Steuerwettbewerb ist etwas Gutes

Mit dem Steuerentscheid der Obwaldner Kantonsbürger hat Justizminister Christoph Blocher kein Problem. Wer die degressiven Steuersätze kritisiere, müsse auch begründen, weshalb denn progressive gerecht sein sollen. Dass sich nach dem Obwaldner Entscheid der Wettbewerb der Kantone um die tiefsten Steuersätze weiter verschärft, ist für Blocher kein Problem. „Nur Kantone, die Steuern senken, bringen uns weiter“, sagt er und spricht sich auch klar für das Konkordanzmodell aus.

21.12.2005, Neue Luzerner Zeitung, Isabel Drews, Jürg Auf der Maur

Obwalden hat ja zu degressiven Steuersätzen für Reiche gesagt. Was sagt der Justizminister dazu?
Obwalden hat entschieden. Die Steuerhoheit liegt bei den Kantonen. Wer degressive Steuersätze für ungerecht hält, muss aber erklären, weshalb progressive gerecht sind. Da gibts auch keine Rechtsgleichheit. Ich habe die Frage rechtlich nicht abgeklärt, aber ich sehe im Obwaldner Steuergesetz kein Problem.

Obwalden erhalte vom Bund viel Subventionen, und locke nun mit Steuergeschenken Reiche an, wird kritisiert.
Das Wort Steuergeschenk kenne ich nicht. Das geht von der Vorstellung aus, das Geld der Bürger gehöre dem Staat und er habe ein Recht darauf, es wegzunehmen! Ich sehe das anders. Ich stelle nicht das Staats-, sondern das Privateigentum ins Zentrum. Für mich gehört das Geld primär den Bürgerinnen und Bürgern. Was der Staat nicht nimmt, ist doch kein Geschenk. Eines darf man nicht vergessen….

Nämlich?
Es waren mehr als 85 Prozent der Stimmbürger, die im Kanton Obwalden Ja zum neuen Steuergesetz sagten. Dort sind nicht 85 Prozent der Leute Milliardäre, aber 85 Prozent haben eingesehen, dass man auf diesem Weg dem Kanton zu Prosperität verhelfen kann. Zudem: Sollte Obwalden mit dieser Strategie Erfolg haben, wird der Kanton auch nicht mehr soviele Subventionen abholen können. Zug oder Schwyz, die ähnliche Wege beschritten, sind nicht als besonders grosse Subventionsbezüger bekannt.

Also kein Problem?
Nein, Obwalden hat erkannt, dass es auf diesem Weg die öffentlichen Finanzen verbessern kann. Es verschärft aber auch den Steuerwettbewerb unter den Kantonen. Das ist doch gut. Nur Kantone, die Steuern senken, bringen uns weiter. Die hohe Steuerbelastung ist eines der grössten Probleme der westlichen Industrieländer.

Ihr Heimatort Zürich sieht das mit dem Steuerwettbewerb ganz anders.
Zürich zahlt die höchsten Sozialleistungen. Der Kanton Schwyz konnte es sich deshalb einfach machen. Er argumentierte, dass jene, die gerne hohe Sozialleistungen haben, nach Zürich ziehen. Selber wollte Schwyz lieber die Steuern senken und gute Steuerzahler anlocken. Das ist aber nicht der Fehler der Schwyzer, sondern jener der Stadt Zürich.
Sparen tönt gut, aber je konkreter es wird, desto weniger sind die Leute bereit Abstriche zu machen. Im Kanton Luzern scheiterte nur schon der Versuch, eine Spitalschliessung oder die Schliessung einer Mittelschule zu prüfen.
Es ist nicht so, dass Kantone mit tiefen Steuern gleichzeitig ein tiefes Steuersubstrat haben. Am Anfang ist das so, aber mit der Zeit nehmen die Steuereinnahmen zu. Denken Sie an die USA, die die Steuern senkten und seit bald 14 Jahren eine Hochkonjunktur erleben.

Der Spardruck wird mindestens am Anfang grösser.
Ich rede von Kosten reduzieren, nicht von sparen. Sparen heisst ja, dass man Geld auf die Bank legt. In meinem Departement werde ich bis 2008 ohne Leistungsabbau Kosten zurückfahren. Um die Kosten 18 Prozent herunterfahren zu können, braucht es fundierte Analysen und Abklärungen. Das ist möglich und notfalls muss man Aufgaben streichen, die den Bürgern nicht weh tun.

Also nicht so wie die Luzerner, die Spital und Mittelschule schliessen wollten?
Ich kenne die Situation in Luzern nicht. Aber man muss aufpassen, dass man nicht dort die Kosten senkt, wo es den Bürger am meisten schmerzt. Dahinter könnte die Absicht stehen, dass es dann abgelehnt wird. Ich erinnere an ein Beispiel: Als es um Kostenreduktion ging, drohte eine Regierung, Schulen zu schliessen oder die Polizei abzuschaffen.

Auf Bundesebene spricht man jetzt auch von einer Verzichtsplanung.
Ich bin überzeugt, dass man auf viele Aufgaben, die der Staat bis jetzt trägt, verzichten kann.

Nämlich?
Alles, was die Privatwirtschaft auch kann: Von der Exportrisikogarantie bis zur Wohnbauförderung, Förderungen aller Art.

Die SVP verlangt die Volkswahl für Bundesräte. Umfragen zeigen, dass Sie nicht gewählt würden. Ändert das ihre Einstellung?
Nein, Volkswahl wäre wichtig.

Das prallt also an Ihnen ab?
Solche Umfragen darf man nicht für bare Münzen nehmen. Selbst wenn es so wäre. Wer Verantwortung trägt, muss doch das tun, was er für richtig hält. Wer seine Entscheide so fällt, dass er am meisten Applaus erhält, macht nie etwas für die Bevölkerung.

Es wird heftig diskutiert, ob das Konkordanzmodell am Ende sei. Ist es?
Konkordanz heisst, dass vier Parteien im Bundesrat vertreten sind und dass sie gemeinsam regieren. Der Bundesrat ist in einer guten Verfassung. Mir ist jedenfalls nicht bewusst, dass wir in den letzten zwei Jahren Fehlentscheide getroffen hätten. Es gab weder ein Swissair-Grounding, noch Milliardenüberschreitungen bei einer Expo noch eine Solidaritätsstiftung.

Sie stehen zum Konkordanzmodell?
Konkordanz funktioniert dann, wenn, wie in der Schweiz, das Volk als Korrektiv existiert. Hätten wir keine direkte Demokratie, dann wäre ich gegen das Konkordanzmodell.

Die SVP will doch die SP aus der Regierung drängen?
Das sagen unsere Gegner. Klar, wenn man ein Regierungs-/Oppositionsmodell machen will, dann setzten wir uns für eine bürgerliche Regierung ein. Dann müsste jemand gehen. Es scheint, dass die SP sich für ein solches Modell einsetzt.

Was?
Die SP sagt, die SVP müsse aus der Regierung. Die SP hat offensichtlich mit dem Konkordanzmodell gebrochen.

Bei der SP tönt es umgekehrt. Sie glaubt, die SVP wolle sie aus der Regierung entfernen.
Die SVP hat sich für die Konkordanz entschieden.

Eine rein bürgerliche Regierung hätte in ihren Augen doch Vorteile?
Alles hat Vor- und Nachteile. Doch ich sehe nicht ein, weshalb man jetzt die Konkordanz in Frage stellen muss. Die Konkordanz wird vor allem von jenen in Frage gestellt, die nicht gerne Diskussionen und Auseinandersetzungen haben.

Zur Konkordanz gehört doch auch die Kollegialität. Sie stehen doch auch in der Kritik, sich nicht ans Kollegialitätsprinzip zu halten.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in letzter Zeit gegen Bundesratsbeschlüsse angetreten wäre. Bei der Swisscom zum Beispiel vertrete ich sehr intensiv die Meinung des Bundesrates.

Nationalrat Hugo Fasel hält Sie für eine Gefahr für die Schweiz.
Hugo Fasel ist ein alter politischer Gegner. Er ist in der Swisscom-Frage Gewerkschafter, die selbstverständlich gerne den Schutz des Staates haben.

Ihre Dominanz macht Kreisen Angst, die politisch anderer Meinung sind.
Die Dominanz ist nicht so gross. Ich stelle im Bundesrat oft Anträge, die nicht durchkommen. Zudem habe ich auch Angst vor jenen, die eine andere Politik betreiben wollen.

Weshalb?
Wenn die Linke den Bund so stark finanziell überstrapazieren will, dass das auf die Beschäftigungslage drückt, dann habe ich auch Angst. Aber es braucht Toleranz, die gegensätzlichen Meinungen zu ertragen. Das ist der Sinn der Demokratie.

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