Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt

Interview in der „Aargauer Zeitung“ vom 28.8.2009

Von Fabian Renz

SVP-Stratege Christoph Blocher über Lehren aus der Gaddafi-Affäre, über fehlende Kollegialität im Bundesrat und über seine persönlichen Pläne

Für alt Bundesrat Christoph Blocher ist nicht Hans-Rudolf Merz, sondern Micheline Calmy-Rey hauptverantwortlich für die Libyen-Krise.

Herr Blocher, ursprünglich hätten Sie 2009 Bundespräsident werden sollen. Sind Sie froh, dass nun stattdessen Hans-Rudolf Merz mit Peer Steinbrück und Gaddafi zu tun hat?

Christoph Blocher: Im Gegenteil. Das sind interessante Führungsaufgaben.
Bei all diesen Aktionen überlege ich mir, wie ich es gelöst hätte. Ich lege ja meine Meinung wöchentlich auf www.teleblocher.ch dar.

Noch werden in Libyen zwei Schweizer festgehalten. Falls es nun klappt mit der Rückkehr: Werden Sie Merz zu seinem Coup in Tripolis gratulieren?

Blocher:
Ich nehme nicht an, dass er dies erwartet. Natürlich müssen solche Aktionen möglich sein. Noch weiss man nicht, was eigentlich in Genf bei der
Verhaftung von Gaddafis Sohn passiert ist. Fest steht, dass der Bundesrat das Ganze schlecht koordiniert hat.

Wer trägt die Schuld?

Blocher: In der Verantwortung stehen der Gesamtbundesrat und vor allem das Aussendepartement von Frau Calmy-Rey, das in dieser Sache nichts erreicht hat. Es wurde auch kein sorgfältiges Verhandlungsmandat verabschiedet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Merz ohne Wissen des Aussendepartements nach Tripolis gereist ist.

Soll der Gesamtbundesrat das von Merz ausgehandelte Entschuldigungs-Papier annullieren?

Blocher:
Nein, man kann nicht den eigenen Bundespräsidenten gegenüber einem anderen Land derart desavouieren. Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt.

Merz’ Bundesratskolleginnen gingen öffentlich auf Distanz zu ihm. Spüren Sie, dem man oft Bruch des Kollegialitätsprinzips vorgeworfen hat, eine gewisse Schadenfreude?

Blocher: Das nicht gerade. Aber wenn ich daran denke, wofür ich alles kritisiert wurde . . . als ich an einer Pressekonferenz einmal eine Miene verzog, warf man mir vor, es handle sich um einen Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip. Bei solchen Distanzierungen, wie man sie kürzlich gelesen hat, wäre ich wohl geköpft worden.

Themawechsel: Wie steht es mit Ihrer Volksinitiative zur Zerschlagung der Grossbanken? SVP-Präsident Toni Brunner ist da zurückgekrebst.

Blocher: Nein: die Verminderung des Klumpenrisikos, das von den beiden Grossbanken ausgeht, ist nach wie vor für die Schweiz überlebensnotwendig. Toni Brunner hat wohl einfach darauf hingewiesen, dass die SVP jetzt zuerst mit Nachdruck den parlamentarischen Weg verfolgt.

Die Initiative wird aber kommen?

Blocher: Wenn wir im Parlament nicht durchkommen, muss etwas geschehen. Das Anliegen ist für unser Land zentral. Natürlich: Jetzt, wo es den Banken nicht mehr ganz so schlecht geht, steckt die Politik bezüglich Bankenplatz den Kopf wieder in den Sand. Eine allfällige Volksinitiative sollte nicht von der SVP allein, sondern überparteilich lanciert werden.

Sie streben tatsächlich eine SP SVP-Koalition an?

Blocher: Nicht nur. Aber wenn es hier SP-Kreise darunter hat, warum nicht. Ich habe da keine Berührungsängste.

Apropos SP: Die Sozialdemokraten haben Strafanzeige gegen die früheren UBS-Chefs Marcel Ospel und Peter Kurer erhoben . . .

Blocher: Die SVP hat schon lange parlamentarisch vom Bund verlangt, zu prüfen, ob Strafklagen gegen die frühere Führungsschicht der UBS angebracht sind. Wir haben nichts dagegen, dass das abgeklärt wird.

Aber wie ist Ihre persönliche Meinung? Gehören Ospel und Kurer vor Gericht?

Blocher: Ich konnte bis jetzt nicht feststellen, dass die beiden kriminell gehandelt haben. Nach meinem Eindruck hatten sie schlicht den Überblick verloren. Das Anliegen der SP ist nicht ernst zu nehmen. Sie hat einfach grundsätzlich etwas gegen Banken und Verwaltungsräte. Typisch ist auch, dass man nun auf die losgeht, die bereits das Unternehmen verlassen mussten. Andere lässt man in Ruhe.

Sie erteilen dem Bundesrat schlechte Noten. Wie beurteilen Sie eigentlich die Arbeit Ihres eigenen Mannes in der Regierung, Ueli Maurer?

Blocher: Er hatte einen guten Start. Für eine Bilanz ist es zwar noch etwas früh. Er geht aber überlegt vor und ist in der Bevölkerung beliebt.

Seine Armee-Abbaupläne entsprechen ja wohl kaum der SVP-Politik.

Blocher: Er hat keine Abbaupläne. Wir haben mit ihm gesprochen. Seine Erklärung in einem Interview, er müsse den Armeebestand auf 60 000 bis 80 000 Mann verringern, wurde so umgedeutet, als wolle er dies tun. Das Gegenteil ist der Fall: Er sieht, dass diese Massnahme unverantwortlich wäre. Die Zeitung hat dies dann aber umgedeutet, wie wenn Maurer selber die Armee reduzieren wolle. Die Sache ist etwas unglücklich gelaufen.

Für Sie selbst steht eine Rückkehr in den Bundesrat nicht mehr zur Debatte?

Blocher: Das Parlament hat klargemacht, dass es mich nicht will.

Aber vielleicht in einer Volkswahl, wie sie die SVP ja anstrebt?

Blocher: Wissen Sie, bis die Volkswahl kommt, dauert es im Minimum fünf Jahre.

Wie steht es mit einem Comeback in den Nationalrat im Jahr 2011?

Blocher: Darüber entscheide ich im Frühjahr 2011. Ich weiss, dass es starke Kräfte gibt, die das gerne möchten. Wichtig ist auf alle Fälle, dass die SVP zulegt. Sie ist die einzige Partei, die noch zur Schweiz steht.

Welche Marke streben Sie an?

Blocher: Wir müssen ein paar Prozente zulegen. Ob es jetzt zwei, vier oder fünf sind, ist nicht so wichtig.

Die 30-Prozent-Marke wollen Sie aber knacken?

Blocher: Die sollte zu knacken sein, richtig. Wären heute Wahlen, würde die SVP weit darüberliegen!

← Zurück zu: Artikel