Sind die Schweizer KMU spitze?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher beim Kantonalen Gewerbeverband Solothurn, 12. September 2007, in Dornach

12.09.2007, Dornach

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

Meine Damen und Herren

Bevor wir uns der Hauptfrage zuwenden, wollen wir uns erst einmal klar darüber werden, wie wichtig die KMU für die Schweizer Volkswirtschaft insgesamt sind.

1. Bedeutung der KMU

99,7 Prozent aller Betriebe in der Schweiz sind kleine und mittlere Unternehmen. Rund zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten gesamtschweizerisch in KMU-Betrieben. In den ländlicheren Regionen werden es noch wesentlich mehr sein. Die KMU sind der wichtigste Berufsausbildner für junge Menschen.
Die KMU bilden den heimischen Mittelstand und sind also auch jene Gruppe, die das Steuersubstrat wesentlich erbringen. Oder anders gesagt: Es sind gerade die Leistungsträger aus dem Mittelstand, die vom Staat besonders mit Steuern und Abgaben belastet werden.

2. Wie wird man erfolgreich?

Ob ein Unternehmen Erfolg hat, liegt natürlich im Wesentlichen am Unternehmen. Sie kennen meinen Leitsatz: Es gibt keine schlechten Untergebenen, es gibt nur schlechte Chefs!

Aber die Frage ist:

* Gibt es Methoden, die zum Erfolg führen?
* Was kann ich als Unternehmer tun, um an der Spitze zu sein?
* Was kann die Politik dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft, das Gewerbe, die Unternehmen, die KMU erfolgreich entwickeln können?

Als ehemaliger Unternehmer kann ich nur meine Erfahrungen, die zum Erfolg führen können, vermitteln.
Nachdem aber der Schriftsteller, Matthias Ackeret, ein Führungsbuch unter dem Titel: „Das Blocher-Prinzip“ veröffentlicht hat, kann ich auf dieses Buch verweisen (Sie können es getrost kaufen, ich verdiene nichts daran!)

3. Und die Politik?

Nochmals! Die Politik ist nicht verantwortlich für den Erfolg privater Unternehmen. Den Erfolg müssen die Unternehmen schon selbst bringen. Aber die Politik kann verantwortlich sein für deren Misserfolg:

* Weil die Politik den Erfolg verunmöglichten kann, z. Bsp. durch Bürokratie und unzählige Gesetze und Vorschriften.
* Weil die Politik den Erfolg bestrafen lassen: Z. Bsp. durch übermässige Steuern und Abgaben.

Jeder Politiker unterschreibt Ihnen folgende Sätze:

* KMU sind das Rückgrad unserer Volkswirtschaft
* Die KMU müssen gefördert werden.

Auch fordern alle Politiker im Grundsatz weniger Bürokratie. Und trotzdem nimmt diese zu. Also forsten die gleichen Politiker, die den Papierkram sonst wortreich beklagen, den Bürokratiedschungel ungerührt auf.

Mit entsprechenden Folgen: Jedes der über 300’000 Schweizer KMU ist heute durchschnittlich während 650 Stunden pro Jahr (1986: noch 370 Stunden) einzig und allein mit der Erledigung des staatlich verordneten Papierkriegs beschäftigt.
Der staatlich bedingte Administrativaufwand (Umweltschutz, Statistiken, Sozialversicherungen, Lehrlinge, Militär, ausländische Arbeitskräfte, betriebsbezogene Auflagen, handelsrechtliche Auflagen, direkte Steuern, MWSt-Abrechnung usf.) verursacht Kosten in der Höhe von 7 Milliarden Franken jährlich. Auf einen KMU-Betrieb heruntergerechnet sind das gut 20’000 Franken im Jahr.

Eine Abnahme dieses Aufwandes ist nicht abzusehen – im Gegenteil. Es besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen den Absichten und den Ergebnissen in der Politik.

4. Gute Lösungen sind einfache Lösungen

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch, wenn es um die Forderung nach mehr Wirtschaftswachstum geht. Wachstum heisst mehr Wohlstand, heisst gesicherte Sozialwerke, heisst weniger Arbeitslosigkeit, heisst neue Ausbildungsplätze für junge Menschen. Auch in dieser Frage hören sie von Politikern aller Parteien nur Zustimmung. Aber wie sorgen wir für mehr Wachstum?

Durch eine geschickte Steuerpolitik. Während die Linke auf staatliche Wirtschaftsprogramme setzt (dass mit diesem Prinzip der ganze Osten Europas bankrott ging, interessiert offenbar keinen mehr), setzen viele Bürgerliche auf die „Förderung“ und „Wirtschaftshilfen“, indem sie Geld verteilen an die Wirtschaft.. Damit schwächen sie die guten Unternehmen, indem die schlechten Geld bekommen. Müssen aber wiederum Geld beim Mittelstand – das heisst bei den guten Unternehmen – holen. Womit diese ein zweites Mal geschwächt werden.

Es wäre so einfach: je weniger die KMU mit Steuern und anderen Auflagen behindert werden, desto mehr Mittel haben sie zur Verfügung, um zu investieren, um zu forschen, um zu entwickeln, was schliesslich zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand führt.

Das klingt alles so furchtbar einfach, finden Sie? Meine jahrzehntelange Arbeit in der Politik und der Wirtschaft haben mich eines gelehrt: Gute Lösungen sind immer einfache Lösungen. Sie wollen Beweise? Nehmen wir als Beispiel den Kanton Obwalden. Obwalden gehörte jahrelang zu jenen Kantonen mit extrem hohen Steuersätzen.

Trotzdem reichte das Geld hinten und vorne nicht aus, worauf der Steuersatz jeweils stets von neuem wieder erhöht wurde. Mit dem gleichen Ergebnis und ohne Erfolg auf Besserung. Nun hat Obwalden vor zwei Jahren einen radikal anderen Weg begangen und die Steuern massiv gesenkt. Heute gehört der Kanton zu den Top-Fünf-Adressen in ganz Europa, was die Unternehmenssteuern betrifft! Zuerst hat der Kanton aber gespart: Obwalden hat die Regierung verkleinert, die Ämter reduziert, die Ausgaben eingefroren, die Schulden abgebaut. Einfach so? Aus Plausch? Aus Neugier?

Nein. Weil es der richtige Weg ist, den schon andere Kantone beschritten haben (etwa Zug, Nidwalden, Appenzell). Vielleicht auch, weil ihnen eine Partei im Nacken sass, die diesen Richtungswechsel konsequent einforderte. Eine Partei, die mit Erfolg eine Verkleinerung der Regierung per Volksinitiative durchsetzte. (Meine Bescheidenheit und mein Amt als Bundesrat verbieten mir jetzt, den Namen dieser Partei zu nennen, sonst würde man mir Wahlkampf vorwerfen.)

5. Entlastung, Entlastung, Entlastung

Wer also Wirtschaftswachstum will, muss die Unternehmen entlasten. Und zwar radikal.
Wer Wirtschaftswachstum will, darf Arbeit nicht mit Sondersteuern belegen.
D.h. beispielsweise keine IV-Sanierung mit Lohnprozenten. Die Arbeit verteuern, heisst aber nur, dass die Unternehmer gezwungen werden, irgendwo wieder Kosten zu senken, was leider oft auch durch Entlassungen geschieht. Wer also glaubt, die Invaliden-versicherung sanieren zu können, indem er die Arbeit verteuert, verstärkt nur das Problem.

In diesem Frühjahr hat das Parlament einer Unternehmenssteuerreform zugestimmt. Sie hat zum Ziel, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Unternehmergewinnen zu beseitigen. Endlich wird eingesehen, dass ein Unternehmen den ausgeschütteten Gewinn nicht zweimal versteuern muss. Diese Doppelbesteuerung trifft vor allem die vielen kleineren Firmen, wo Unternehmer und Besitzer in einer Person agieren. Es darf doch nicht sein, dass jeder Erfolg doppelt besteuert, also doppelt bestraft wird. Dass nun ausgerechnet jene, die sich sonst gerne als Anwälte der „Steuergerechtigkeit“ ausgeben, dieses offensichtlich ungerechte Konstrukt beibehalten wollen, spricht Bände. (Dieses Mal gebietet mir nicht nur mein Bundesratsmandat, sondern auch die Höflichkeit, den Namen der verantwortlichen Partei zu verschweigen.) Sicher: Besser wäre es gewesen, alle Aktionäre, nicht nur die grossen, zu entlasten – wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

6. Die beste Förderung ist die Nicht-Behinderung

Was hat die Politik zu tun? Die beste Förderung der Wirtschaft besteht immer noch darin, sie nicht unnötig zu behindern in Form von Vorschriften, Regulierungen, Eingriffen, Steuern und Abgaben.

Die beste Wirtschaftsordnung ist eine Freiheitliche!
Die freie Marktwirtschaft erscheint nur dem denkfaulen Beobachter brutal. Denn die Geschichte beweist das Gegenteil: Es ist einzig die Marktwirtschaft, die so viel Wohlstand unter so viel Menschen gebracht hat, und es ist einzig die Marktwirtschaft, in der sich der Tüchtige dank seiner Tüchtigkeit durchsetzen kann – ungeachtet seiner Hautfarbe, Religion oder Herkunft.

Die Neigung der Politik, und namentlich der Politiker, in die Marktwirtschaft einzugreifen, war und ist gross.

Immer wieder und überall versucht man diesen Markt zu „gestalten“, zu „formen“, zu „bemuttern“. Diese Eingriffe werden meistens für besonders „sozial“ oder „gerecht“ erklärt – aber wir haben es in Wahrheit nur mit besonders sozialem Geschwätz zu tun.

Darum lautet die letzte und wichtigste Schlussfolgerung: Die beste Förderung der Wirtschaft ist ihre Nichtbehinderung durch den Staat.

7. Voraussetzung für den Erfolg: Handlungsfreiheit
Was können wir zum Schluss festhalten? Die Schweizer Wirtschaft ist erfolgreich, so lange die Politik ihr diesen Erfolg ermöglicht. Optimale Rahmenbedingungen für einen Kleinstaat wie die Schweiz können wir aber nur als selbstständiger Staat schaffen.

Ich sage Ihnen mit Überzeugung: Ja, die Schweiz hat Zukunft. Ja, die Schweiz wird ihren Weg finden. Unter einer Voraussetzung: Wenn ein Land seine Geschicke bestimmen will, muss es frei handeln können. Die Handlungsfreiheit, die Selbstbestimmung, die Unabhängigkeit ist das höchste Gebot!

Genau darum haben auch die KMU eine Zukunft. Die internationalen Grossgebilde wie die EU mit ihren Nivellierungen sind KMU – feindlich!

Wenn wir nicht selber bestimmen können, sondern fremd bestimmt werden, müssen wir uns gar nicht den Kopf zerbrechen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Denn andere werden diesen Weg bestimmen – doch die haben verständlicherweise andere Ziele, als die schweizerischen KMU zu erhalten!!

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