Der Schweizer Föderalismus unter Effizienzdruck: was sind die Perspektiven?

Bern. An der Pressekonferenz zur 2. Nationalen Föderalismuskonferenz sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Globalisierung und deren Folgen. Die Erfahrung zeige, dass gerade in einer unübersichtlich gewordenen Welt übersichtliche Organisationen mit klar zugewiesenen Verantwortungsbereichen effizienter seien. Dies gelte sowohl für die Wirtschaft, als auch für die Politik.

27.08.2007, Bern

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

Meine Damen und Herren

Ich freue mich, Ihnen zusammen mit Herrn Ständerat Christoffel Brändli, Herrn Regierungsrat Kurt Wernli und Herrn Staatsschreiber Peter Grünenfelder die 2. Nationale Föderalismuskonferenz vorzustellen. Sie findet vom 27. – 28. März 2008 in Baden statt.

Föderalismus und Globalisierung?

Je stärker die Globalisierung voran schreitet, je mobiler Menschen und Unternehmen sind und je komplexer die Probleme werden, desto mehr glaubt man die Lösung auf hoher Ebene in zentralistischen und fusionierten Strukturen lösen zu müssen. Dieser Trend ist unverkennbar. Ist dies aber auch richtig?
Wer Anhänger der Devise ist, „je grösser, desto effizienter“, wird in der schweizerischen Kleinräumigkeit – 26 Kantone, 2721 Gemeinden – nur noch Nachteile sehen. Er wird die Gemeinde- und Kantonsgrenzen als Hindernisse in einer zunehmend globaleren Wirtschaft und Gesellschaft betrachten.

Damit ist das Thema der Föderalismuskonferenz gegeben: Ist unser kleinräumiger Föderalismus dem Effizienzdruck gewachsen? Hat er, so wie er ist, noch Zukunftschancen? Liegt die Zukunft nur noch in Zentralisierungen und in grossräumigen Fusionen?
Ich verheimliche Ihnen nicht, dass ich den Weg „je grösser desto effizienter“ nicht teile. Die Zentralisierungstendenzen betrachte ich eher als Ausdruck klein karierten Denkens und als allzu technokratisch. In der Wirtschaft sind die Fusionen und Zusammenlegungen oft Bilanzkosmetik und Grössendenken. Sie haben nicht einmal die buchhalterischen Kostenvorteile gebracht, nicht zuletzt, weil man dadurch gewachsene und effiziente Strukturen zerstörte. Das gilt noch mehr für die Politik.

Die Erfahrung zeigt, dass gerade weil die Welt unübersichtlicher geworden ist, in der Wirtschaft und in der Politik autonome, übersichtliche Organisationen mit klar zugewiesenen Verantwortungsbereichen effizienter sind.

Föderalismus erzeugt Wettbewerb

Und ich bin überzeugt, dass der Föderalismus, der um die beste Lösung wetteifern muss, effizient ist. Aber der Wettbewerb unter den Kantonen wird allzu häufig nur in Bezug auf die Steuern wahrgenommen und von den Steuerzahlern auch geschätzt. Der Steuerwettbewerb ist indessen nur ein Aspekt. Letztlich geht es um einen umfassenden Ideen-Wettbewerb, um einen Wettbewerb der Systeme!

Ein solcher Wettbewerb ist neben dem Steuerwettbewerb zum Beispiel auch für politische Rechte, Schulsysteme, Polizeisysteme, , Infrastruktur, Ausbildungsmöglichkeiten, Behördenorganisationen, Familienpolitik, Wirtschaftsbedingungen zu begrüssen. Das vielfältige Suchen nach dem für die Bürger „Beste Lösung“ erscheint vielen als unnötiger Verschleiss. Es ist jedoch ein äusserst wertvoller Mechanismus, um die Spreu vom Weizen zu trennen und stets das Bessere anzustreben.

Föderalismuskonferenz 2008

Darum stellen sich folgende Fragen:

* Ist es zweckmässig, wenn die Kantone harmonisieren und alle das gleiche tun? Ist dies nicht das Ende des Föderalismus?
* Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Bund oder Kantone in einzelnen Fragen den Wettbewerb ausschalten – wie etwa bei der materiellen Steuerharmonisierung?
* Wie ist sicherzustellen, dass Wettbewerb, Effizienz und Grössendenken in Einklang gebracht werden können?

In verschiedenen Einzelbeiträgen und in 8 Ateliers diskutieren Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik diese Fragen und debattieren darüber, was der Föderalismus zu einer effizienten Schweiz beiträgt – oder eben nicht.

Die Nationale Föderalismuskonferenz 2008 in Baden findet zweieinhalb Jahre nach der Nationalen Föderalismuskonferenz 2005 in Freiburg statt. Letztere hatte den „kooperativen Föderalismus“ und die institutionelle Zusammenarbeit zum Thema.
Weil die Veranstaltung auf grosses Interesse stiess und der Föderalismus ein – auch international sehr beachteter – Grundpfeiler unseres Staates ist, haben der Bund und die Kantone beschlossen, eine zweite Konferenz durchzuführen. Der Kanton Aargau hat sich in verdankenswerter Weise bereit erklärt, die Organisation zu übernehmen; er wird dabei unterstützt durch ein Leitorgan.

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