Freier Wettbewerb IST fairer Wettbewerb. Warum der Bundesrat für die Privatisierung der Swisscom eintritt

01.06.2006, Bern

Bern. Vor dem Verband der schweizerischen Telekommunikationsbenützer asut sprach sich Bundesrat Christoph Blocher für eine baldige Privatisierung der Swisscom aus. Es sei die Aufgabe unserer Zeit, wieder vermehrt die Marktwirtschaft und ihre grosse soziale Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Bundesrat Christoph Blocher forderte die asut auf, sich auch weiterhin für den freien Wettbewerb einzustetzen.

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

1. Ein Geständnis

Obwohl ich schon früher vor Ihrem Verband gesprochen habe, musste ich mich bei Ihrer erneuten Anfrage zuerst „an den Kopf langen“. Was ist schon wieder „asut“? Etwa ein arabisches Tellergericht? Dann erinnerte ich mich wieder: „asut“ steht für „association suisse des utilisateurs de télécommunication“ oder auf deutsch „Schweizerischer Verband der Telekommunikationsbenützer“.

Gut und schön. Was um alles in der Welt ist aber ein „utilisateur de télécommunication“, ein „Telekommunikationsbenützer“? Man klärte mich wiederum auf: Jeder, der in irgendeiner Form Informationen austauscht, ohne diese materiell zu transportieren.

Ein Brief schreiben ist also eine materielle Form der Kommunikation. Als Briefschreiber bin ich folglich kein utilisateur de télécommunication. Telefoniere ich dagegen, betreibe ich eine immaterielle Form des Austausches. Insofern gehöre auch ich zu den Telekommunikationsbenützern. Braucht es einen Verband für Telefonierer? Offenbar ja. Denn die „asut“ ist in eigenen Worten „ein politisch neutraler Firmenverband von Benutzern und Anbietern in der Telekommunikation“. Die spezielle Ausrichtung des Verbandes liege bei den Benutzerinteressen.

Und hier setzt sich die „asut“ zwei Hauptziele:
Erstens, die Förderung des freien und fairen Wettbewerbs im Schweizer Telekommunikationsmarkt.
Zweitens, die Vertretung der Interessen der Benutzer und Anbieter gegenüber den Regulierungs- und politischen Behörden.

Sie vertreten also die Interessen der Benutzer und Anbieter gegenüber der Politik. Das ist wichtig und gut. Dass Sie sich gleichzeitig für Anbieter und Benutzer einsetzen, ist löblich. Die Behörden sind ja permanent am Regulieren und es ist immer wieder erstaunlich, was es angeblich alles zu regulieren gibt. Darum ist es nötig, dass die von der Regulierung Betroffenen sich Gehör verschaffen.

2. Jeder Buchstabe ein Monopol

Gegründet wurde Ihr Verband 1974 und sein erstes und wohl auch wichtigstes Ziel mündet in der Forderung nach einem freien und fairen Wettbewerb im Schweizer Telekommunikationsmarkt.

Vor dreissig Jahren herrschte in unserem Land tatsächlich noch der totale Monopolbetrieb. Service Public war nur durch Monopole denkbar. Durch eine PTT, die mit jedem Buchstaben ein Monopol für sich beanspruchte: P für Post. T für Telegraphie. Für Telefon. Die Post muss uns an der heutigen Veranstaltung nicht beschäftigen, denn sie erledigt den materiellen Austausch von Informationen, ist also kein Telekommunikations-Anbieter. Also bleibt noch das zweite T – das Telefonieren.

Das staatliche Monopol erstreckte sich – das werden wohl noch die meisten der hier Anwesenden wissen – bis in unsere Wohnzimmer. Das Monopol materialisierte sich gewissermassen auf unseren Kommoden: Das Monopol war grau, hatte eine runde Wählscheibe, eine Gabel, worin ein ebenfalls grauer Hörer lag. Manchmal kam das Monopol auch in schwarzer Farbe daher. Es war jedenfalls so, dass ausschliesslich die PTT ihre eigenen Telefonmodelle verkaufen durfte. Insofern war den Benutzern die Entscheidung abgenommen. Ich verstehe also, dass sich 1974 ein paar Firmen zusammentaten, um diesen Zustand zu beenden.

Heute kann tatsächlich jeder Kunde frei zwischen verschiedensten Anbietern auswählen! Die Telefone sind bunt, schrill, gediegen, mit allem möglichen technischen Schnickschnack ausgestattet, mit Schnur, ohne Schnur, mit Display, ohne Display, mit Anrufbeantworter, ohne Anrufbeantworter – dies dank Liberalisierung und Wettbewerb. Die Nostalgiker dürfen natürlich weiterhin ein graues Telefon mit grauem Hörer und geringelter Schnur benutzen – ebenfalls dank Liberalisierung und Wettbewerb.

Das Telefon ist das eine, telefonieren das andere. Hier interessiert den Benutzer vor allem der Preis. Was kostet mich eine Minute „Telekommunikation“? Studien haben ergeben, dass wir heute durchschnittlich 40 Prozent günstiger telefonieren. 1978 – also vier Jahre nach Gründung der asut – zahlte man noch 9.60 Franken, um in die USA zu telefonieren. Wohlverstanden: 9.60 Fr. pro Minute. Der Vorteil solcher Preise war, das man sich wenigstens auf das Wesentliche im Gespräch konzentrierte. Heute telefonieren Sie am Wochenende für ca. 10 Rappen pro Minute in die Vereinigten Staaten. Mit der Liberalisierung kam der Wettbewerb, mit dem Wettbewerb bessere Produkte und günstigere Tarife.

3. Ein Bisschen privatisiert. Zur Swisscom

Unser Telekommunikationsmarkt ist erst ein Bisschen privatisiert. Und genau darin liegt sein Problem. Der Staat ist nach wie vor Mehrheitsaktionär der Swisscom und diese verfügt über ein Teil-Monopol durch die so genannte „letzte Meile“.

Die Frage nach der Verselbständigung der Swisscom hat Ende letzten Jahres einige Emotionen aufgewühlt. Die Swisscom stand damals kurz vor der Übernahme der Eircom, einer irischen Telefongesellschaft. Eine Investition von mehreren Milliarden. Die SWISSCOM, die Wachstumsschwierigkeiten hat, wollte eine gleiche Gesellschaft mit den gleichen Schwierigkeiten kaufen. Damit löst man kein einziges Problem. Man wird zwar grösser, betreibt aber reine Bilanzkosmetik! Der Bundesrat als Vertreter des Mehrheitsaktionärs musste handeln. Er stoppte das Vorhaben. Es gelang: Die SWISSCOM verzichtete auf den verhängnisvollen Kauf, änderte die Strategie und wechselte die Spitze aus. Alles im Interesse der SWISSCOM. Eine schnelle, wirkungsvolle und strategisch wichtige Weichenstellung.

Doch ein Problem ist geblieben: Der Staat – der Bund – als Mehrheitsaktionär der SWISSCOM. Mehrheitsaktionär eines Unternehmens , das im freien Wettbewerb stehen und bestehen soll.

4. Der Staat als Unternehmer?

In einem freien Wettbewerb darf der Staat nicht als Unternehmer auftreten. Er ist grundsätzlich der falsche Eigentümer. Erst recht, wenn damit eine internationale und damit zwangsläufig risikoreiche Tätigkeit verbunden ist.

Bundesräte sind und bleiben politische Behörden und sind nicht dafür gewählt, Unternehmen zu führen. Aber unabhängig davon, ob wir fähig sind oder nicht, dem Bundesrat obliegt nun mal die Verantwortung über die zum Staat gehörenden Unternehmen. Diese Verantwortung nicht wahrzunehmen – sei es aus Unfähigkeit, Furcht oder Schlamperei – auch das geht nicht. Darum musste der Bundesrat entschieden und er hat entschieden! Wann die SWISSCOM endlich die staatlichen Fesseln abwerfen kann, wird sich zeigen. Der Bundesrat ist der Meinung, dass es bald geschehen sollte, ebenso die heutige SWISSCOM-Führung. Dann endlich herrscht Wettbewerb.

5. Freier Wettbewerb = Fairer Wettbewerb

Ich kann Sie also nur unterstützen in Ihren Bemühungen für einen freien und fairen Wettbewerb. Möchte aber gleich anfügen: Ein freier Wettbewerb ist immer die fairste Form des Wettbewerbs. Wettbewerb heisst Marktwirtschaft: Alle haben gleiche staatliche Bedingungen. Der Bessere, der Günstigere, der Tüchtigere gewinnt! Fairness darf nur nicht heissen, wir sitzen zusammen und teilen den Kuchen schön gleichmässig unter uns auf.

Fairness heisst nicht, die Wettbewerber nehmen aufeinander Rücksicht und wir sind alle eine grosse, harmonische Familie.

Der freie Wettbewerb ist anstrengend und unbequem. Jeder Unternehmer, der Ihnen erzählt, er schätze den Wettbewerb, lügt. Ziel jeden Unternehmers muss es sein, den anderen Wettbewerber auszuschalten. Am liebsten möchte man alleine sein. Das ist nichts Verwerfliches. Das muss so sein. Nur einer hat hier drin nichts zu suchen: der Staat! Er verzerrt den Wettbewerb. Er straft den Tüchtigen!

Wie ich gesehen habe, zählt ihr Verband einige hundert Mitglieder. Darunter auch die Swisscom. Gut so, denn die heutige Führung will die Unabhängigkeit vom Staat. Nur die Politik blockiert (noch). Interessant finde ich auch, dass ein Medienkonzern (Ringier AG) auf Ihrer Mitgliederliste figuriert, der die Privatisierung stets redaktionell massiv bekämpft hat. Vielleicht sollte man dort einmal Ihre Verbandsstatuten laut verlesen.
Der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit – und Freiheit heisst immer frei von staatlichen Einflüssen – ist eine soziale Einrichtung. Die Neigung der Politik, und namentlich der Politiker, in die Marktwirtschaft einzugreifen, war und ist gross. Immer wieder und überall versucht man diesen Markt zu „gestalten“, zu formen, zu bemuttern, zu helfen. Das sind alles unsoziale Taten, die als soziales Geschwätz daherkommen.

Es ist die Aufgabe unserer Zeit, wieder vermehrt die Marktwirtschaft und ihre grosse soziale Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Vor lauter gut gemeintem, „sozialem“ und ideologischem Gebaren wird leicht vergessen, wie sozial die Marktwirtschaft ist. Nur sie gewährleistet eine funktionierende Versorgung der Menschen mit Gütern. Wo sie nicht existierte, gingen Staaten und Völker gleichermassen bankrott. Die Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft ist die soziale Forderung unserer Tage! Dazu gehört auch ein freier Wettbewerb. Setzen Sie sich weiterhin für dieses Ziel ein.

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