Christoph Blocher, der Hausmann

Artikel in der „Thurgauer Zeitung“ vom 14. November 2003

Mit seiner Bundesratskandidatur sorgt Christoph Blocher derzeit für Gesprächsstoff. Er hat einmal klein angefangen, dieser Christoph Blocher. Der Industrielle war einst Student und Hausmann. Während dieser Zeit lebte er zusammen mit seiner Frau in Weinfelden. Eine Spurensuche.

Von Thomas Weingart

Weinfelden – Man schrieb den 4. Oktober 1967. Es regnete in Weinfelden, als sich eine Schulklasse mit grossen Farbstiften vor der evangelischen Kirche versammelte. Sie wartete auf ihre Lehrerin, die an diesem trüben Herbsttag heiratete. Die Schüler harrten für Silvia Kaiser, damals 22 Jahre alt, aufgewachsen im Zürcher Oberland, Bürgerin von Au, einem Dorf im Hinterthurgau. Weil beide Weinfelder Pfarrer an diesem Tag abwesend waren, vollzog ein gewisser Gerhard Blocher, Bruder des Bräutigams, die Trauung. Als Silvia Kaiser durch das Spalier der Schüler schritt, war sie mit Christoph getraut. Ihr Gemahl, Christoph Blocher, war Student der Rechtswissenschaften in Zürich und «Hausmann», wie seine Gattin sagt: «Wobei Hausmann etwas hoch gegriffen ist. Wenn er eine Wähe in den Ofen schob, die ich vorbereitet hatte, war das viel.»

Täglicher Ausritt

Christoph Blocher, der Mann, der derzeit am Stammtisch für Gesprächsstoff sorgt und den Medien seit Wochen die Schlagzeilen liefert wie kein Zweiter, pendelte einst zwischen Weinfelden und Zürich. Das Geld für den Lebensunterhalt verdiente seine Frau Silvia als Lehrerin im Pestalozzi-Schulhaus. Frauen verdienten damals weniger als Männer. «Nach meiner Hochzeit liess mir Schulpräsident Alfred Welter den Lohn eines verheirateten Lehrers auszahlen», erinnert sich Silvia Blocher. Welter war der Ansicht, seine Lehrerin habe darauf Anspruch, weil sie für den Lebensunterhalt des frisch vermählten Paares aufkam. Blochers wohnten im Sonnenwinkel, einer Mehrfamilienhaus-Siedlung im Zentrum. Die 80-jährige Hedi Lüthi erinnert sich: «Am Morgen lief Herr Blocher jeweils schweren Schrittes, etwa so wie ein Bauer, Richtung Bahnhof.» Täglich ritt Christoph Blocher das Pferd eines Freundes, des Regisseurs Markus Imhof («Das Boot ist voll») aus, welches dieser bei der Familie Wälchli auf dem Sonnenhof zwischen Weinfelden und Bürglen untergebracht hatte.

Für den Lohn eines Mannes

Silvia Blocher kam bereits im Frühjahr 1966 nach Weinfelden. Sie hatte einen Teil ihres Mathematikstudiums abgeschlossen und half während der Semesterferien als Lehrerin in Islikon bei Frauenfeld aus. «Der Beruf gefiel mir so gut, da wollte ich nicht mehr zurück an die Uni», erzählt Silvia Blocher. Bevor sie die Stelle in Weinfelden antrat, lehrte sie in Kreuzlingen und Amriswil. «Silvia Blocher war eine fröhliche Lehrerin, ich kann mich gut an sie erinnern.» Alfred Welter, heute 86 Jahre alt, amtete vor 40 Jahren als Schulpräsident. «Sie hatte einen mütterlichen Charme. Schwache Schüler nahm sie über Mittag nach Hause, verpflegte sie und erteilte Nachhilfe», erinnert sich Welter. Irgendwann sei sie zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass sie den Sohn eines evangelischen Pfarrers heiraten werde, so Welter.

Zu den Schülern von Silvia Blocher gehören einige prominente Namen. CVP-Gemeinderat Beat Curau zum Beispiel: «Sie war eine junge, sympathische Lehrerin. Ich war ein Fan von ihr. Jeden Tag habe ich im Sonnenwinkel auf sie gewartet, um mit ihr den restlichen Schulweg zu gehen.» Ihre Heirat mit Christoph Blocher habe er bis heute nicht verdaut, sagt Curau und lacht. FDP-Gemeindeparlamentarier Ernst R. Anderwert kann sich an Silvia Kaiser erinnern, nicht aber an Einzelheiten. Der Gattin von Christoph Blocher sind zwei andere Schüler in Erinnerung geblieben. SVP-Präsident Heinz Schadegg? «Der konnte gut rechnen.» Oder an Buchdrucker Kaspar Mühlemann: «Das war ein pflichtbewusster, ein exakter Schüler.»

1969 erwartete Silvia Blocher ihr erstes Kind. Ihr Mann hatte sein Studium eben abgeschlossen. Das Paar erwog, in die Nähe von Zürich, nach Feldmeilen umzuziehen, weil Christoph Blocher das täglichen Pendlen Leid war. Er hatte Anfang 1969 eine neue Stelle angetreten, ein Halbtagesjob auf dem Generalsekretariat der Ems-Werke in Zürich …

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