Gute Entscheide zum Wohle des Landes sind wichtiger als gemütliche Harmonie

Interview mit der „Zentralschweiz am Sonntag“ vom 23. November 2008

Mit Jürg Auf der Maur und Kari Kälin


Zentralschweiz am Sonntag: Bundespräsident Pascal Couchepin sagt, er bewundere Ihren Mut. Sind Sie mutig
?

Blocher: Im Vergleich zu ihm schon. Er würde nur kandidieren, wenn seine Wahl sicher ist.

Wichtig sei Konkordanz, betont Couchepin und erklärt, das habe mit Ihnen im Bundesrat nicht gut funktioniert.

Konkordanz ist sehr wichtig. Die Frage ist nur, was man darunter versteht. Konkordanz bedeutet nicht, dass der eine den anderen deckt, damit man es wohlig hat. Konkordanz ist Zusammenarbeit. Das heisst, jeder Bundesrat muss sich um das ganze bemühen – wenn nötig- Vorschläge unterbreiten und für gute Entscheide sorgen.

Das machten Sie ständig.

Ja. Ich hielt und halte es für mich auch heute so. Gute Entscheide zum Wohle des Landes sind wichtiger als gemütliche Harmonie.

Sie kritisieren die Harmonie in der jetzigen Regierung und wollen als Bundesrat künftig also wieder für Wirbel sorgen?

Wirbel zum Selbstzweck ist Unsinn. Aber vielleicht entsteht Wirbel, wenn man eine andere Meinung einbringt. Gerade heute: Das Land steht vor eine starke Rezession. Wir erleben eine heftige Weltfinanzkrise, was weltweit wirtschaftlich eine schlechte Situation bedeutet. Das wird auch zu neuen Migrationsproblemen führen. Vielleicht auch zu Gewalt von aussen und die Armee ist nicht mehr einsatzbereit.

Das heisst?

In einer solchen Lage müssen in der Regierung schwierige Entscheide gefällt werden, da darf ein Bundesrat nicht nach Harmonie lechzen und absegnen, was ein Beamter vorbereitet hat. Deshalb hat sich meine Partei an mich gewendet und mich aufgefordert, als Bundesrat zu kandidieren. Sie finden, wegen meiner Erfahrung in der Wirtschaft, als Unternehmer, Politiker aber auch als Oberst, sei ich in dieser Situation der Richtige.

Will denn die SVP tatsächlich aus der Opposition heraus? Tritt sie nur mit Ihnen an, wird das als Zeichen gedeutet, sie wolle nicht in die Regierung.

Die SVP gehört in die Regierung. Sie wurde in die Opposition getrieben. Sie ist die wählerstärkste Partei. Die Konkordanz verlangt 2 SVP-Sitze. Die Partei muss jenen Kandidaten aufstellen, von dem sie überzeugt ist, dass er die schwierigen Aufgaben am besten bewältigen kann. Wählt ihn die Bundesversammlung nicht, dann muss die Partei entscheiden. Akzeptiert sie einen anderen Kandidaten oder sie geht in die Opposition.

Dann tritt die SVP statt mit Ihnen mit der Nummer 2 an?

Ich habe auch bei Regierungswahlen immer erklärt, wir müssen nicht nur mit den Fähigsten antreten, sondern auch mit dem, der gewählt wird.

Mit solchen Äusserungen diskreditieren Sie sämtliche Mitbewerber.

Warum auch? Ist das eine Diskreditierung, wenn ein anderer nicht den gleichen Erfahrungshintergrund hat? Wenn die anderen Parteien mich nicht wählen, dann ist dies ihre Verantwortung. Mit der Wahl eines anderen Kandidaten, den die SVP vorschlägt, tragen sie eine Mitverantwortung.

Der Generationenwechsel in Partei oder Bundesrat ist für Sie kein Thema?

Jugend hat Vorteile – mehr Energie. Alter hat Vorteile – mehr Erfahrung. Diejenigen, die mich vorschlagen, stellen jetzt Fähigkeit und Erfahrung in den Vordergrund. Das Parlament muss entscheiden.

Sie betonen, sie möchten gar nicht in die Regierung. Sie haben es in der Hand. Sie könnten sich zurückziehen und sich so ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk machen.

Natürlich habe ich das in der Hand. Aber ich habe Zeit meines Lebens nie eine Aufgabe übernommen, nur dass es mir wohler ist. Ich habe mich immer gefragt, ob ich etwas tun muss oder nicht. Jetzt stelle ich mich zur Verfügung und will Bundesrat werden, obwohl es mir «draussen» wohler wäre. Aber stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn ich mich zurückziehen würde!

Was würde denn passieren?

Dann würde ich ja den Bettel hinschmeissen und die Aufgaben und mich vor den Aufgaben drücken. Dann wäre ich ein «trauriger Cheib», der lieber an der Riviera liegt, sich sonnt und Bücher liest. Ich hätte für den Rest meines Lebens ein schlechtes Gewissen. Aber wenn FDP; CVP und SP nein sagen, dann ist es nicht meine Verantwortung.

Bundesrat Couchepin sagt, man könne nicht wie Sie Bundesrat und Oppositionsführer sein.

Das ist so. Ich war dies nie, das weiss Herr Couchepin genau. Aber Bundesrat Couchepin hat es halt nicht gerne, wenn jemand nicht seiner Meinung ist. Er bezeichnet ihn sofort als Oppositionsführer.

Der Kampf der beiden Alphatiere.

Ich habe das nie so empfunden. Ich habe mit Pascal Couchepin im ganzen nicht schlecht zusammengearbeitet. Umso mehr wundere ich mich, dass er sich nun so verlauten lässt. Aber wir waren oft nicht der gleichen Meinung.

Herr Couchepin reagiert wohl auf die aus der SVP gestreuten Gerüchte, er trete zurück. Das wäre Ihnen entgegengekommen.

Eine Zweiervakanz hätte mehr Möglichkeiten gegeben. Wir haben Anrecht auf zwei Sitze.

Hätte die SVP den FDP-Sitz attakiert?

Es wäre zu überlegen gewesen. Die FDP ist mit zwei Sitzen zwar übervertreten. Auf jeden Fall ist die grösste Partei – die SVP – mit einem Sitz untervertreten. Aber krass übervertreten ist die SP, sie hat drei Sitze.

Wie bitte?

Klar, denn Frau Widmer-Schlumpf ist von der SP und den Grünen vorgeschlagen und zusammen mit der CVP gewählt worden.

Frau Widmer-Schlumpf ist doch nicht links. Sie wird sogar von Links kritisiert, weil sie eine härtere Asylpolitik betreibt als Sie.

Schauen Sie doch die Asylzahlen an! Man verwaltet das Asylproblem statt zu handeln, dies im Sinne der SP. In Österreich nehmen die Asylgesuche in diesem Jahr weniger als 6 % und bei uns über 36 % zu.

Wie breit fühlen Sie sich gestützt in Ihrer Partei. Jede Region stellt Kandidaten. «Wer ausser Zürich will Blocher?», schrieb «Le Temps» diese Woche.

Das werden wir sehen. Bis jetzt findet man: Du wärest der Fähigste, aber du wirst nicht gewählt.

Sie betonen Ihre grosse Erfahrung in der Wirtschaft. Economiesuisse sieht das anders. Sie macht Vorbehalte wegen ihrer Haltung zur Personenfreizügigkeit.

Erstens ist economiesuisse nicht die Wirtschaft und zweitens hätte es mich gewundert, wenn sie keine Vorbehalte hätte. Ich habe schon 1992 gegen die gesamte so genannte Wirtschaftselite – economiesuisse – gegen den EU-Beitritt gekämpft. Doch was Bundesrat und Parlament jetzt mit der Verknüpfung der beiden Dossiers in der Personenfreizügigkeit vorlegen, muss auch im Interesse der Wirtschaft abgelehnt werden.

Damit gefährden Sie wegen der Guillotine-Klausel die gesamten bilateralen Verträge.

Die Klausel kommt nur dann zum Zug, wenn wir der EU offiziell unser Nein melden und auch dann wird sie die EU nicht anwenden. Wegen der Verknüpfung in der Personenfreizügigkeit kann der Volkswille nicht eruiert werden. Mit einem Nein weisen wir das Geschäft an den Bundesrat zurück. Er kann dann zwei getrennte Vorlagen ausarbeiten und neu zur Debatte stellen.

Und Sie würden zustimmen?

Ich würde es wagen, ja zu den bisherigen Verträgen zu sagen aber klar nein zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien.

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