriffen – auch zum Ärger vieler SVPler. Als die Konkordanz mit der Wahl von Frau Widmer-Schlumpf gebrochen war, stellte sich die Situation anders dar. Erst nach der Wahl von Herrn Burkhalter. Wer soll das verstehen? Zugegeben, im Ablauf ist ein Fehler passiert. Aber entscheidend war dies nicht. Mit Ihrem Angriff auf Johann Schneider-Ammann haben Sie Ihren traditionellen Bündnispartner FDP brüskiert. Leider ist in vielen Kantonen diese traditionelle „Bündnispartnerschaft“ in die Brüche gegangen. Dadurch haben SVP und FDP unnötigerweise Nationalratssitze eingebüsst. Und leider haben FDP-Vertreter bei der Stimmabgabe für die Bundesratswahl und vor den Wahlen gegen die SVP agiert. Sie haben sich ja aber um Partnerschaften bemüht. Klar! Die FDP steht uns doch näher als die SP! Doch in gewissen Kantonen hat sie geradezu sektiererisch Listenverbindungen und gegenseitige Unterstützung ausgeschlagen. Die FDP als Sekte? Entschuldigen Sie. Wenn man sich so abschliesst, wirkt dies sektenhaft. Die Frage sollte lauten, wie erreichen wir mehr bürgerliche Sitze um Steuern zu senken, die Unabhängigkeit der Schweiz zu verteidigen , um die Probleme in der Ausländerpolitik zu lösen. Wer das vergisst und sagt, Nein - nie mit der SVP - der erweckt den Eindruck einer Sekte. Es gibt Verletzungen in der FDP, gerade in Zürich. Natürlich! Diese gibt es auch bei der SVP.Aber betrachten Sie die Wählerentwicklung seit 1987. Die SVP hat sich von einer 11% Partei auf 26,6 % entwickelt. Die Freisinnigen und die CVP sind auf dem historischen Tief angelangt. Das schmerzt begreiflicherweise. Trotzdem sollten wir uns die Hand reichen. Dennoch, Ihnen schien es mit dem Angriff auf die FDP nicht sehr ernst gewesen zu sein. Sie haben recht, weil hier ein Fehler passiert ist. Wichtig ist, dass unser zweiter Kandidat nicht im Dunkeln an Stelle von Schneider-Ammann gewählt wurde, wie das Mitte-links plante. Dieser SVP-Kandidat wäre dann vier Jahre in „Geisselhaft“ der Linken gestanden. Es war damals meine Stärke, dass ich unabhängig war in der Regierung. Wenn das nicht möglich ist, muss man draussen bleiben. Jetzt ist es klar: Die Konkordanz 2-2-2-1 ist erledigt. Die SVP als grösste Partei ist von der Regierungsverantwortung weitgehend ausgeschlossen. Diese Klarheit hat auch viel Positives. Ein guter Entscheid? Wenigstens hat jetzt klar Mitte-Links die Verantwortung für Entscheide der Regierung. Aufgabe der SVP ist es, diese Regierung zu kontrollieren, zu kritisieren und auf Misstände hinzuweisen – ausserhalb der Regierungsverantwortung bessere Lösungen zu verlangen, notfalls das Volk entscheiden zu lassen. Wenn es die SVP gut macht, erreicht die SVP wahrscheinlich mehr, als wenn sie mit einem konkordanten Kandidaten in der Regierung „eingebunden“ ist. Das tönt verbittert. Sie wissen, dass Sie jetzt jenen Stimmen Auftrieb geben, die behaupten, Sie hätten gar nie ernsthaft einen zweiten Sitz gewollt, um jetzt offiziell Opposition machen zu können. Damit muss man leben. Ist der vollständige Rückzug aus dem Bundesrat immer noch ein Thema? Zu prüfen ist im Hinblick auf den Parteitag vom 28. Januar alles. Wollen Sie Ueli Maurer zurückziehen? Ich persönlich bin der Meinung, dass Ueli Maurer im Bundesrat bleiben soll. Er ist ein guter Bundesrat. Er hat in drei Jahren im VBS Entscheidendes verbessert. Das darf man jetzt nicht einfach aufgeben und jemandem überlassen, der alles wieder zerstört. Wie wollen Sie denn Opposition machen? Sie haben mit Ihren Initiativen doch das Pulver verschossen. Wie gesagt, die SVP wird eine konstruktive Regierungskontrolle installieren müssen. Die Probleme und das Versagen der Regierung liegen ja vor unserer Tür. Wir haben doch unglaubliche Missstände im Asylwesen. Denken Sie an die Personenfreizügigkeit, an die Preisgabe der Souveränität, an die dauernde Freiheitseinschränkung etc. etc. Auch Initiativen sind wichtig. Das haben Sie schon bisher gemacht. Ja, aber mit gezogener Handbremse. Jetzt ist die SVP durch Beschluss der Bundesversammlung frei von allen Einschränkungen. Wir haben ein grosses Potential. Die Wahrheit zu sagen, ist für die Inhaber von Macht oft gefährlich aber nötig. Wissen Sie warum die SVP so verhasst ist? Weil sie recht hat. Schauen sie doch einmal in die EU. Noch einmal: Was soll sich in der Partei konkret ändern? Wir müssen unsere Partei den neuen Bedingungen und dem neuen Auftrag, die Regierungstätigkeit zu kontrollieren, anpassen. Auf den Mai 2012 hin, wo die Organe neu bestellt werden, muss man auch die Organisation und die Führung neu überprüfen. Bereits kritisieren einige ihre Führungsrolle und das Präsidium. Ja und? Ist denn Kritik verboten? Darum diskutieren wir ja das. Im Unterschied zu früher finden wir sie heute. Herr Ogi und Herr Weyeneth verlangen ihren Rückzug, Ständerat Kuprecht stellt Sie und Herrn Brunner in Frage. Nach wochenlangem Suchen, haben Sie die Kritiker anscheinend gefunden. Ich freue mich, wenn sich jemand als Kopf der Zukunft sieht. Dann soll er doch aufstehen und eine Führungsrolle beanspruchen. Gute Führungskräfte, die Zeit und Ansehen für die Parteipolitik opfern, sind gefragt. Auch parteiinterne Auseinandersetzung ist willkommen. Obwohl Sie in Frage gestellt werden. Natürlich! Die parteiinterne Diskussion ist in den letzten Jahren etwas eingeschlafen. Die SVP hatte viel Erfolg und hat auch deshalb erfolgsverwöhnte Köpfe, die ohne Aufwand nach oben gekommen sind. Vor zwanzig Jahren musste sich dies jeder selbst erkämpfen. Früher hatten wir nächtelange Streitereien über den richtigen Kurs. Jetzt, wo die Partei erstmals wieder etwas Stimmen verloren hat, kommt dies wieder. Leider findet dies intern zu wenig statt. Viele haben offenbar Angst. Vor wem? Angst vor Ihnen. Angst vor was denn? Wohl davor, keine guten Argumente zu haben. Ich habe gehört, Ständerat Jenny hätte gesagt, es wäre gut, wenn in der Parteileitung jemand mir die Stirne bietet. Das finde ich auch. Besonders Ihre Berner Kollegen fordern auch eine Zusammenarbeit mit der BDP. Dann sollen sie das prüfen und nicht fordern. Die BDP ist heute ein Wahlunterstützungsverein, inhaltlich lag sie – mindestens bei der Gründung – meilenweit weg von der SVP! Sie waren stets für die aussenpolitische Oeffnung , damals für den EWR und später für die EU. Sowohl die BDP-Bundesrätin als auch ihre Exponenten standen nie auf solidem Boden der SVP. Wünschen Sie sich mehr Leute in der Partei, die Ihnen entgegentreten? Natürlich! Aber mit Substanz, nicht billig. Ich bin für Auseinandersetzung. Harmonisch, um nicht streiten zu müssen, ist feige. Das ist wie in der Ehe. Warum wollen alle harmonische Ehen? Weil man sich dann nicht mit dem Partner streiten muss. Wir brauchen Leute mit Gegenmeinungen. Nur das bringt fundierte Positionen. Oft ist man doch seiner Sache auch nicht ganz sicher. Sie kokettieren. Ich bilde mir eine Meinung, und versuche diese durchzusetzen. Ich suche aber stets gegenteilige Meinungen. Nur Leute, die keine haben, sind mir zuwider. Ihre Stellung hängt auch damit zusammen, dass Sie die Partei massgeblich finanzieren. Der Partei selber gebe ich nie Geld. Ich will nicht, dass die Partei von mir abhängig ist. Bei Abstimmungskämpfen helfe ich bei der Finanzierung. Bei der EWR-Abstimmung habe ich Millionen bezahlt. So viel ist mir die Schweiz wert. Sie geben zu, dass Sie ein Gewicht in der Partei haben, sagen aber zugleich, dass die SVP auch ohne Sie leben kann. Widersprüchlicher geht’s nicht. Gute Organisationen laufen weiter, auch wenn Leute mit Gewicht verschwinden. Wie sieht denn das bei anderen Parteien aus? Die haben keinen Blocher. Also! Und die leben ja auch. Nicht mit 26 Prozent Wähleranteil. Heute sind wir breit aufgestellt. Wenn die SVP ihren Pfad nicht verlässt, wird sie auch in Zukunft für die Schweiz erfolgreich sein. Sehen Sie: Auch bei EMS sagte man stets: Wenn er geht, bricht alles zusammen. Doch 2003 übernahm unsere Tochter Magdalena, über Nacht. Es geht weiter aufwärts. Meine Tochter machts noch besser! In der Wirtschaft haben Sie das gemacht, was Sie in der Partei verpasst haben: Sie haben die Nachfolge geregelt. Ich habe politisch nicht meine Nachfolge zu regeln, es tut mir leid. Im Gegensatz zur Firma gehört die Partei mir nicht. Aber Sie dominieren die Partei derart stark, dass niemand da ist, der sich als Bundesratskandidat profilieren kann. Haben Sie noch weitere Ausreden? Natürlich ist die Dominanz auch ein Problem. Aber jeder, der eine andere Meinung hat, ist willkommen! Aber er darf Widerspruch nicht fürchten. Darum habe ich vorgeschlagen, am Dienstag, der 3. Woche eine Aussprache durchzuführen. Da hat doch jeder eine andere Meinung. Wann haben Sie das letzte mal Ihre Meinung geändert, weil jemand aus der Partei Sie überzeugt hat? (denkt lange nach…) Bewusst kann ich Ihnen dies nicht sagen, aber die Diskussion in der Partei und Parteileitung haben mich sicher beeinflusst. Soll Bruno Zuppiger im Nationalrat bleiben? Das muss man Herrn Zuppiger und der Zürcher Partei überlassen. In bezug auf den Bundesrat hat Herr Zuppiger sofort die Konsequenzen gezogen. Hätten wir vor der Nominierung den Sachverhalt gekannt, wäre es nicht zu einer Nomination gekommen. Hat Herr Zuppiger Sie angelogen? Es war eine andere Darstellung. Und wir mussten anfänglich aufgrund falscher Tatsachen entscheiden. Jetzt geben Sie sich sehr generös. Bei den Bundesanwälten Roschacher und Beyeler hat Ihre Partei aus jeder Lüge eine Pressekonferenz gemacht, hatte man den Eindruck. Das ist übertrieben. Aber beide haben ihre Amtspflichten schwer verletzt. Als Verantwortlicher musste ich damals einschreiten! Im Mai wird das SVP-Vizepräsidium erneuert. Bleiben Sie sicher? Nein, auch das ist durch die Partei zu prüfen und ich prüfe dies für mich. Erst müssen wir schauen, was ist die richtigeOrganisation? Die heutige Führungsstruktur haben wir in schwieriger Zeit nach meiner Abwahl gestaltet. Ob sie auch für die Zukunft zweckmässig ist, das wird sich weisen. Eine letzte Frage: Sie sind ins Parlament zurückgekehrt, Sie führen die Opposition, Sie kämpfen für die Unabhängigkeit einer Zeitung – warum tun Sie sich das alles noch an? Ich bin ein freier Mensch. „Die Freiheit besteht darin, das zu tun, was man muss.“ Das haben Sie von Ihrem Bruder Gerhard, der hat das auch mal gesagt. Er hat es wahrscheinlich vom gleichen Ort, nämlich aus den Schriften von Karl Barth.

18.12.2011

Zu den Bundesratswahlen

Interview mit dem Sonntags-Blick vom 18. Dezember 2011 mit Herr P. Hossli Wer den Verlierer nach der Niederlage trifft, erwartet eine gebrochene Figur. Dazu Einsicht, vielleicht Demut – und den Willen, eigene Fehler einzugestehen. Eine Erwartung, die sich im dritten Stock des Bundeshauses rasch zerschlägt. Höchst agil und selbstsicher begrüsst SVP-Nationalrat Christoph Blocher Reporter und Fotograf, lädt zum Espresso aus dem Plastikbecher ins helle Sitzungszimmer der SVP. An den Wänden hängen alte Wahlplakate, im Regal stehen Bierdosen. Blocher, seit Oktober 71, strotzt vor Energie, wirkt überdreht, aufgekratzt, grinst mehr als sonst. Ein Abgang, wie ihn Parteigänger verlangen, wie ihn alt Bundesrat Adolf Ogi im «Tages-Anzeiger» fordert, lässt ihn kalt. «Meinen Gegner würde es gefallen, wenn ich ginge. Nichts Neues unter der Sonne.» Blocher ist der Verlierer, der sich zum Sieger redet. Nichts ändern daran die Verluste. Verfehlt hat die SVP das Ziel, bei den Wahlen 30 Prozent zu holen. «Es ist bedauerlich, wenn man ein zu hoch gestecktes Ziel nicht erreicht, aber keine Katastrophe.» Er gesteht: «Wir hätten das Ziel nicht bekannt geben sollen.» – «Die SVP hat 20 Jahre nur gewonnen, aber jetzt 2,3 Prozente verloren, weil mit der GLP und der BDP zwei neue Parteien entstanden sind.» Der Sturm aufs Stöckli scheiterte. «Das war weder unsere Wortschöpfung noch unser Ziel», sagt er. Spricht mit den Händen, wie stets, wirkt gelangweilt, wenn eine Frage ihn langweilt, blüht auf, wenn eine andere provoziert. Statt über Verantwortung für eigene Verluste zu reden, rechnet er den anderen die Verluste vor. «Ueber unsere Verluste reden wir intern und analysieren. Uebrigens keine einzige Bundesratspartei hat ihr Ziel erreicht. Wenn neue Parteien kommen, verlieren die traditionellen Parteien. Die FDP und die CVP sind auf dem historischen Tiefstand. Die SP auf dem zweitschlechtesten Ergebnis und die SVP auf dem Drittbesten.» Die missglückte Bundesratswahlen? War «eine Heuchelei». Schuld am Debakel sind andere. «Es kam wie erwartet, die Mitte-Links-Mehrheit will die grösste Partei - die SVP - nicht im Bundesrat.» – «Wir hätten den Kaiser von China bringen können, die anderen hätten uns den zweiten Sitz nicht gegeben.» Blocher triumphiert beim Scheitern. Sieht sich als einer, der Übles entlarvt. «Bis anhin haben uns die Gegner vorgeworfen, wir hätten keine konkordanten Figuren. Jetzt haben wir Kandidaten von den Gegnern geradezu auswählen lassen. Gewählt haben sie diese trotzdem nicht. Das entwürdigende Spiel wurde offen gelegt. Das führt zur Politikverdrossenheit.» Nicht sein Spiel war unwürdig, sondern das der anderen. Warum hat er Mühe, Fehler zuzugeben? «Fehleranalysen machen wir dauernd, aber nicht für die Journalisten.» Verstrichen ist eine kurze Woche, sind zwei kurze Monate, in denen Blocher den Nimbus des Unschlagbaren verloren hat. Er winkt ab. «Dieser Nimbus ist mir neu, ich habe ihn nie gehabt. Haben ihn andere, ist es wichtig, dass dieser Nimbus verloren geht. Ein Nimbus ist nie gut.» Er redet die Revolte der Jungen bei der SVP klein. «Es geht vor allem um die Kommunikation.» Zur Kritik von anderen Ständeräten: «Wenn ich sie jeweils persönlich frage, sagen sie mir stets, so hätten sie das nicht gesagt.» Am Zwist um den künftigen Kurs findet er gefallen. «Bravo, endlich streitet die SVP wieder. Es ging bei der SVP zwanzig Jahre nur aufwärts, viele haben sich zurückgelehnt und sind im Schlafwagen nach Bern gefahren. Das ist jetzt fertig, dieser Rückschlag ist heilsam.» Nächste Woche spricht sich die Fraktion aus. Fliegen Fetzen, findet Blocher das gut. «Wissen Sie, der Streit sollte Normalzustand sein. Er führt zu Lösungen.» Das gilt im Rat, im Beruf – und den eigen vier Wänden. «Meine Frau ist meine stärkste Kritikerin», sagt Blocher über Gattin Silvia. «Das sind die Frauen ja immer. Wir heiraten sie, weil wir ihre Kritik brauchen.» – fügt er lachend bei. «Wir haben keine harmonische Ehe. Bei einer harmonischen Ehe sind die Leute zu faul, um sich auseinanderzusetzen.» Seine Frau sei «unglücklich», dass er weiter politisiere. «Sie leidet mit, wenn es ungerecht zugeht, aber sie sieht die Notwendigkeit, dass ich es mache.» Was treibt ihn denn noch an? «Warum ich es mache? Das weiss ich nicht.» Sicher ist – er fühlt sich berufen. «Politisch treibt mich seit Jahren dasselbe an: Die Schweiz hat institutionell eine sehr gute Ordnung, darum muss sie verteidigt werden. Aber – wie das Churchill über die Demokratie gesagt hat – es ist die am wenigsten schlechte. Jetzt will man sie zerstören, – dem will ich helfen, einen Riegel zu schieben.» – «Was wäre denn die Alternative? Zu Hause sitzen? Kaffee trinken? Lesen? Ich täte dies mit Freude. Aber ich hätte das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein, ein "trauriger Chaib," dass ich mich dem unapetitlichen Politikbetrieb entziehe und die andern die Arbeit machen lasse.» Statt dessen trimmt er die Partei auf Widerstand. «Das ist anspruchsvoll, daran muss sich die Partei zuerst gewöhnen.» Das ist neu. «Bei den Bundesratswahlen hat z. Bsp. der SVP-Kandidat gegen einen SP-Kandidaten verloren – und gleichwohl sind einige unserer Leute aufgestanden und haben dem Gegner applaudiert. Aus Gewohnheit!» Einer war Bruno Zuppiger, der bei der Wahl von Alain Berset aufstand und applaudierte. Ein Moment von persönlicher Demut eines Nationalrats, der sehr schnell sehr tief abstürzte. «Demut? Dass ein Sozialist die Wahlen gewinnt!» Nein, Gutmenschen mag Blocher nicht. Es sei das Gegenteil von gut. Grösse gegenüber dem Sieger gehört in der Schweiz zum guten Ton. Für Blocher höchstens beim Sport oder im Spiel. «Der Applaus zeigt, dass die Bundesratwahlen ein Spiel sind.» Ein Spiel, bei dem das Parlament SVP-Mann Ueli Maurer wieder gewählt hatte. Wie lange ist Maurer noch Bundesrat? «Sicher noch vier Jahre.» Warum betreibt die SVP nicht echte Opposition und zieht Maurer zurück? Darüber befinde die Partei Ende Januar. Geht es nach Blocher, soll Maurer im Bundesrat bleiben. «Er legt die Fehlentwicklungen innerhalb der Regierung offen. Die SVP kontrolliert die Regierung von aussen.» Endlich werde es möglich, die Arbeit der Bundesräte zu kritisieren, ohne Rücksicht auf den Filz. «Das konnten wir als Regierungspartei kaum tun», sagt Blocher – und greift an. «Bundesrätin Widmer-Schlumpf und Frau Sommaruga haben die Unordnung im Asylwesen herbeigeführt. Das ist offen zu legen.» «Didier Burkhalter hat bei der Sanierung der IV bereits nachgelassen – da hält die SVP den Finger drauf.» «Frau Leuthard muss endlich zeigen, wie nach dem Atomausstieg eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten ist.» Freut er sich auf die Opposition? «Der Aufgabe sehe ich mit Demut entgegen, ich frage mich, ob wir alle dem gewachsen sind.» Nicht nur wegen den Bundesratswahlen hagelte es letzte Woche Kritik. Es ging um seine Tochter Rahel, die unverkannt hinter der «Basler Zeitung» stand, um seine Garantie für allfällige Verluste beim Basler Konzern. Um die Vielfalt der Medien gehe es ihm, sagt Blocher. "Um die Meinungsvielfalt." Warum hat er bei der «Basler Zeitung» nicht die Wahrheit gesagt? «Ich habe bei der BaZ nichts Unwahres gesagt. Aber nicht alles offengelegt» "Was soll denn hier so schlimm sein?"v Verschleiert deutet er einen Wechsel an der Spitze der SVP an. „Niemand in der Parteileitung hängt an seinem Posten.“ «Wir sind um jeden froh, der nachkommt und es besser macht.» – «Wir mussten Toni Brunner - der beste Parteipräsident - ja fast ins Amt prügeln.» Bleibt Brunner? «Ich gehe davon aus und hoffe es.» Wut und Verletzung leiten Blocher, heisst es seit Jahren. «Er ist immer noch verletzt wegen seiner Abwahl aus dem Bundesrat», sagte Ogi dem Westschweizer Magazin «L’illustré». Doch Blocher weist dies lachend zurück! Das Gefühl bleibt bestehen, Rachegelüste hätten ihn zu Fehlern verleitet. «Wer hat dieses Gefühl?», fragt Blocher. «Ich.» – «Das ist ein schlechtes Gefühl, lassen Sie sich von Ihrem Intellekt leiten und nicht von Gefühlen in die Irre führen.» «Ich habe weder Rache noch Wut, meine Gedanken und Gefühle sind an einem ganz anderen Ort.» «Wir kritisieren Frau Widmer-Schlumpf für die unverantwortliche Arbeit im Asylwesen, nicht aus Rache, sondern weil dies uns wieder bald 20'000 Zuwanderer bringt. Der überwiegende Teil sind Arbeitssuchende und Kriminelle. Nicht Flüchtlinge! Dafür sind Frau Widmer-Schlumpf und jetzt Frau Sommaruga verantwortlich. Dasselbe gilt für die schlechten Verhandlungen mit den USA. - All das haben wir zu wenig kritisiert, weil wir in die Regierung eingebunden waren. Jetzt müssen wir dies tun.» Zuletzt bedauert er das Ende der Zauberformel. «Sie war ein Garant für schwierige Zeiten.» Er hält inne. «Die kommen jetzt. Wann endlich rüstet sich die Schweiz? »

17.12.2011

Wer Erfolg haben will, muss einstecken können

Interview mit Luzi Bernet über Alfred Escher und zwei Zeitgenossen erschienen in der NZZ vom 17.12.2011 Link zum Artikel

16.12.2011

Über die Bundesratswahlen und die Basler Zeitung

Interview mit den Schaffhauser Nachrichten vom 16. Dezember 2011 mit Norbert Neininger Herr Blocher, nun ging gestern gar nichts nach Wunsch: Die SVP hat nach wie vor nur einen Sitz. Christoph Blocher: Ja. Vor allem aber wurde jetzt Klarheit geschaffen. Es ist nun offensichtlich, die andern Parteien wollen der SVP - der wählerstärksten Partei - keinen zweiten Sitz zugestehen. Das kann man zwar tun. Aber indem man von Konkordanz schwafelt und verkündet, man wolle der SVP zwei Sitze zugestehen, zeigt erneut das unappetitliche heuchlerische Spiel bei Bundesratswahlen. Hatten Sie denn einen anderen Ausgang erwartet? Blocher: Nein, es hat sich in den letzten Tagen abgezeichnet, dass es so kommen wird, wie es kam. Die ersten Kommentatoren werfen Ihnen vor, Ihre Strategie habe versagt. Gibt es Anlass zur Selbstkritik? Blocher: Bis auf eine Kleinigkeit, hat sich Herr C. Baader nichts vorzuwerfen. Und das war was? Blocher: Konsequenterweise hätten wir entweder nur gegen die SP oder dann gegen beide SP- und FDP-Sitze antreten müssen. Doch das Resultat wäre unverändert gewesen. Sehr glücklich war der Kandidatenwechsel von Zuppiger zu Walter aber nicht ... Blocher: Das ist ein sehr bedauerlicher Unglücksfall. Die SVP hat schnell und konsequent gehandelt, als wir feststellen mussten, dass Herr Zuppiger nicht mehr als Kandidat in Frage kommt und seine Kandidatur zurückzog. Waren Sie da zu vertrauensselig? Blocher: Vielleicht. Hätten wir den wahren Sachverhalt gewusst, wäre Herr Zuppiger nie vorgeschlagen worden. Doch das ist erledigt. Aber es ging ja gar nicht darum: Es spielte – wie man jetzt sieht – gar keine Rolle, mit wem wir angetreten sind. Wir haben ja Leute nominiert, die von unseren Gegnern geradezu ausgewählt worden waren. Sowohl Herr Zuppiger wie Herr Walter wollten unsere Gegner stets im Bundesrat. War denn die Nomination von Herrn Zuppiger keine Panne? Blocher: Natürlich ist das eine Panne. Darum ist er unverzüglich zurückgetreten, nachdem wir den wahren Sachverhalt erfahren haben. Die SP, die CVP und auch die Grünliberalen haben erklärt, der Kandidatenwechsel hätte sie geradezu gezwungen, den ursprünglichen Plan zu ändern. Blocher: Das sind Ausreden. Man wollte die SVP nicht im Bundesrat. Darum hat man weder Jean-François Rime noch Hansjörg Walter gewählt, nur darum. Einen konkordanteren Kandidaten als Herrn Walter gibt es ja nun wirklich nicht. Wenn man den nicht wählt, wählt man keinen. Was sind jetzt die Konsequenzen? Wird die SVP auch Herrn Maurer dazu veranlassen, den Bundesrat zu verlassen? Blocher: Herr Maurer hat heute gesagt, dass diese Wahl und die Zusammensetzung des Bundesrates schlecht für das Land seien. Und auch schlecht für ihn, der weiter einsam in der Regierung sitzt. Und trotzdem: Ueli Maurer wird bleiben, wenn die Partei dies nicht anders verlangt! Noch einmal: Geht die SVP in die Opposition? Blocher: Wir müssen nicht mehr gehen wir sind es. Man hat uns nicht die volle Regierungsverantwortung übertragen. Welche Konsequenzen wir daraus ziehen, entscheiden wir am Parteitag am 28. Januar 2012. Aber eines ist klar, jetzt sind wir verpflichtet, die Regierung zu kontrollieren, zu kritisieren, Missstände aufzudecken und auch aufzuzeigen, was man wie besser machen könnte. Wir haben den Auftrag zur konstruktiven Regierungskontrolle. Möglich wäre auch, dass Herr Maurer den Bundesrat verlässt? Blocher: Herr Maurer ist ein ausgezeichneter Bundesrat. Ich glaube nicht, dass dies nötig sein wird. Auch das entscheiden wir am 28. Januar 2012. Es wird klar, dass Sie persönlich den Weg in die Totalopposition bevorzugen. Blocher: Nein. Aber was heisst das? Wir sind ja nach wie vor in den Gemeinden und Kantonen eingebunden. Eine Totalopposition kann und soll es also gar nicht geben. Aber ich werde opponieren, wenn die Ausländer- und Asylpolitik aus dem Ruder läuft. Andere werden es auch tun. Ob die ganze Fraktion oder Partei dies auch tut, werden wir sehen. Was werfen Sie dem Bundesrat denn inhaltlich vor? Blocher: Dass er beispielsweise die Katastrophe im Asylwesen schönredet, statt diese aufzudecken. Frau Sommaruga, löst die Asylprobleme nicht, sondern verwaltet sie. 95 Prozent der Asylanten aus Afrika sind Kriminelle oder Wirtschaftsflüchtlinge. Italien nimmt sie gemäss Dublin-Vetrag praktisch kaum zurück. Sie sollten sofort die Südgrenze - entgegen Schengen - kontrollieren oder schliessen. Wenn es so weitergeht, gibt es unlösbare Probleme. Das muss verhindert werden. Weil wir nicht mehr in der vollen Regierungsverantwortung sind, können wir das besser tun, als wenn man mit der Regierung unter einer Decke steckt. Warum haben Sie eigentlich den FDP-Sitz attackiert, obwohl Sie das zuvor ausgeschlossen hatten? Blocher: Weil die Konkordanz gebrochen war: Zudem gab es ja auch mindestens ein halbes Dutzend FDP-Mitglieder, die sich nicht an die Abmachung gehalten haben. Wie damals bei meiner Abwahl sind sie mitverantwortlich. Am Montag hat die FDP auch gegenüber der SVP erklärt, dass sie im 7. Wahlgang gegen die SP nicht die SVP unterstützen werde. Themenwechsel, reden wir von der «Basler Zeitung» und dem Vorwurf, Sie hätten über Ihren Einfluss dort gelogen. Blocher: Das behaupten die Journalisten jener Verlage, die sich die «Basler Zeitung» einverleiben wollen. Aber die Aeusserung, meine Aussagen seien formell korrekt gewesen, aber inhaltlich gewagt, ist nicht ganz falsch. Warum haben Sie denn nicht klipp und klar gesagt, dass Sie die Macht in Basel hatten? Blocher: Weil das nicht so war, die Macht hatte der Mehrheitsaktionär Moritz Suter, solange er die Aktien besass. Aber - meine jüngste Tochter hat die Aktien kurzfristig übernommen, weil eine solche Option bestand. Sie tat dies, um sie an die Medien-Vielfalt-Holding von Herr Tettamanti zu verkaufen. Diese wird dafür sorgen, dass der Monopolisierung der Medienlandschaft Einhalt geboten wird. Es bleibt dabei: Sie haben den Eindruck genährt, dass Sie nichts mit der «Basler Zeitung» zu tun hätten. Blocher: Nicht ich, sondern meine Tochter Rahel war mit ihrem Geld involviert. Natürlich hat weder sie noch ich dies veröffentlicht, aber auch nicht bestritten. Meine Tochter ist nun nicht mehr dabei, aber ich werde den neuen Besitzern für Basel eine gewisse Garantie leisten, dass sie mit dem industriellen Teil keinen Verlust erleiden werden. Doch jetzt hat die BaZ mit Filippo Leutenegger einen tüchtigen Sanierer als Präsidenten. Entscheidend ist doch, dass die «Basler Zeitung» und später auch weitere nicht auch noch in die Hände der Grossverlage fallen. Das helfe ich zu verhindern. Wird sich denn diese Holding an weiteren Medienunternehmen beteiligen? Blocher: Das müssen Sie Herr Tettamanti fragen. Ich glaube schon. Sie will die Medienvielfalt. Wir haben ja bereits geradezu nordkoreanische Verhältnisse: Vor den Wahlen einheitlich durch Staatsfernsehen und Staatsradios die Asyl- und Freizügig-keitsprobleme beschönigen und erst nach den Wahlen die Realität zeigen! Es gibt nur wenige Ausnahmen; Zu denen gehören die «Basler Zeitung», die «Weltwoche» und auch die «Schaffhauser Nachrichten». Aber die «Schaffhauser Nachrichten» brauchen ja glücklicherweise niemanden, der ihnen hilft. Wird denn nun die «Basler Zeitung» zum SVP-Blatt? Blocher: Lesen Sie sie doch, dann sehen Sie, dass es eine offene Zeitung ist, die enorm an Qualität gewonnen hat. Und die auch linke Autoren publiziert, selbstverständlich. Sobald Sie sich bei Medien engagieren, gibt es massive Widerstände. Können Sie sich das erklären? Blocher: Erklären? Ich bin es gewohnt. Das ist halt einfach so, und dies hat mich auch – der Sache und den Mitarbeitern zuliebe – in Basel dazu veranlasst, mich offiziell aus dem Spiel zu nehmen.

10.12.2011

Konkordanz oder Opposition? Die SVP und die Landesregierung

Ansprache von a. Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Delegiertenversammlung vom 10. Dezember 2011 in der Kaserne von Chamblon (VD) Herr Präsident Herr Bundesrat chers amis de la Suisse romande cari amici della Svizzera italiana meine Damen und Herren In vier Tagen wird unsere Landesregierung neu gewählt. Die Frage lautet: Gilt die Konkordanz oder soll eine Koalition von Gleichgesinnten regieren? I. Die SVP und die Konkordanz In der Konkordanz regieren mehrere Parteien zusammen - sinnvollerweise die grössten. Nicht weil sie gleicher, sondern obwohl sie verschiedener Meinung sind. Sie haben nur etwas gemeinsam: Sie sind die Wählerstärksten. Für die Landesregierung hiess dies bisher: Die drei grössten Parteien sind mit je zwei Sitzen, und die kleinste Partei mit einem Sitz in der Regierung vertreten. Das galt zumindest solange, als die SVP die kleinste Partei war. Nachher waren der Ausreden viele, um die SVP ganz oder teilweise aus der Regierung auszuschliessen. Sie predigten Wasser und tranken Wein! II. Am 14. Dezember 2011 geht es um die Konkordanz Die Konkordanz garantiert eine gewisse Stabilität. Darum hat sich die SVP stets vorbehaltlos hinter die Konkordanz gestellt. Mit der „Zauberformel“ – 2:2:2:1 – sind etwa 75 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Bundesrat vertreten. Das ist anspruchsvoll: Jeder Bundesrat trägt die Grundsätze seiner Partei und ihrer Wähler ins Regierungsgremium. Hier treffen die verschiedenen Ansichten aufeinander. Und hier muss nun ein tragfähiger Kompromiss erstritten, erkämpft und erlitten werden. Was heisst das für die SVP? Erstens hat man den Gegner ernst zu nehmen, indem man sich mit ihm streitet. Es ist kein billiges Anbiedern. Die SVP setzt sich auch in der Regierung ein für Freiheit, für eine unabhängige Schweiz, für die Volksrechte, die dauernd bewaffnete Neutralität und die Sicherung der Wohlfahrt. Sie muss auch bereit sein, sogar mit einer SP notfalls einen Kompromiss einzugehen. Die Konkordanz verlangt, dass die SVP notabene mit einer SP regiert, die in ihrem neuesten Programm genau das Gegenteil von der SVP darstellt. Die SP strebt eine in die EU eingebundene Schweiz an, sie tritt ein für die Abschaffung der Landesverteidigung und für die Überwindung des Kapitalismus – d.h. für den real existierenden Sozialismus. Die SVP weiss, dass in der Geschichte Wirtschaftstotenstille, Hunger, Elend, Massenelend, Blutvergiessen und Millionen von Ermordeten, Verdrängten und Vertriebenen zur Diktatur geführt haben. Nein, wir regieren nicht mit der SP, weil uns dieses Programm begeistern könnte. Aber wir akzeptieren die SP, die mit 18,5 Prozent Wähleranteil die zweitgrösste Partei ist, und daher zwei Sitze zu gut hat. Allerdings kann diese Bereitschaft der SVP nur dann gelten, wenn auch die SP bereit ist, der SVP – der mit 26,6 Prozent grössten Partei – zwei Sitze zuzugestehen. In der Konkordanz müssen alle involvierten Parteien diese mittragen – und zwar nicht nur verbal. Darum, meine Damen und Herren, gilt: Am 14. Dezember 2011 geht es um die Konkordanz. Wird der SVP der zweite Sitz zugunsten der 5,4-Prozent-Partei BDP verweigert, ist die Konkordanz gebrochen. Dies hat unabsehbare Folgen. III. Wo steht die SVP? Die Entscheidung fällt in der Wahl um den zweiten Bundesratssitz. Eine Vertreterin einer 5,4-Prozent-Partei hat keinen Platz in der Konkordanz. Wird die SVP als stärkste Partei in ihrem Anspruch auf einen zweiten Sitz nicht berücksichtigt, ist DIE KONKORDANZ GEBROCHEN! Dann gelten dann sofort keine Regeln und Abmachungen mehr. 26,6 Prozent der Wähler haben SVP gewählt, mehr als ein Viertel. Die SVP ist mit dem drittbesten Resultat in ihrer 92-jährigen Geschichte aus den Wahlen hervorgegangen! Die Partei hat erstmals 1919 an den eidgenössischen Wahlen teilgenommen. Das Jahr 1919 war auch das erste Jahr der Proporzwahlen. 2011 hat die SP mit dem zweitschlechtesten Resultat in ihrer Geschichte abgeschlossen! Und die CVP und FDP liegen auf dem historischen Tiefpunkt! Meine Damen und Herren, wer ist hier die Verliererpartei? IV. Der Auftrag der SVP Die SVP hat vor den Wahlen dem Schweizervolk ein klares Programm und einen Vertrag mit dem Volk vorgelegt – 26,6 Prozent der Wähler haben sich dafür ausgesprochen und damit der SVP einen klaren Auftrag erteilt. Am Anfang der Bundesverfassung steht geschrieben: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes.“ Meine Damen und Herren: Freiheit Volksrechte Unabhängigkeit Sicherheit Genau dies ist das Parteiprogramm der SVP! Die Verwirklichung dieser Ziele ist für die Schweiz existenziell. Schauen Sie hinaus in die Welt! Die Schuldenpolitik ist das Resultat globalen Grössenwahns. Es ist eine Politik ohne die Grundsäulen Freiheit, Volksrechte, Unabhängigkeit, Sicherheit! Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg! Es drohen Unsicherheit und Wirtschaftniedergang mit Arbeitslosigkeit! Es gilt, diesen Gefahren entschlossen entgegenzuwirken. Es gilt, die bewährten Grundsäulen unseres Landes nicht zu verlassen. Bürger und Wirtschaft sind zu stärken. Ist es da sinnvoll, die grösste Partei aus der Regierung auszuschliessen? V. Tadel als grösstes Lob Es mag Leute unter Ihnen geben, die unter all den schadenfreudigen Meldungen und Falschmeldungen der Monopolmedien Fernsehen und Radio, sowie der Main-stream-Medien leiden. Doch, meine Damen und Herren, gönnen Sie doch unseren Gegnern die Schadenfreude, dass die SVP nach 20-jährigem Dauererfolg am 23. Oktober 2011 etwas zurückgefallen ist. Wer kann denn ein Lob erwarten von all denen, die sich schon lange von der Schweiz verabschiedet haben? Von all jenen, die uns Richtung EU treiben, die dem Druck aus der EU und den USA leichtfertig nachgeben, die die Schweizer Wirtschaft verregulieren und zu Tode verbürokratisieren, die die Stromversorgung unterbrechen, bevor sie neue Energiequellen haben, die die verheerenden Auswirkungen der Personenfreizügigkeit und von Schengen nicht sehen, die das Asylunwesen nicht beseitigen, sondern verwalten und pflegen, die ein Finanzgebaren an den Tag legen, das die Schweiz zum Schuldenstaat macht? Sollten wir von diesen Kreisen Lob erhalten? Nein, meine Damen und Herren: Der Tadel unserer Gegner ist gleichzeitig unser grösstes Lob! Deshalb können wir freudig und selbstbewusst in die Zukunft schreiten! Egal, ob die SVP in der Regierung als vollwertiger Partner vertreten ist oder ausserhalb der Regierung steht: Sie wird sich auf jeden Fall für die Schweiz einsetzen.