«Meine Freunde sind entäuscht von mir»

Was er auch tut, er macht es mit Herzblut. Mit einem inneren Feuer. Und mit messerscharfem Verstand. Christoph Blocher bewegt. Nicht nur die Politik. Sondern auch die Menschen. Sie hassen oder lieben ihn – etwas dazwischen gibt es kaum. Als Oppositioneller schaffte er vor zwei Jahren den Sprung in den Bundesrat. „Und ich bin froh, dass ich mich für dieses Amt entschieden habe“, sagt der 65-Jährige heute. Seine Bilanz der ersten 24 Monate fällt positiv aus. Die Regierungskollegen hätten ihn weder ausgegrenzt noch blockiert. „Ich konnte viel erreichen, sogar mehr als ich erwartet habe.“

24.12.2005, Schweizer Illustrierte, Christine Zwygart

Christoph Blocher ist Unternehmer. Und wie ein Wirtschaftsboss führt er auch seine Polizei- und Justizdirektion. Die reduzierte die Kosten um jährlich 80 Millionen Franken, „und zwar ohne Leistung abzubauen“. Und auch im Asylwesen habe er viel bewirkt: Dank dem neu revidierten Asylgesetz könne die Schweiz die gravierenden Missbräuche beseitigen. Und: „Der Bundesrat hat in den letzten zwei Jahren keine Dummheiten beschlossen“, betont Blocher. Sicher sei nicht alles so entschieden worden, wie er es gern gehabt hätte. „Aber grosse Böcke wie damals die Milliarden für die Swiss und die Expo – solche Sachen haben wir uns nicht geleistet.“

Der Blick zurück lässt viele Momente wieder aufleben. Auch seinen Wahltag im Dezember 2003. „Ich hoffe, dass Gott hilft, dass es gut herauskomme“, sagte Blocher damals. Hat Gott geholfen? „Ja natürlich!“

Sie haben vor zwei Jahren orakelt, dass Sie Freunde enttäuschen werden. Haben sich Ihre Befürchtungen bewahrheitet?
Ja natürlich. Als Bundesrat muss ich manchmal Entscheide vertreten, die ich persönlich nicht teile. Meinen Freunden muss ich zumuten, dass ich nicht mehr auf ihrer Seite kämpfe.

Tut das weh?
Das tut mir manchmal leid. Denn ich merke, dass sie enttäuscht sind und mühe damit haben. Aber ich muss ihnen das halt einfach zumuten.

Sie spalten die Schweiz. Man liebt oder hasst Sie – egal sind Sie niemandem.
Damit lebe ich schon seit über 30 Jahren. Persönlichkeiten haben eben eine starke eigene Meinung. Die einen können sich damit identifizieren, andere nicht. Wie jeder Mensch möchte ich geliebt und nicht gehasst werden. Aber ich gehe meinen Weg. Denn nur wer keine Meinung hat, ist bei allen ein bisschen beliebt. Aber solche Menschen werden dafür nicht respektiert.

Als was fühlten Sie sich mächtiger: Als Bundesrat oder zuvor als Nationalrat?
In den ganz grossen Fragen und Auseinandersetzungen hatte ich als Nationalrat mehr Gewicht. Das Nein zum europäischen Wirtschaftsraum EWR – die wichtigste Abstimmung der letzten 50 Jahre – hätte ich als Bundesrat wohl nicht erkämpfen können. Auf der anderen Seite habe ich in den letzten zwei Jahren viel in die Regierung hineintragen können. Es ist also eine durchzogene Bilanz. Trotzdem bin ich mir heute sicher, dass meine Position im Bundesrat stärker ist.

Hand aus Herz, Sie wünschten sich manchmal doch auch, Sie hätten die Wahl in den Bundesrat nie angenommen.

Natürlich. Mehr als einmal. Aber ich verscheuche den Gedanken. Ich habe mich dafür entschieden, und ich wäre ein Feigling nun zu sagen, anderswo wäre es schöner. Da gebe ich mit jeweils einen Schubs und sage zu mir selber: Frage Dich nicht was schöner wäre, sondern mach was wichtig ist.


Christoph Blocher ist Kunstsammler. Und sein Büro im Bundeshaus eine Offenbarung. Der Holzfäller von Ferdinand Hodler, ein Werk („Im Schneesturm“) von Rudolf Koller und zwei Stilleben von Albert Anker – letztere aus Blochers Privatbesitz. „Ich habe doch das schönste Büro der ganzen Eidgenossenschaft“, sagt der Bundesrat und lacht. Landschaften sammelt er leidenschaftlich. Eben erst wurde das Hodlers Werk „Eiger, Mönch und Jungfrau über dem Nebelmeer“ für 4,8 Millionen Franken versteigert. Ob er wohl… „Das ist mir zu teuer gewesen. Obwohl es in zehn Jahren vielleicht einen Wert von 20 Millionen hätte.“ Das wisse man bei der Kunst eben nie.
Sein Lieblingsbild ist im Moment ein Werk von Albert Anker, das einen Grossvater mit seinen beiden Enkeln zeigt. “ Ein grosartiges Bild, das die Bedeutung des Alters und der Jugend phantastisch gegenüber stellt“, schwärmt der Bundesrat. Immer wenn er in seine Villa nach Herrliberg ZH zurück kommt, stellt er sich zuerst vor dieses Bild – weil es so etwas tröstliches habe, sagt der vierfache Grossvater.

 

Haben Sie noch Zeit für Ihre Familie und Ihre Enkel?

Wenig, aber die Sonntage halte ich mir in der Regel immer frei. Es ist wenig Zeit, die wir miteinander verbringen. Aber meine Kinder sind ja auch schon gross und brauchen mich nicht mehr jeden Tag. Dafür geniessen wir dann jede gemeinsame Minute.

Sie gehen sonntags oft spazieren. Was machen Sie sonst zum Entspannen?

Ich bin ein grosser Musikliebhaber. Wenn ich nachts nicht schlafen kann stehe ich auf und höre Mozart oder Mendelsson. Das sind jeweils wunderschöne Stunden. Ich habe aber auch Zeit zum Lesen, denn ich schaue kein Fernsehen und höre kein Radio. Morgens gehe ich laufen und joggen. Mit zunehmendem Alter zwar immer ein bisschen langsamer, ich geniere mich auch nicht zwischendurch zu gehen.

Sie feierten Ihren 65. Geburtstag. Und Sie wollen 2007 nochmals bei den Wahlen antreten. Haben Sie Angst vor dem Ruhestand?

Ich habe gar nicht das Gefühl, dass ich schon 65 Jahre alt bin. Mein Temperament und meine Kraft erlauben es mir, immer noch etwas zu leisten. Den meisten bin ich ja sogar viel zu aktiv! Man könnte also nicht meinen, ich sei der Älteste hier im Betrieb. Heute brauche ich aber mehr Ruhezeit, ganze Nächte ohne Schlaf durcharbeiten wir früher kann ich nicht mehr. Dafür verfüge ich heute über eine grosse Erfahrung, und vieles geht mir leichter von der Hand.

 

Christoph Blocher ist Politiker. Durch und durch. Die Wahl in den Bundesrat hat sein Leben verändert. Aber einiges ist doch gleich geblieben. „Ich hätte meine Arbeit nicht gut gemacht, wenn mir die Linken und Grünen heute applaudieren würden“, sagt er. Respekt genüge, Liebe sei nicht notwendig. Und auch die jüngste Umfrage, wonach nur 37 Prozent des Volkes ihn in die Regierung wählen würde, nimmt er gelassen. „Immerhin steht ein guter Drittel noch hinter mir. Ich habe so manches angerissen – da ist dieses Resultat doch eigentlich ganz gut.“ Er könne nicht jeden Tag seine Beliebtheit abfragen, sondern müssen ein Departement führen und konsequent seinen Weg gehen.

 

Seit zwei Jahren leben Sie unter der Woche in Bern. Wie gefällt es Ihnen?

Meine schönste Zeit in Bern ist früh am Morgen. Dann gehe ich zu Fuss von meiner Wohnung in der Altstadt ins Büro. Und unterwegs treffe ich immer wieder die gleichen Menschen. Die Frau, die in der Bäckerei die Regale auffüllt. Die Lieferanten, die Ware bringen. Die Mann, der vor seinem Laden die Laube wischt. Die Marktfrauen, die den Tag vorbereiten. Wir grüssen einander, wechseln auch mal ein Wort. Das ist für mich eigentlich der erholsamste Teil des Tages. Der Kontakt mit dem Leben.


Sie sagen selber, Sie hätten kaum noch Kontakt zu den Menschen. Gerade das war jedoch immer Ihre Stärke.

Ich bin im Bundeshaus, in meinem Büro, schon ein bisschen abgeschirmt. Ich sage immer, hier ist meine geschützte Werkstatt, abgeschottet von der Aussenwelt. Und das finde ich nicht so gut. Ich frage mich immer wieder, wie ich diese Kluft überwinden kann. Wenn ich heute irgendwo als Bundesrat hinkomme, haben die Leute sofort Hemmungen mich anzusprechen. Auf der anderen Seite ist es aber auch schön, ihre Dankbarkeit zu sehen. Ich sage meinen Amtsdirektoren immer wieder, dass wir näher ans Leben heran gehen müssen.


Haben Sie einen Herzenswunsch?

Ich wäre schon froh, wenn man mich irgendwann in der Politik nicht mehr braucht. Dann würde ich wandern und mich meiner Kunst widmen. Aber das Paradies ist uns ja leider verwehrt. Und vielleicht sind paradiesische Sachen plötzlich auch nicht mehr so schön, wenn man sie immer hat.

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