Die Gegner merken, dass die Bürger unzufrieden sind

Heute beginnt Christoph Blocher den Kampf für die Einbürgerungsinitiative. Über Widmer- Schlumpf zu sprechen, findet er langweilig.

Interview mit „punkt.ch“ vom 28. April 2008

Von David Schaffner und Jessica Pfister

Es ist bekannt, dass Sie früher nur fünf Stunden schliefen. Gönnen Sie sich mehr Ruhe seit Sie nicht mehr im Bundesrat sind?

Christoph Blocher: Vorläufig nicht. Ich arbeite voll und stehe sehr früh auf. Fünf bis sechs Stunden Schlaf genügen.

Nehmen Sie sich gar keine neuen Freiheiten?

Doch. Ich muss nicht pünktlich an so vielen Sitzungen sein wie als Bundesrat. Meine Arbeitseinteilung ist freier.

Mussten Sie etwa stempeln als Bundesrat?

Nein, das nicht gerade. Aber in einer grossen Organisation kann man die Zeit nicht so frei einteilen wie als Unternehmer.

In den letzten Wochen war es verdächtig still um Sie.

Nach meiner Abwahl habe ich mich im Stillen vorbereitet. Ab heute führen wir den Kampf für die Einbürgerungsinitiative. Ich trete fast täglich auf und erkläre den Leuten, warum sie Ja stimmen sollten.

Was hätten Sie als Bundesrat gemacht? Hätten Sie wie Widmer-Schlumpf die SVP-Initiative bekämpft?

Ich hätte die Meinung des Bundesrates vertreten. Ich hätte zum Ausdruck gebracht: Der Bundesrat ist dagegen. Meine Meinung hätte ich verschwiegen. Leider hätte ich dann gegen meine Überzeugung nicht für die Initiative kämpfen können. Das darf ich jetzt wieder.

Wieso wollen Sie bei den Einbürgerungen die Uhren zurückdrehen?

150 Jahre lang haben die Gemeinden das Gemeindebürgerrecht verliehen. Ihr Entscheid galt. Die Bürger kennen die Umstände ja besser. Plötzlich hat das Bundesgericht entschieden, dass ein Ausländer, dem das Bürgerrecht verweigert wird, vors Gericht gehen kann und dieses die Gemeinde zwingen kann, dem Ausländer das Bürgerrecht zu erteilen. Die Gemeinden müssen die Ablehnung bis ins Detail begründen. Das führt zu erleichterten Einbürgerungen mit allen Missständen.

Wenn es keine Begründung braucht, öffnen wir der Willkür Tür und Tor.

Die Bürger sind verantwortungsvolle Menschen. Aber sie sind bei den Einbürgerungen zurückhaltend. Sie verlangen Integration. Schon heute gibt es kaum ein Land, das so viel einbürgert wie die Schweiz. Wer bei uns eingebürgert wird, kann nicht nur wählen, sondern auch abstimmen.

Die Bedingungen für Einbürgerung sind in vielen EU-Ländern weniger hoch. Diese Länder haben viel weniger Ausländer als die Schweiz und bürgern daher viel weniger ein. Kennen Sie Fälle, in denen es zu leichtfertigen Einbürgerungen kam?

Ja natürlich. Aber die Sache ist doch klar: Die Behörden haben neuerdings Angst, dass aus einem ablehnenden Einbürgerungsentscheid ein Gerichtsfall wird. Deshalb bürgert man im Zweifel ein, um keine Probleme vor Gericht zu haben. Viele Personen werden kriminell, kaum sind sie eingebürgert. Sind sie eingebürgert, können wir sie nicht mehr ausweisen.

Ein überparteiliches Komitee unterstützt die Initiative. Ärgert Sie das? Sie würden doch gerne gegen alle anderen kämpfen.

Nein, ich bin glücklich darüber. Das hilft, dass die Einbürgerungsinitiative angenommen wird. Seit meiner Abwahl im Bundesrat gewinnt die SVP Mitglieder und Wähler. Die Gegner merken, dass die Leute unzufrieden sind mit der Ausländerpolitik. Darum müssen jetzt auch andere Parteien reagieren. Deshalb unterstützen sie nun die Initiative. Gut so.

Wie lange spielt der Effekt, dass die SVP allein wegen ihrer Abwahl gewinnt?

Der Effekt ist anfangs sicher stärker. Ganz abflauen würde er nur, wenn wir nichts täten. Aber diese Freude werden wir den Gegnern nie bereiten.

Wie viel Handlungsraum besteht noch? Im Bereich der Migration haben sie mit dem neuen Asyl- und Ausländergesetz und der Einbürgerungsinitiative bereits aufgeräumt.

Oh es gibt noch vieles zu tun. Das Asylgesetz ist erst auf dem Papier da, es muss noch umgesetzt werden. Im Bereich der Kriminalität müssen wir Druck auf den Strafverfolgung und die Richter ausüben, damit  sie die Gesetze rasch und wirkungsvoll anwenden. Dann steht die Ausschaffungsinitiative für kriminelle Ausländer auf dem Tapet. Bei den Sozialmissbräuchen sind wir erst bei den Anfängen. Die Unabhängigkeit der Schweiz ist bedroht. Die Verwaltung will immer noch in die EU, sie will es aber nicht offen aussprechen. Aber sie unterwandern die Unabhängigkeit mit allerlei Verträgen und der Übernahme internationalen Rechts.

Sind Sie immer noch der Meinung, dass es keine weiteren Abkommen braucht?

Überlebens- und lebensnotwendig sind sie für die Schweiz nicht, auch wenn sie da und dort kleinere Erleichterungen bringen werden. Wenn wir immer wieder etwas von der EU wollen, setzt sie uns immer wieder unter Druck. Am Schluss geht es schliesslich ums Bankgeheimnis und gegen unsere Steuervorteile. Ohne unseren Widerstand wird die Schweiz still und leise von der Verwaltung in die EU geführt.

Lohnt es sich noch, für das Bankgeheimnis zu kämpfen? Die Amerikaner haben doch längst über die SWIFT Einblick in unsere Datenbanken.

In der SWIFT melden alle Länder die Bilanzbewegungen der Bankkonten. Die Amerikaner brauchen die Daten aber nicht für den Fiskus, sondern für die Bekämpfung von Terrorismus. Natürlich ist es problematisch, dass die Amerikaner einen Zugang haben. Wir haben aber bis jetzt festgestellt, dass sie die Daten nie missbraucht haben, zum Beispiel für den Fiskus.

Gerade deshalb müsste die Schweiz doch vorausschauen und sich auf eine Zukunft nach dem Bankgeheimnis vorbereiten.

Ach, alle zehn Jahre kommt der Angriff aufs Bankgeheimnis. Es besteht und wird weiter bestehen. Schliesslich hat das Volk darüber abgestimmt.

Die Schweizer Politik war in den letzten Wochen sehr emotional. Nimmt Sie das mit?

Die hinterhältige Bundesratswahl musste doch jeden bewegen. Über den Parteiausschluss von Frau Widmer-Schlumpf will ich nicht reden. Es ist doch langweilig, hundert Mal das Gleiche zu sagen. Ich bin in den Ausstand getreten, finde es aber richtig, dass die Partei den Ausschluss nun durchzieht.

Droht eine Aufspaltung der Berner SVP?

Ich glaube nicht, auch wenn es dort viele Unzufriedene gibt. Eine Spaltung ist im Bündnerland möglich.

Die SVP ist schnell gewachsen. Droht die Partei zu gross zu werden?

Die Gefahr besteht, wenn das Programm verwässert. Wir haben aber ein klares Programm. Kaum jemand tritt bei, der nicht dahintersteht. Einige Mitglieder sind dank unserem Erfolg etwas schnell vorwärts gekommen. Sie sind etwas verwöhnt. Selbstzufriedenheit ist die grösste Gefahr für eine Partei.

Der SVP ist fast alles gelungen. Nur die grossen Städte haben sie noch nicht erobert. Dort hat die SVP keinen einzigen Regierungssitz.

In den Städten kommen wir gut voran. Vor zwanzig Jahren bildeten wir in der Stadt Zürich noch nicht einmal eine eigene Fraktion. Heute sind wir die zweitgrösste Partei im Gemeinderat. Weil gleichzeitig alle anderen Parteien verloren haben, sind alle anderen Parteien gegen die SVP. Um in die Exekutive zu kommen müssen sie Majorzwahl gewinnen. Das braucht Zeit. Wir konzentrieren uns zurzeit auf das Parlament.

Will die SVP denn gar nicht wirklich in die Stadtregierung?

Natürlich wollen wir. Deshalb stellen wir immer Kandidaten. Wenn wir es nicht schaffen, geht die Welt aber nicht unter. Es ist zudem sehr schwierig, dem Programm in einer Regierung treu zu bleiben. Da braucht es einen sehr starken Charakter. Ich konnte im Bundesrat das klare Profil der SVP nur deshalb behalten, weil mich die Linken und die Grünen ohne Pause angegriffen haben. Damit haben sie mein Profil geschärft

Verspüren Sie keinen Trieb, die letzte Bastion zu erobern?

Es war nie das prioritäre Ziel, dass die SVP eine grosse Partei wird. Wir wollten einfach gegen Missstände antreten. Meine Devise war stets: Je weniger eine Partei an sich selbst denkt desto mehr denken die Bürger an die Partei. So ist es auch gekommen. Deshalb sind wir die erfolgreichste Partei. Das gilt übrigens auch für die einzelnen Politiker.

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