Referat von Bundesrat Christoph Blocher anlässlich des 3. Europäischen Juristentags gehalten am Mittwoch, 7. September 2005 in Genf

Genf, 07.09.2005. Bundesrat Christoph Blocher eröffnete heute den 3. Europäischen Juristentag in Genf. Nach Nürnberg und Athen findet das Treffen dieses Jahr erstmals in der Schweiz statt. In seinem Referat warf Bundesrat Blocher die Frage auf, inwiefern sich der Staat in die privatwirtschaftlichen Verhältnisse einmischen dürfe. Der Justizminister wies darauf hin, dass die Firmen für Ihren Erfolg in erster Linie selbst verantwortlich sind. Dies trotz aller Neuregelungen in der Gesetzgebung die durch die zunehmende internationale Verflechtung notwendig geworden sind.

07.09.2005, Genf

Mesdames les Présidentes,
Excellences,
Mesdames et Messieurs,
Meine Damen und Herren,

Salutations

C’est un honneur de vous souhaiter, au nom du Conseil fédéral et en mon nom personnel, la plus cordiale bienvenue dans notre pays. Le Gouvernement Suisse vous transmet ses vœux les meilleurs pour la pleine réussite de cette 3ème Journée des Juristes Européens, qui, pour la première fois, se déroule en Suisse.

Remerciements

Je ne voudrais pas manquer ici d’exprimer mes plus vifs remerciements aux organisateurs et organisatrices de ce Colloque: Mme Isabelle Häner, Présidente de la Société suisse des juristes et Mme Dominique Brown-Berset, Présidente du Comité local d’organisation, ainsi qu’à tous leurs collègues. Je tiens également à dire ma gratitude à nos partenaires du Comité de patronage, au canton et à la ville de Genève ainsi qu’à l’Académie de droit européen de Trèves qui, par leur soutien, ont permis l’organisation de cette manifestation.

Les thèmes

Les trois thèmes autour desquels s’articuleront vos discussions et vos réflexions ont été fort judicieusement choisis.

„La coordination de la protection des droits fondamentaux en Europe“, votre troisième thème, est un des éléments-clés d’un ordre public européen qui permettra d’assurer la sécurité et la stabilité démocratiques du continent.

Votre deuxième thème, „Le développement d’un droit de procédure civile commun en Europe“, est lui aussi du plus grand intérêt. Elle contribue à renforcer la sécurité juridique, élément indispensable pour l’économie.

La responsabilité des organes

Comme je ne pourrai malheureusement pas suivre l’ensemble de vos débats, permettez-moi de vous livrer quelques réflexions sur le premier de vos thèmes, „La responsabilité des organes de la société et de surveillance en Europe“. Permettez-moi également de poursuivre mon intervention en allemand.

Die Verantwortlichkeit der Gesellschafts- und Aufsichtsorgane liegt mir als früherer Unternehmer verständlicherweise besonders nahe. Das Thema hat aber auch einen engen Bezug zu verschiedenen, laufenden Gesetzesvorhaben in der Schweiz. So die Revisionen des Bundesgesetzes über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren, die Transparenzvorlage und die kommende Aktienrechtsrevision, die sich mit den ganzen Fragen der Rechnungslegung und der Corporate governance befasst.

All diese Neuregelungen sind die Folge der zunehmenden internationalen Verflechtungen, der immer zahlreicheren und ausgeklügelten Finanzderivate und komplexeren Gebilden – aber auch von Missständen in der Unternehmungsführung. Bei eklatanten Vorkommnissen wird darum unverzüglich nach neuen Gesetzen gerufen.

Jedoch ist gerade in solchen Augenblicken zuerst eindringlich nach der Aufgabe des Gesetzgebers zu fragen. Mit anderen Worten: Wie weit soll oder darf sich der Staat in die privatwirtschaftlichen Verhältnisse einmischen.

Allen ist klar, dass sich niemand einen Schaden wünscht. Für die Vermeidung des Schadens bzw. für das erfolgreiche Gelingen sind aber zuallererst die Verantwortlichen in den Firmen zuständig. Sie sind deshalb auch zur Rechenschaft zu ziehen, sofern es nötig wird. Kein noch so ausgeklügeltes Gesetz kann diese Verantwortlichkeit beseitigen.

Beim klassischen Unternehmer ist die Sache klar: Er verliert sein Vermögen, wenn es schief geht. Oder – im umgekehrten Fall – der Erfolg macht ihn reich.

Doch Vieles ist heute anders: Die Verantwortlichen für die Firmenführung sind oft nicht die Eigentümer, und eine Vielfalt möglicher Gesellschaften und Gesellschaftsformen prägen die Wirtschaft. Sie reichen vom kleinen Gewerbebetrieb, bei dem der Geschäftsführer sein ganzes Vermögen in die Gesellschaft investiert hat, bis hin zur milliardenschweren, börsenkotierten Publikumsgesellschaft. Bei dieser ist der Eigentümer so stark aufgeteilt, ja geradezu pulverisiert, dass der Einzelne sein Eigentum kaum mehr wahrnehmen kann. Hier sind allein schon zum Schutze des Eigentums Regeln aufzustellen.

Dazu gehören im Sinn von checks and balances auch sachgerechte Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der Gesellschafts- und Revisionsorgane.

Voraussetzung liberaler Rechtsordnungen

Der Gesetzgeber tut aber gut daran, sich an die Grundsätze einer liberalen Rechtsordnung zu halten. Verantwortung setzt Freiheit voraus. Nicht alles, was man auch noch regeln könnte, soll geregelt werden. Ähnlich der Vertragsfreiheit sollte die Organisationsautonomie einer Gesellschaft nur unter qualifizierten Voraussetzungen durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden.

Es zählt die Verantwortung

Der Gesetzgeber muss der Versuchung widerstehen, jemanden im Wesentlichen bloss deshalb zur Verantwortung zu ziehen, weil bei ihm – im Gegensatz zu anderen – noch etwas zu holen ist. Die gleiche Zurückhaltung sollte im Übrigen selbstverständlich auch die Gerichte leiten.

Offenheit der Kapitalmärkte

Zur heutigen Realität gehört auch die in weitem Umfang realisierte Offenheit der Kapitalmärkte. Dies gilt vor allem für die Schweiz, die der Offenheit eine besondere Bedeutung beimisst. So betrug 2003 der Direktinvestitionsbestand im Ausland 424 Milliarden Franken und damit einen Wert, der fast dem Bruttoinlandprodukt entspricht.

Im Durchschnitt der OECD-Staaten lag dieser Wert bei nur einem Viertel des Bruttoinlandprodukts, was die internationale Verflochtenheit der schweizerischen Wirtschaft auf eindrückliche Weise belegt.

Offene Kapitalmärkte haben nicht nur Vorteile, sie machen auch verletzlich. Sie haben insbesondere nicht nur die eigene, sondern auch die fremde Gesetzgebung zu beachten. Der amerikanische Sarbanes Oxley Act, mit der damit verbundenen Gefahr einer Überreglementierung, spricht diesbezüglich Bände. Nur durch die Anpassung der inländischen Regeln kann eine Benachteiligung im Ausland verhindert werden!

Die europäische Gesellschaft

Von dieser Form der Rechtsangleichung zu unterscheiden ist das Recht der Europäischen Union. Höhepunkt der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung in der EU ist die Schaffung einer eigenen, supranationalen Gesellschaftsform: Der Europäischen Gesellschaft.

Ich will die Vorteile einheitlicher Regeln nicht in Abrede stellen. Man erwähnt insbesondere die Informations- und Transaktionskosten und dergleichen mehr. Andererseits ist – wie bei allen Harmonisierungen und Rechtsvereinheitlichungen – die Möglichkeit es besser zu machen ausgeschaltet. Der Gesetzgeber verunmöglicht den Wettbewerb der Rechtssysteme, d.h. in diesem Fall die Möglichkeit des Gesetzgebers, das Gesellschaftsrecht so auszugestalten, dass daraus auch ein Standortvorteil resultiert.

Schlusswort

Je ne m’étendrais pas plus longtemps, Mesdames les Présidentes, Excellences, Mesdames et Messieurs, sur ce thème de la responsabilité des organes de la société et de surveillance, dont certains d’entre vous sont d’éminents spécialistes. Permettez-moi simplement de vous souhaitez, une fois encore, un très agréable séjour dans notre pays et de former mes vœux les plus chaleureux pour le plein succès de vos travaux.

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