«Ich gehe von der Wiederwahl aus»

Er ist der umstrittenste aller Bundesräte: Im Gespräch mit SonntagsBlick erklärt Christoph Blocher, dass er von einer zweiten Amtszeit ausgeht, wie er das Land verändern will und welche Rolle sein Frau bei all dem spielt.

02.09.2007, SonntagsBlick, Marc Walder und Christian Dorer

Gratulation, Herr Bundesrat!
Wozu?

Zu Ihrer Wiederwahl. Wir haben gerechnet und können schon jetzt feststellen: Es reicht locker.
Locker nicht, aber ich gehe von der Wiederwahl aus.

Also geben Sie zu, dass die Anzeigenkampagne der SVP nur der Mobilisierung dient?
Das ist ja nicht verboten. Die SVP zeigt auf, dass ein Geheimplan besteht wie man Blocher aus dem Bundesrat werfen will. Nur weil er eine Politik macht, die den Gegnern nicht passt, die aber – wie die Abstimmung über das Asylgesetz zeigte – vom Volk getragen wird.

Aber das ist doch nicht neu! Für die Linke waren Sie noch nie wählbar.
Neu sprechen die Grünen von «Omertà», von einem Bündnis des Schweigens. Das will die SVP öffentlich machen.

War die Mobilisierungskampagne Ihre Idee?
Nein. Aber die SVP hat mich gefragt, ob ich einverstanden bin.

Woher kommt eigentlich das Geld für solche landesweiten Feldzüge?
Es gibt Leute, die unterstützen gute politische Kampagne. Man muss sie sauber entwerfen und dann vorlegen, dann gibts Spender. Das macht die SVP. Bevor ich Bundesrat war, habe ich persönlich solche Kampagnen mitfinanziert. Jetzt tue ich dies nicht mehr.

Viele Parlamentarier glauben, Sie seien Ihres Amtes nicht würdig: Sie haben zwei Albaner zu Unrecht als Kriminelle bezeichnet, sie haben in der Türkei das Schweizer Antirassismus-Gesetz kritisiert …
Jetzt wird auf die Person gespielt um die politische Abwahl zu verdecken. Es wird noch viel Dreck geworfen werden. Der Grund ist nicht schlechte Arbeit, sondern weil ihnen die Politik nicht passt, weil ich den Asylmissbrauch unterbinde, weil ich die Ausländerkriminalität bekämpfe, weil ich die hohen Staatsausgaben senken möchte und die Schweiz nicht in der EU haben will.

Keine andere Partei wirbt so sehr mit ihrem Bundesrat.
Kein anderer Bundesrat wird so angefeindet. Die SVP-Werbung ist das Produkt ihrer Gegner.

Was, wenn Sie trotz aller Umfragen abgewählt werden?
Dann schliesst man einen grossen Teil der Bevölkereung aus dem Bundesrat aus. Man treibt sie in die Opposition, und es bleibt nur die Politik ausserhalb der Regierungsverantwortung.

Wie würden alles blockieren?
Ich will die Schweiz bewahren und voranbringen, nicht blockieren. In der Opposition hat man ein eigenes Programm und müsste in wesentlichen Fragen das Referendum ergreifen. CVP und FDP müssten mit der Linken regieren. Ich glaube, das wollen sie nicht. Es wäre für sie gefährlich.

Ein Politiker muss doch nicht gefährlich sein!
Darum wollen wir die Opposition nicht, aber wenn sie einem aufgedrängt wird, muss man es in Kauf nehmen. Missstände jedoch, die ich heute direkt im Bundesrat anspreche, müsste ich dann öffentlich machen. Und da würde meine Erfahrung in der Regierung helfen: Ich kenne jetzt den Betrieb.

Die SVP würde sich dabei totlaufen: Es braucht enorm viel Einsatz und Geld, ständig gegen alles zu opponieren.
Natürlich. Aber wenn die Schweiz das braucht, nimmt man es auf sich. Macht die Opposition die Arbeit gut und überzeugend, kommt die Opposition früher oder später an die Macht. Sie nützt sich weniger schnell ab als die Regierung.

Und falls Sie wieder gewählt werden, Herr Blocher: Welches Departement hätten Sie dann gern?
Ich würde gerne das schwierigste übernehmen, das mit den grössten Problemen. Alle Sozialwerke zusammen nehmen und dafür sorgen, dass diese finanzierbar sind. Vom Alter her, wäre ich der Richtige.

Was wollen Sie damit sagen?
Das ist die undankbarste aber wichtigste Aufgabe. In vier oder acht Jahren ist man da verheizt. Ein junger Politiker kann sich das nicht leisten.

Und was würden Sie in diesem Amt verwirklichen?
Dafür sorgen, dass wir die Sozialwerke auch langfristig ohne zusätzliche Lohnprozente oder höhere Mehrwertsteuern finanzieren können.

Sie würden also die Renten kürzen?
Angesichts der guten Wirtschaftslage drängt sich bei der AHV keine Massnahme auf. Längerfristig gibt es nur drei Möglichkeiten: Renten kürzen, Lohn- oder Mehrwertsteuern erhöhen oder länger arbeiten. Ich glaube, Letzteres ist das sozial Erträglichste.

Arbeiten bis 67?
Das müssen dann die Berechnungen ergeben. Bei der IV wäre die Unterbindung der missbräuchlichen und leichtfertigen Rentenbezüge in den Vordergrund zu stellen, wie die 5. IV-Revision dies will.

Hand aufs Herz: Bundesrat war immer Ihr Traum.
(Energisch) Nein. Klar ist, als Unternehmer hat man im Ganzen gesehen mehr innere Befriedigung…

…als wenn man an der Führung eines Landes mitbeteiligt ist?
Sie überschätzen den Bundesrat. Die Schweiz führt sich selber. Das Wesen des Staats sind die Bürger. Der Bundesrat ist die Exekutive: in erster Linie oberste Führung der Verwaltung. Als Unternehmer trägt man das volle Risiko, aber sie können auch entscheiden. Vor allem hat man es mit weniger Intrigen zu tun.

Ihre Frau hat dieser Tage gleich mehrere Auftritte. Spannen Sie sie in den Wahlkampf ein?
Meine Frau lässt sich nicht einspannen. Sie erzählt über die Politik in ihrem Leben, weil sie oft dazu angefragt wird.

Sie ist Teil Ihres Wahlkampfes.
Sie tut es schon seit zwei Jahren. Dass die SVP sie in Wahlzeiten mehr anfragt, kann man der Partei nicht verübeln.

Bisher galt: Bundesratsgattinnen halten sich im Hintergrund.
Jede Bundesratsgattin kann tun, was sie für richtig hält. Früher war meine Frau gebunden – mit Haus, Kindern, Geschäft, Unterstützung für mich in der Politik. Sie hat, wie viele andere auch, ihren Beruf aufgegeben für die Familie. Sie hat aber Kindererziehen nie als minderwertige Funktion angesehen. Ihre Erfahrung ist für viele Frauen eine Hilfe.

Ihre Frau könnte zur SVP-Wahllokomotive werden.
Umso besser! Sie ist ein überzeugtes SVP-Mitglied.

Vielen Politikern wäre der Auftritt ihrer Frau peinlich.
Mir nicht. Sie macht die Sache überzeugend, die Zuhörer sind begeistert. Im EWR-Abstimmungskampf war sie meine Stabschefin, auch heute gebe ich ihr meine Reden zum Lesen. Sie war ja Lehrerin, sie merkt sofort, wenn etwas zu kompliziert ist für die Leute. Das ist hilfreich. In der direkten Demokratie sind alle gefordert.

Wird Sie auch dieses Interview gegenlesen?
Wenn die Zeit reicht, hoffentlich.

Was wären Sie ohne Ihre Frau?
Das weiss man nie. Sicher nicht der Gleiche. Ich hätte die vielen Führungsaufgaben in Wirtschaft, Politik, Armee, Familie und so weiter nicht wahrnehmen können, wenn sie nicht alles mitgetragen und mich nicht unterstützt hätte. Frauen sind für Männer wichtig!

Lassen Sie uns die Wahlkampfthemen durchgehen. Zuerst der Punkt Steuergerechtigkeit: Sie geben sich als Bundesrat des kleinen Mannes aus, zugleich befürworten Sie Steuererleichterungen für Reiche.
Ich will Steuererleichterung für alle! Wenn es uns gelingt, dass wir viele reiche Leute haben, dann zahlen diese Steuern somit kann man für alle die Steuern senken. Natürlich ärgere ich mich auch, dass ein reicher Ausländer viel weniger Steuern bezahlt als ich. Aber, wenn man ihm diese Vorzüge nicht gibt, geht er in ein anderes Land. Reiche Leute sind eben als Steuerzahler begehrt.

Für reiche Schweizer gibt es ebenfalls Möglichkeiten, Steuern zu umgehen, für den Normalbürger aber nicht.
Ich weiss nicht, wo ich etwas umgehen könnte! Aber Reiche können in steuergünstige Länder oder Kantone ziehen.

Wahlkampfthema Jugendgewalt: Die Delikte nehmen nicht zu, aber sie werden brutaler.
Reden wir Klartext: Einfache Körperverletzung, Raub und Drohung nehmen zu, und zwar vor allem bei Jugendlichen und Ausländern. 55 Prozent der Verurteilten sind Ausländer.

Wahlkampfthema Klimawandel: Da hört man nichts von Ihnen.
Da sprechen andere genug. Ich halte nichts von dieser Angstmacherei.

Wollen Sie abstreiten, dass sich die Atmosphäre erwärmt?
Das Klima verändert sich ständig. Man darf den Einfluss des Menschen nicht überschätzen. Aber selbstverständlich habe ich nichts dagegen, dass wir etwas für weniger Abgase und saubere Luft etwas tun.

Klimaforscher warnen eindringlich. Muss da die Politik nicht reagieren?
Die Schweiz tut ja schon enorm viel. Man darf aber nicht vor lauter Weltuntergangsstimmung den Kopf verlieren und falsche Entscheide treffen. Entscheide, die den Leuten den Arbeitsplatz und die Lebensmöglichkeit nimmt.

Wahlkampfthema Familienpolitik: Da vertreten Sie ein sehr konservatives Leitbild.
Schon der Begriff «Familienpolitik» ist mir suspekt. Lasst die Familien in Ruhe und verpolitisiert sie nicht.

Die Politik muss Rahmenbedingungen für Familien schaffen. Es braucht Kinderkrippen, sonst können sich viele Frauen die Arbeit nicht leisten.
Der Staat sorgt dafür, dass Familien nach ihren eigenen Modellen leben können. Für die Kinder sind die Eltern verantwortlich, der Staat für gute Ausbildung, Man kann die Kinder nicht einfach dem Staat übergeben. Wer die Kinder aus existenziellen Gründen nicht betreuen kann, bei dem muss der Staat für Krippenplätze sorgen. Es ist ein fürsorgerisches Anliegen.

Sollen Frauen nicht mehr arbeiten, wenn sie Kinder haben?
Das muss jede Frau selber entscheiden. Aber sie muss dann auch für die Kinderbetreuung sorgen.  Warum sollen Leute, die keine Kinder haben, mit ihren Steuern dafür zahlen. Wenn eine Frau ihren Beruf wichtiger findet als das Wohl ihrer Kinder, dann muss sie auch bereit sein, den Lohn für die Krippe einzusetzen.

← Zurück zu: Artikel