Eine unbeschränkte Handlungsfreiheit der Nationalbank steht ausser Frage

Interview in der «BaZ» vom 24. Januar mit Philipp Loser und Markus Somm

BaZ: Herr Blocher, in Ihrer Albisgüetli-Rede haben Sie die Nationalbank frontal angegriffen. Sie fordern eine strengere Aufsicht und mehr Regeln. Warum wollen Sie mit der SVP die politische Unabhängigkeit der Nationalbank beschneiden?

Christoph Blocher: Die Geldpolitik der Nationalbank muss unabhängig bleiben. Hingegen darf es bei Spekulations- und anderen auftragsfremden Tätigkeiten keine unbeschränkte Handlungsfreiheit geben. Die Nationalbank hat – bei hohen Kursen – spekulativ 240 Milliarden ausländische Devisen gekauft vor allem Euros.  240 Milliarden! Nehmen wir an, diese Devisen verlieren 30 Prozent an Wert, was nicht unmöglich ist, dann geht die Nationalbank pleite.

Und darum greifen Sie die Unabhängigkeit der Nationalbank an?

Aber nochmals: Diesen Vorwurf haben wir erwartet. Unabhängigkeit bei der ureigensten Aufgabe – Schranken bei der Überschreitung des gesetzlichen Auftrages.

Die Nationalbank hat in letzter Zeit massiv „unter dem Zaun durchgefressen“ –  mit Volksvermögen sinnlos spekuliert. Das ist zu unterbinden. Die SVP motioniert: Es gilt einen Mechanismus zu finden, der solches Tun in Zukunft unterbindet. Das Schweizervolk hat 21 Milliarden durch dieses Tun verloren! Die SNB erzielte den gleichen Verlust wie damals die UBS!

Die 21 Milliarden sind aber nur Buchverlust. Die angehäuften Euros könnten ja wieder an Wert gewinnen.

Buchverluste sind echte Verluste! Auch die UBS hat damals nur Buchverluste erlitten. Eine Nationalbank darf schlicht nicht solche Risiken eingehen. Zu glauben, die SNB könne den Euro stützen – und dann auf so hoher Stufe – ist Grössenwahn. Durch spekulative Zukäufe den Euro retten können weder die Europäische Zentralbank, noch die Amerikaner. Also auch keine Aufgabe für die Schweiz. Ausserdem war der Zeitpunkt der Intervention falsch. Die SNB kaufte, als der Franken noch gar nicht überteuert war. Es ist nicht nur Grössenwahn, sondern auch Fehleinschätzung. Es darf nicht sein, dass das Direktorium einen derart grossen Spielraum hat und damit das Vermögen des Schweizer Volkes aufs Spiel setzen kann.

Sie greifen die Nationalbank an, meinen aber ihren Präsidenten, Philipp Hildebrand.

Er ist der Präsident und trägt eine besondere Verantwortung. Unter ihm hat sich das Direktorium verspekuliert. Da gibt es nichts zu deuteln. Bei der UBS zumindest hatte ein solcher Verlust personelle Konsequenzen! Die Herren Ospel, Häringer, Rohner und Kurer mussten zurücktreten. Gelten bei der SNB andere Gepflogenheiten?

Sie fordern seinen Rücktritt?

An seiner Stelle würde ich zurücktreten. Und wenn die von der SVP geforderte Untersuchung dies alles zu Tage fördert, müssen er und allenfalls weitere zurücktreten.

Dann braucht es nach Ihrer Logik aber keine neuen Regeln mehr.

Doch, doch, Regeln gelten für die Zukunft. Die Abklärungen der Verantwortung betrifft die Vergangenheit. Bei seinem Rücktritt als Direktoriumspräsident sagte Jean-Pierre Roth, die Privatbanken kommen und gehen, die Nationalbank bleibt ewig. Das war vor nur zwei Jahren! Und heute rätseln wir darüber, was wir bei einem Konkurs der Nationalbank wohl machen müssten!

Sie übertreiben.

Leider nicht! Das sind mehr als Gedankenspiele. Die Nationalbank ist auch die treibende Kraft, welche die überschuldeten EU-Staaten unterstützen will. Sie will neben den 21 Milliarden auch noch 16 Milliarden Franken dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geben, um die kreditgebenden EU-Banken zu retten. Wieder Volksvermögen!

Es gibt doch gar keine Alternative zur Unterstützung der hoch verschuldeten Staaten.

Das darf nicht unsere Aufgabe sein. Aus erzieherischen Gründen müsste man diese Staaten nach einem geordneten Verfahren bankrott gehen lassen.

Man kann doch einen Staat nicht einfach bankrott gehen lassen. Was geschieht dann mit den Menschen dort?

Warum soll es denen schlechter gehen als mit den heutigen Massnahmen? Warum sollen die Menschen in Griechenland mehr leiden, wenn die Gläubigerbanken in Deutschland und Frankreich  ihr Geld, das sie leichtfertig gaben, nicht mehr bekommen? Jetzt zahlt der Schweizer Steuerzahler!

Weil der Staat nichts mehr zahlen kann. Argentinien liess man auch bankrott gehen, die Folge waren hohe Armuts- und Arbeitslosigkeitsraten.

So schlecht stehen die Argentinier heute nicht da. Es kann doch nicht sein, dass mit dem Geld unseres seriösen Steuerzahlers, der täglich darauf schaut, dass der Staat nicht zuviel ausgibt, leichtfertige Gläubiger gerettet werden!

Mit offenem Ausgang. Es kann durchaus sein, dass der Euro zusammenbricht. Was Sie freuen wird.

Wir haben doch kein Interesse daran, dass es der EU schlecht geht.

Sie wissen: Seit drei Jahrzehnten steht die SVP für die Unabhängigkeit der Schweiz und gegen den EU-Beitritt.

Aber an der momentan in der ganzen Schweiz herrschenden Stimmung gegen die EU dürften Sie Freude haben.

Beim EWR waren wir ein paar einsame Rufer in der Wüste. Natürlich freuen wir uns, dass wir nicht mehr so einsam sind: 80 Prozent der Bevölkerung will nicht in die EU! Jetzt fehlen nur noch die subventionierten Schriftsteller und die Journalisten (lacht).

Die Meinungen zur EU sind in der Schweiz momentan so klar, dass es niemanden interessiert. Sie bewirtschaften ein Thema, das keines ist.

Das stellen Sie sich so vor! Nach wie vor streben drei Bundesratsparteien, die Bundesverwaltung und der Bundesrat  in die EU. Natürlich wird das während des Wahljahres niemand  zugeben, aber in den folgenden vier Jahren wird die EU-Frage eine zentrale sein. Frau Bundesrätin Leuthard sagte vor dem Parteitag der CSU in Bayern: Die Schweiz werde wegen der Schwäche des Euro derzeit keine Beitrittsdiskussion anzetteln! Aber man werde natürlich die Integration vorantreiben! Die Selbstbestimmung wird ständig unterwandert, und sobald das Wahljahr vorüber ist, werden  Bundesrat und Parlament die Unabhängigkeit ganz oder teilweise preisgeben.

Sie sehen Gespenster, Herr Blocher.

Sie wollen die Ralität nicht sehen: Die Säulen der Schweiz sind bedroht. Der autonome Nachvollzug von EU-Recht wird in Bern betrieben. Damit steht unsere Unabhängigkeit auf dem Spiel. Bewegungen wie der Club Hélvetique möchten unsere Volksrechte einschränken. Und mit Roger de Weck ist ein Club-Mitglied der oberste Chef der SRG, also des Staatsfernsehens und des Staatsradios. Der zieht die Linie dieser Demokratiefeinde voll durch. Der Druck der EU nimmt zu und die Zahl der Anpasser in Bern auch.

Sie wurden von Parteipräsident Toni Brunner als Ständeratskandidat ins Spiel gebracht. Wollen Sie tatsächlich in den Ständerat?

Ich schiebe die Entscheidung noch bis nach den Zürcher Kantonsratswahlen vor mich her. Mit einer Kandidatur für den National- oder Ständerat könnte ich den Leuten zeigen: Im Interesse der Schweiz beginne ich nochmals von vorn. Ob ich das alles nochmals auf mich nehme, muss ich als 70jähriger gut überlegen.

Wenn Sie für den Ständerat antreten, ist die Chance gross, dass Sie gegen die beiden Bisherigen verlieren.

Ja, natürlich, aber wenn es nötig ist, muss man auch Dinge tun, wenn eine Niederlage droht, auch wenn ich diese Niederlage nicht suche, aber vielleicht müsste man sie in Kauf nehmen.

Wurmt es Sie heute noch, dass Sie vom Parlament als Bundesrat abgewählt wurden?

Natürlich! Das hat mich getroffen, das war eine schmerzhafte Angelegenheit. Aber politisch sind die SVP und ich persönlich gestärkt daraus hervorgegangen. Die Abwahl war „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft“. Die Mehrheit des Parlaments  wollte der SVP bös, aber es kam gut heraus!

Sicher scheint, dass Sie im anlaufenden Wahlkampf eine Rolle spielen werden. Mit welchem Thema?

Das unausgesprochene Hauptthema in der Bevölkerung ist die unbewältigte Ausländerpolitik, das haben wir auch bei der gewonnenen Ausschaffungsinitiative bemerkt! Hohe Kriminalität, höhere Steuern und Missbräuche bei der Invalidenversicherung, die zu hohe Arbeitslosigkeit, höhere Lohnabzüge, Probleme in den Schulen, Wohnungsnot, verstopfte Strassen, Sanspapiers….. Das alles hängt mit dem nicht bewältigten Zuwanderungsproblem zusammen . Wir haben eine Nettozuwanderung von 80’000 Ausländern pro Jahr, das ist enorm. Die
Nichtlösung kommt daher, dass man dem Druck der EU nachgibt. Wir müssen die Personenfreizügigkeit anpassen und Schengen künden.

Wenn man Sie so reden hört, denkt man, sie würden am liebsten alle Grenzen dicht machen.

Die Schweiz soll ein offenes Land sein, aber unsere Gesetze und Kontrollen soll die Schweiz und nicht die EU bestimmen.

In der Tat. Ernsthaft, Herr Blocher, warum schiessen Sie immer gegen die Ausländer in der Schweiz? Sie hatten doch als Unternehmer ihr Leben lang mit Ausländern zu tun.

Ich schiesse nicht gegen Ausländer, aber gegen die Auswüchse und Missbräuche! Schon der Baselbieter Nobelpreisträger Carl Spitteler hat gesagt, die Ausländer seien unsere Nachbarn, bis auf weiteres liebe Nachbarn. Nicht unsere Brüder. Das ist so. Ich habe auch privat ein ungequältes Verhältnis zu unseren Nachbarn. Aber wenn sie alle in unserer Wohnung sitzen, in unserem  Bett schlafen und alles, was wir haben, stehlen wollen, dann ziehe ich Grenzen!

Ohne Ausländer in der Schweiz gäbe es dieses Haus gar nicht.

Wenn mein Nachbar eine Arbeit sucht, und ich eine Stelle frei habe, gebe ich sie ihm. Wenn aber jeder kommen kann….

Also gibt es für Sie gute und weniger gute Ausländer.

Es ist nicht eine Sache von gut oder böse, sondern der Masse und Qualität. Der Mechanismus funktioniert immer gleich: Wenn ich die Missbräuche der Nationalbank einschränken will, werfen Sie mir vor, ich wolle deren Unabhängigkeit beenden. Wer keine kriminellen Ausländer will, dem wird Ausländerfeindlichkeit unterstellt. Übrigens: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Briefe ich von Ausländern erhalte, die in der Schweiz wohnen und den Kurs der SVP voll unterstützen.

Nicht unterstützt wurden Sie von manchen Baslern. Als das Engagement der Robinvest bei der Basler Zeitung Medien bekannt wurde, löste das einen Sturm der Entrüstung aus. Das hätte man auch vorher wissen können.

Ein rein wirtschaftliches Beratungsmandat. Und Herr Tettamanti wusste, dass es Widerstand geben könnte. Aber er wollte nicht irgendein Büro, er wollte einen Unternehmer zur Beratung. Ich habe ihm empfohlen die BaZ zu sanieren. Wenn die BaZ-Gruppe jetzt nicht saniert wird, dann wird sie nicht überleben. Das weiss auch Moritz Suter, der neue Eigentümer.

Aber Ihre Robinvest wäre sicher nicht die einzige Firma gewesen, die Herrn Tettamanti hätte beraten können.

Das müssen Sie mit Herrn Tettamanti besprechen. Positiv ist aber: Der Krach hat auch vieles offengelegt. Ich habe die von mir sehr bewunderte Stadt Basel neu kennengelernt. Dass ein Tessiner in Basel nicht reden kann, weil die Polizei seine Sicherheit nicht garantieren könne, ist doch unerträglich. Und das in einer Schweizer Stadt. Da habe ich mich als Schweizer geschämt.

Das war doch nicht die Stadt, die nicht für Herrn Tettamantis Sicherheit garantieren konnte. Das war die Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft, die ihn gebeten hatte, nicht zu seinem geplanten Vortrag zu kommen.

Man habe Tettamanti seine Sicherheit nicht garantieren können. Dafür ist die Regierung verantwortlich – und das geht doch nicht. Tettamanti hat begreiflicherweise sein Engagement in dieser Stadt abgebrochen. Ich sagte damals im Scherz, dass man als Unternehmer in Basel erstens Basler, zweitens Basler und drittens Basler sein müsse. Meine Tochter hatte als Zürcherin anscheindend Glück, dass ihr Läckerli-Haus in Münchenstein – also Baselland steht, sonst hätte sie wohl ein böses Los gehabt.

Das hat nichts mit der Herkunft eines Unternehmers zu tun, sondern mit Ihrer Person, Herr Blocher. Die Redaktion war besorgt, dass Sie politisch Einfluss nehmen würden.

Herr Tettamanti liess man ja nicht reden. Die meisten Leute meinen ja, die BaZ bestünde nur aus einer Zeitung. Dabei handelt es sich um einen Konzern mit tausend Mitarbeitern. Von Tausend Mitarbeitern ist die Zeitung ein Bruchteil. Herr Tettamanti konnte aber einen hochkarätigen Chefredaktor gewinnen.

(Philipp Loser:) … und mit der richtigen politischen Einstellung.

Sie meinen, weil er kein Linker ist, ist ein Chefredaktor unfähig.

(Philipp Loser:) Als Markus Somm anfing, haben wir normal weitergearbeitet. Ein Problem hatte die Redaktion erst mit Ihrem Beratungsmandat, von dem wir aus einer anderen Zeitung erfahren haben.

Vielleicht hätte das Management besser orientieren sollen.

Denken Sie, Basel hat unter dieser Episode gelitten?

Davon bin ich überzeugt. Basel gibt sich liberal und weltoffen. Ich habe es jetzt anders erlebt.

Unseren neuen Verleger, Herrn Suter, haben Sie kürzlich bei besagtem Pfyfferli getroffen. Nach dem Einstieg von Moritz Suter bei der BaZ interessierten zwei Fragen: Hat er das Geld selber aufgebracht? Und ist Christoph Blocher immer noch involviert?

Ich bin nicht involviert. Und wie Herr Suter einen Kauf finanziert, müssen Sie ihn fragen. Ich bin nicht sein Buchhalter.

Seit über zwanzig Jahren bewegen Sie die Schweizer wie kein zweiter – im Positiven wie im Negativen. Sie betonen seit jeher die Bedeutung des Volkes. In diesem Konzept hat es für schillernde Figuren wie Sie eigentlich keinen Platz.

Dass ich als Schweizer akzeptiert bin, beweist, wie falsch Sie die Schweiz einschätzen.

Sie definieren das Volk als sehr homogene Masse.

Nicht als Masse, aber homogen in seiner Vielfalt. Natürlich kann man nicht hundert Prozent der Leute vertreten. Solange es Journalisten gibt, wird es auch Sozialisten geben. (Lacht!)Das ist ein so süsses Gift, dass man ihm schwer widerstehen kann.  Auch ein Journalist namens Somm war dem früher als Tagesanzeiger Journalist erlegen. Darum sage ich Ihnen, Herr Loser, Sie haben noch viele Wandlungsmöglichkeiten!

Nach rechts zu rücken?

Die Wirklichkeit anzuerkennen! Und dann vielleicht auch die Schweiz zu schätzen.

Ich hielt mich bisher für einen einigermassen guten Schweizer.

Das ist das Problem! (lacht)

Wer nicht so denkt wie Sie, ist kein echter Schweizer?

Wer die Schweiz in die EU führen will, wer die direkte Demokratie unterwandert, wer die Unabhängigkeit und die hohen Bürgerfreiheiten missachtet und an der dauernden bewaffneten Neutralität rüttelt, ist gegen die Schweiz und Schweizer nur noch auf dem Papier.

Nicht alle Schweizerinnen und Schweizer, die nicht in die EU wollen, wählen die SVP.

Weil die EU-Befürworter – vor allem die Mitte-Parteien –  Widerstand gegen die EU predigen und Anpassung trinken.

Eine Unterstellung. Es gibt durchaus auch Schweizer, die ein ambivalentes Verhältnis zu Europa und zum eigenen Land haben. Und dennoch patriotisch sind.

Auf dem Papier sind noch viele Schweizer, die eigentlich keine sind. Ein EU-Beitritt zerstört die Schweiz. Wer das will, bezeichne ich nicht als Schweizer.

Es gibt das Argument, das die Schweiz über kurz oder lang nur in der EU eigenständig überleben kann.

Schon vor zwanzig Jahren drohte man damit. Der Beweis des Gegenteils ist erbracht. Diese intellektuellen Vernünfteleien interessieren nicht. Man findet immer einen wohltönenden Grund. Die Wirklichkeit ist es nicht.

Damit beleidigen Sie einen Grossteil der Schweizer Bevölkerung.

Politiker vielleicht. Und die 20 Prozent, die noch in die EU wollen. Es ist nun einmal so: Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Neutralität, Sicherheit und Freiheit sind die Säulen unseres Landes. Im Sozialismus gibt es keine Freiheit. Wer für den Sozialismus ist, kann darum kein Schweizer sein. Eine «sozialistische Schweiz» ist ein Widerspruch in sich selber. Und: Neutralität, direkte Demokratie sind in der EU nicht möglich.

Zweifeln Sie manchmal auch?

Dauernd! Täglich. Als ich mit dem verstorbenen freisinnigen Gewerbeverbands-Direktor Otto Fischer anfangs alleine den EWR bekämpft habe, habe ich mich oft gefragt, kann es wirklich sein, dass wir allein gegen die ganze Classe politique recht haben? Aber die Einsamkeit des Verantwortlichen zwingt einen, durch diese Einsamkeit und Zweifel zu gehen. In der Europafrage waren wir anfänglich mutterseelenallein.

Das sind Sie heute nicht mehr.

Zum Glück. Aber die Volksgunst ist sehr wechselhaft.

Wann hören Sie eigentlich mit der Politik auf?

Wenn ich nicht mehr mag oder nicht mehr gebraucht werde. Mit 70 Jahren muss man daran denken. Wenn ich den Zeitpunkt nicht selber erkenne, dann sicher meine Frau. Sie ist meine strengste Kritikerin und freut sich auf meinen Rücktritt. Wenn die SVP bei den nächsten Wahlen gewinnt, werden die Mitteparteien ihren Kurs ändern und wieder bürgerlich werden. Dann haben wir sie wieder, die bürgerliche Schweiz und ich kann getrost zurücktreten! Wenn die SVP verliert,  dann muss ich noch lange bleiben!

Und was geschieht mit der SVP nach Ihrem Rückzug?

Die SVP hat heute eine hervorragende, sehr selbstlose, sach- und lösungsorientierte Equipe. Unser intelligenter Parteipräsident, ein unkonventioneller Realist, der neun Jahre in der Schule war, bietet den Akademikern von den anderen Parteien zehnmal die Stirne. Die SVP verfügt mit dem Baselbieter Caspar Baader über den erfahrensten und klugsten Fraktionspräsidenten. Auch er sucht weder Aemtchen noch Amt. Und ausserdem haben wir viele uneigennützige, unerschrockene Politiker in unseren Reihen. Sie sind auch bereit, bei den niederträchtigen Verunglimpfungen gerade zu stehen. Sie sind glaubwürdig. Nein, um Nachfolge mache ich mir immer weniger Sorge.

Schauen Sie mit Genugtuung auf ihr politisches Leben zurück?

Ich habe das Gefühl, gutes bewirkt zu haben. Natürlich habe ich oft als „Freiheitskämpfer“ gegen die kleinmütigen Anpasser verloren. Oft denke ich, was hätte ich noch besser machen können? Ich hätte noch mehr gegen vielen Unsinn „Nein“ sagen müssen. Für die Zukunft habe ich ein gutes Gefühl, wenn wir Schweizer auf den bewährten Stärken bleiben. Ein gesundes Gottvertrauen ist da. Darum bereitet es mir auch keine schlaflosen Nächte, wenn der Euro schwach wird. Für Euch Basler ist das eher erfreulich. Den Lohn in Franken beziehen und dann im Elsass und im Badischen billig gut essen gehen! (lacht). Wenn ich in der Region esse, dann in einem der guten Restaurants, die Sie ja in Basel haben.

← Zurück zu: Artikel