Von (Un-)Verdienern: Tiefere Kurse – höhere Löhne

Interview im „Stocks“ vom 5. Juni 2003

Von Peter Berger und Daniel Krähenbühl

Die neue Transparenz in den Geschäftsberichten zeigt es deutlich. In den Schweizer Chefetagen wird mehr verdient, auch wenn es schlechter läuft.

Was widerfährt Managern, Angestellten oder ganzen Abteilungen hinsichtlich ihres Lohnes, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen oder schwächer performen? Im Normalfall verdienen sie weniger. Nicht so die Mehrzahl der SMI-Verwaltungsräte und Geschäftsleitungs-Mitglieder. Ein Vergleich der Unternehmensvergütungen für 2002 (Fixgehälter/ Boni/Optionen/Pensionskassen) zeigt, dass diverse einheimische Topshots Mittel und Wege gefunden haben, ihre Honorare (teilweise deutlich) zu erhöhen. Dies trotz klar schlechteren Nettoergebnissen, deutlich tieferen Dividenden und markant gesunkenen Marktkapitalisierungen. Das erstaunliche an der ganzen Sache ist:Die Gesellschaftsinhaber, sprich die Aktionäre, haben mittels Décharge alles abgesegnet und gutgeheissen.

Zum Vergleich: In den USA hat der Dow Jones Index zwischen Januar und Dezember 2002 rund 19 Prozent an Wert verloren. Die Entschädigungen an die dortigen Executives ­ die Topshots beziehen bekanntlich keinen Lohn, sondern werden entschädigt ­ sind im gleichen Zeitraum um rund ein Drittel gesunken. Davon sind die hiesigen Firmenleader weit entfernt. Unbeeindruckt von der Börsenkrise und vom Konjunkturtief drehen einzelne helvetische Unternehmensspitzen weiter kräftig an ihrer eigenen Vergütungsspirale. So haben sich beispielsweise nicht nur die Topmanagements (oder genauer gesagt die Compensation oder Remuneration Committees) der Zurich FS oder der Swiss Re ­ nach schlechtem Leistungsausweis 2002 ­ deutlich höhere Vergütungen zugeschanzt (vgl. grosse Tabellen). Auch der Lausanner Unternehmer André Kudelski hat seinem Management, trotz seiner von den Aktionären mit herben Kursrückschlägen bezahlten Gewinnwarnung vom August letzten Jahres, in der Summe deutlich mehr vergütet.

Die Honorarsteigerungen bei gleichzeitig schlechteren Börsen- und Unternehmensdaten erklärt sich der Bloomberg-Kolumnist und Unternehmensberater Crystal Graef vor allem mit einem verloren gegangenen Realitätssinn: «Vor Jahren wurde ich von einem meiner Konzernleiter-Klienten ­ sein Unternehmen hatte gerade ein schwaches Geschäftsjahr hinter sich ­ umgehend in sein Hauptquartier zitiert. Auf meine Frage hin, was denn passiert sei, antwortete er, dass der gemeinsam ausgearbeitete Incentive Plan nicht funktioniere, denn es springe kein Bonus heraus.» Auch hier zu Lande scheinen Verwaltungsräte und Geschäftsleiter zuweilen zu vergessen, dass weniger Leistung nicht mit mehr, sondern mit weniger Bonus belohnt werden müsste.

Transparenz à l’Anglaise. Trotz positiver Beispiele (SGS, UBS) sind die irrationalen Honorarsteigerungen unter den SMI-Titeln unübersehbar. Um dem Missbrauch Vorschub zu leisten, braucht es deshalb nicht nur nach Meinung von Branchenkennern vermehrte Transparenz. In Sachen Offenlegung zeigen momentan die Engländer, wie es geht:Nach einer Gesetzesrevision haben die dortigen Aktionäre seit diesem Jahr die Möglichkeit, über die Vergütung ihrer Vorstandsmitglieder abzustimmen. Was dies im Einzelfall bedeuten kann, hat das Pharma-Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) respektive dessen Konzernleiter Jean-Pierre Garnier zu spüren bekommen. Denn an der jüngst abgehaltenen GSK-Generalversammlung hatte sich eine knappe Mehrheit der Investoren gegen dessen «goldenen Fallschirm» ausgesprochen. Jean-Pierre Garnier hätte ­ wäre er vorzeitig aus seinem Zwei-Jahres-Vertrag ausgeschieden ­ rund 53 Millionen Franken an Abgangsentschädigung garniert. Dafür, dass es nicht so weit gekommen ist, haben neben Kleininvestoren insbesondere die Pensionskassenvereinigung NAPF (National Association of Pension Funds) und der britische Versicherungsverband gesorgt. Doch trotz dieses Erfolgs für die Firmeneigentümer und die Aktionärsdemokratie bleibt das Vergütungsthema weiterhin ein Dauerbrenner.

Zwei Gretchenfragen für die Topshot-Saläre stellen sich auch künftig den Compensation Committees:

– Welches Honorar ist angemessen?
– Woran soll man ein Honorar festmachen?

Ein Beispiel für eine stossend hohe Entschädigung ­ bei gleichzeitig schwacher Managerleistung ­ lieferten im vergangenen Jahrdie beiden ehemaligen ABB-Topkaderleute Percy Barnevik und Göran Lindahl. Beide hatten gemäss gültigen Verträgen Anspruch auf rund 250 Millionen Franken an Pensionskassenzahlungen. Nach Rückvergütungs-Verhandlungen mit dem ehemaligen Arbeitgeber haben sie gemeinsam immer noch rund 120 Millionen Franken kassiert. Nach solchen legalen Auswüchsen stellt sich die Frage nach einer fairen Entschädigungshöhe für Topmanager dringender denn je. Immerhin sind sich Aktionärsschützer und Unternehmer in einem Punkt einig: Stimmen die Resultate, ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass Topkader viel verdienen.

Ist somit das 20-Millionen-Honorar von Novartis-Chef Daniel Vasella gerechtfertigt? Christoph Blocher sagt dazu: «Ich weiss nicht, ob das 20-Millionen-Salär von Daniel Vasella viel ist oder wenig. Ich finde es viel. Aber wenn es so ist, dass man keinen findet, der das gleiche zu einem tieferen Preis machen könnte, dann ist es gerechtfertigt. Warren Buffett hat allerdings einmal gesagt, dass bei einer Firma, die einem Manager eine so hohe Entschädigung bezahlen muss, etwas nicht stimmt. Diese Firma hat wohl eine so komplizierte Strategie, dass es offenbar nur einen gibt, der den Job machen kann.»

Hinsichtlich der Frage, woran man die Entschädigungen der Topmanager festmachen soll, meint der Ems-Chef:«Der Gedanke, die Vergütung an den Optionen festzumachen, ist eigentlich nicht schlecht. Da man die Optionen erst nach Jahren einlösen kann, muss man als Manager für einen Erfolg sorgen, der über diese Jahre anhält. Sonst sind die Optionen wertlos.»

Doch die Lohndiskussionen und die Forderungen nach strengeren Corporate-Governance-Richtlinien beschäftigen nicht nur die hiesigen Anleger. Auch in Deutschland gibt es Anstrengungen, um durch einen höheren Grad an Transparenz das Vertrauen der Investoren in die Finanzmärkte zu stärken. Die von der deutschen Bundesregierung zum Thema Corporate Governance eingesetzte Cromme-Kommission stellt dabei folgende Kodex-Forderungen:

– Offenlegen der gesamten Bezüge für jedes einzelne Konzernleitungs-Mitglied im Geschäftsbericht.

– Allgemein verständliche Publikation der variablen Gehaltsbestandteile im Internet.

– Verknüpfung von Gehältern und persönlicher Leistung.

– Entscheidung über die Vergütungen durch den gesamten Vorstand, nicht nur durch einen Ausschuss.

– Verstärkung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfer.

– Verbesserung der Qualifikation der Verwaltungsräte.

Grosse und kleine Anleger: Aufwachen! Ähnliches würde auch der Schweizer Börse gut anstehen. Dass die erste Fassung der SWX-Richtlinie bei weitem noch nicht ausreicht, um für echte Transparenz zu sorgen, ist nach Meinung von Ems-Chemie-Chef Christoph Blocher wenig erstaunlich: «Sie müssen schauen, wer diese Richtlinien ausgearbeitet hat. Das sind diejenigen, die in den Verwaltungsräten sitzen. Unter dem öffentlichen Druck haben sie Richtlinien aufgestellt, ohne dass sie nun wirklich etwas machen müssen. Sogar die Bankenkommission hat gesagt, dass diese Richtlinien auf die Länge nicht ausreichen.» Neben den «deutschen Forderungen» gehören sicherlich die individuelle Aufschlüsselung der Vergütungen (Barbezüge, Boni, Optionen, Pensionskassenzahlungen), die exakten Bedingungen der Optionspläne, alle Veränderungen der Optionspläne (Verlängerung der Optionsdauer, Senkung des Optionspreises) sowie im Optimalfall auch der Wert sämtlicher Fringe-Benefits in den Forderungskatalog der SWX-Richtlinie.

Das vorläufige Fazit lautet: Damit sich die Firmeneigentümer eine Meinung bilden können, braucht es deutlich mehr Transparenz. Die derzeit gültige Richtlinie ist eines modernen Börsenplatzes kaum würdig. Doch damit ist es nicht getan. Auch Klein- und Grossaktionäre sind gefordert. Beide müssen vermehrt aktiv werden und ihre Verantwkortung verstärkt wahrnehmen. Denn im Sinne der Werterhaltung vom verwalteten wie eigenen Vermögen ist ein aktiveres Engagement im ureigenen Interesse.

«Ich finde, 20 Millionen Franken sind viel Geld.»

Christoph Blocher zum Salär von Daniel Vasella

Aktionäre müssen vermehrt aktiv werden.

Managersaläre im Hoch Trotz Kursrückgang, Dividendenkürzungen und Nettoverlusten: Eine Erhöhung der eigenen Bezüge liegt allemal drin.

Willy Kissling 1,6 Mio. Franken ­im Salär 2002 ist die Prämie für den Konzernumbau enthalten.

Lukas Mühlemann Mit 7,95 Mio. Franken Honorar fiel der Verzicht auf eine Abfindung leicht.

Cash ist wieder «in» Seitdem die Aktienkurse fallen, bevorzugen viele Topmanager lieber wieder Bargeld.

Sergio Marchionne: Vom Umbau der Konzernspitze profitieren auch die Aktionäre.

Andres F. Leuenberger: Der Swiss-Life-Präsident stolperte über zu viele Negativ-Schlagzeilen.

– Die Managersaläre steigen auch bei schwachen Unternehmensleistungen.

– Die Gehaltsdiskussion ist ein Dauerthema.

– Eine zweite Version der SWX-Richtlinie ist dringend notwendig.

– In Deutschland fordert die Cromme-Kommission eine Kodex-Verschärfung.

– In Grossbritannien können Anleger über die Managerbezüge abstimmen.

– Der Wert der Optionen ist mit den angegebenen Daten nicht eruierbar.

Swisscom

Jens Alder: Der CEO-Salär-Rückgang von 1,6 auf 1,4 Millionen Franken ist angesichts der anhaltend dreistelligen Millionengewinne als sehr fair zu werten.

Givaudan

Jürg Witmer: Starker Dividendenanstieg, nur leicht tieferer Gewinn. Der Gehaltsanstieg ist vertretbar, die höchste Besoldung fast schon bescheiden.

Novartis

Daniel Vasella: Sein 20-Millionen-Salär sorgt für Gesprächsstoff. Dennoch: 2002 war ein gutes Jahr, und das Gesamtbild zeigt nur moderate Honorar-Erhöhungen.

Roche

Franz Humer: Trotz Rekordverlust von vier Milliarden Franken wurden die Bezüge für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung im letzten Jahr erhöht.

Zurich FS

Rolf Hüppi: Der abgetretene Zurich-Chef sorgt noch im Nachhinein für rote Köpfe. Seine Abgangsentschädigung treibt die Lohnsumme deutlich nach oben.

Kudelski

André Kudelski: Die massive Erhöhung der Vergütungssumme für das gesamte Topmanagement kommt angesichts der Gewinnwarnung 2002 überraschend.

Transparenz ist noch keine Option

Noch müssen an der Schweizer Börse SWX kotierte Unternehmen die Lohnbestandteile ihrer Top-Kader nicht nach Cash, Boni, Aktien und Optionen und pro Person aufschlüsseln; der Ausweis der Gesamtsumme für das Gesamtgremium ist nach geltender Richtlinie ausreichend. Nicht nur, aber auch deshalb herrscht hinsichtlich der Transparenz bei Topshot-Optionsprogrammen weiterhin tiefe Nacht.Immerhin veröffentlichen einzelne Gesellschaften erste Eckdaten. So nennt beispielsweise die Swiss Re hinsichtlich der 2002-Entschädigung ihres Verwaltungsratspräsidenten Walter Kielholz nicht nur die Aufteilung der Bar-, Aktien- und Optionen-Komponenten (3,2 Millionen Franken in bar, 55432 Aktien, 60000 Optionen). Bei den Rahmenbedingungen für die Optionen werden auch Ausgabedatum, Laufzeit und Sperrfrist aufgelistet. Doch um den Wert des Optionspaketes (mittels der Black-Scholes-Formel) berechnen zu können, fehlen Angaben in Bezug auf den Aktienkurs bei der Zuteilung, den Ausübungspreis und das Bezugsverhältnis. Doch wie es aussieht, bekommen die Anleger hinsichtlich Transparenz schon bald Schützenhilfe.

Optionen sind Kosten. Unternehmen, die nach dem europäischen Buchhaltungsstandard (International Accounting Standards Board IASB, ehemals IAS) abrechnen, sind ab 2005 verpflichtet, ihre Optionen als Kosten zu verbuchen. Damit werden zumindest die Optionsprogramme der Mitarbeiter zahlenmässig greifbar. Hinsichtlich der Programme für die Chefetage ist zu hoffen, dass Passagen wie die folgende definitiv aus der dann geltenden SWX-Richtlinie gestrichen sind: «Jede Gesellschaft soll die Möglichkeit behalten, ihre eigenen Gestaltungsideen zu verwirklichen.» Denn ohne exakte Publikations-Vorschriften (mit allen Detailangaben) geht es in diesem heiklen Bereich offenbar nicht. (peb)

Werden Optionen als Kosten verbucht, sinken die Gewinne.

Es braucht mehr Transparenz

Nun liegen die Löhne der Schweizer Wirtschaftsführer offen in den Geschäftsberichten. Wirklich? Gemäss der seit dem 1. Juli 2002 gültigen Richtlinie müssen die an der Schweizer Börse SWX kotierten Firmen 2003 erstmals die Bezüge ihrer Topmanager (Gesamtsummen des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung plus das höchste Salär) offenlegen. Das Positivste gleich vorweg:Im Grundsatz halten sich alle SMI-Unternehmen an die neue Richtlinie. Doch bei der Lektüre der Geschäftsberichte werden zwei Dinge klar: Erstens wird nur angegeben, was angegeben werden muss, und zweitens ist es für einen durchschnittlich interessierten Aktionär praktisch unmöglich, sich ohne Vor- und Zusatzwissen innert nützlicher Frist eine Übersicht zu verschaffen. Es werden weder die Bezüge für die Doppelfunktionen (Verwaltungsratspräsident/Konzernleiter) separat aufgelistet noch detaillierte Angaben zu Optionen (damit man den Wert einer Option berechnen kann) gemacht. 2001-Zahlen werden zwar angegeben, zumeist aber mit unterschiedlichen Parametern zu 2002: Ein Vergleich ohne zeitaufwändige Rechnerei wird dadurch praktisch verunmöglicht. Dem Versteckspiel scheinen keine Grenzen gesetzt. Das Nachsehen hat der Anleger. Daher fordern nicht nur Wirtschaftsprofessoren wie Fredmund Malik zu Recht:«Es braucht bald eine zweite, verbesserte Auflage der SWX-Richtlinie.» (peb)

«Der Druck muss grösser werden»

Christoph Blocher plädiert für mehr Druck auf Verwaltungsräte und für mehr Aktionärsdemokratie. Seine Aktientipps:Clariant und ABB.

Stocks:
Betrachtet man die Firmen im SMI, fällt auf, dass die Entlöhnungen der Managements kaum nach Leistung bemessen sind. Die Marktkapitalisierung sinkt, auch bei Gewinn und Dividende zeigt der Trend nach unten. Die Löhne allerdings verharren entweder auf dem gleichen Niveau oder steigen an. Was sagen Sie als Unternehmer dazu?

Christoph Blocher: Ich betrachte das als eklatanten Missbrauch. In den Neunzigerjahren wollte man Manager wie Unternehmer entschädigen, also die Entschädigung vom Erfolg bzw. Misserfolg abhängig machen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Manager bei schlechtem Geschäftsgang gleich viel erhalten, wie wenn es gut läuft. Da müssten sich eigentlich die Aktionäre dagegen wehren. Als Unternehmer glaube ich nicht, dass der Erfolg der Firma gewährleistet ist, wenn die Manager unabhängig vom Ergebnis entlöhnt werden.In Grossbritannien gibt es jetzt ein Mitspracherecht für Aktionäre bei der Entlöhnung des Managements. Denken Sie, dass die Grossinvestoren auch in der Schweiz in Zukunft stärker Einfluss nehmen werden?Blocher: Ich glaube, sie sind noch nicht so weit. Es sind ja vor allem die Pensionskassen. Das hängt auch damit zusammen, dass viele Aktionäre das Geld zwar in einer Firma anlegen und, wenn es schlecht läuft, die Aktien abstossen. Die Führungsaufgabe eines Eigentümers ist den meisten fremd. Ein Eigentümer hat auch eine Verpflichtung, da er sonst sein Eigentum verliert. Der Grossaktionär müsste deshalb auch immer dazu bereit sein, notfalls das Management zu stellen.


Das ist für Pensionskassen aber schwierig.

Blocher: Pensionskassen sind in der Regel gar nicht in der Lage, so etwas zu tun. Zudem hat man bei den Pensionskassen zum Teil die gleiche Verfilzung wie in der Wirtschaft. Ich glaube aber, der soziale Druck auf das Management ist fast noch wirkungsvoller als der Druck des Aktionärs.

Was meinen Sie damit?

Blocher: Es geht um Transparenz. Börsenkotierte Firmen müssen die Entschädigungen ihres Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung individualisiert offenlegen. Nicht nur gesamthaft und die höchste Entschädigung, das bringt nichts. Am Beispiel von GlaxoSmithKline zeigt sich, was das bewirken kann. Wenn ein Manager ein hohes Salär bezieht ohne entsprechende Leistung, wird der Druck von aussen enorm gross. Das Gleiche konnte man bei der Zurich FS, der Rentenanstalt oder bei der CS Group sehen.

In der Schweiz gibt es häufig ein Aussitzen.

Blocher: Das klappt nur, wenn der Aktionär und die Öffentlichkeit nicht wissen, was passiert. Wenn der Präsident oder der CEO trotz Fehlleistungen riesige Bezüge haben und die Aktionäre dies wissen, dann kommen mit der Zeit auch die Verwaltungsräte unter Druck. Diese werden noch viel zu wenig unter Druck gesetzt.

Wie könnte man den Verwaltungsrat stärker in die Verantwortung nehmen?

Blocher: Im Grunde genommen kann das nur der Eigentümer. Wenn der Verwaltungsrat den Unternehmenswert nicht steigert, leidet nur der Eigentümer darunter. Der klassische Unternehmer ersetzt den obersten Chef, wenn er die Leistung nicht bringt, oder er kürzt zumindest den Lohn. Das funktioniert bei den grossen Gesellschaften aber nicht, weil das Eigentum pulverisiert ist. Der Kleinaktionär kann sich gar nicht einsetzen für sein Eigentum. Wenn einer 20 oder 30 Prozent an einem Unternehmen hält, dann lohnt sich der Aufwand, um den Einfluss geltend zu machen. Bei einem Promille ist der Aufwand zu gross.

Wie kann man in der Schweiz die Situation für Kleinaktionäre verbessern?

Blocher: Unsere Partei hat einen Vorstoss lanciert, dass man beim Depotstimmrecht und dem Organstimmrecht die allgemeinen Weisungen nicht mehr zulässt. Es braucht von jedem Aktionär bei jedem Traktandum eine ausdrückliche Weisung, wie abzustimmen ist. Wenn keine solche Weisung erfolgt, verfällt die Stimme dieses Aktionärs. Es gab eine ganze Reihe von Abstimmungen, die anders herausgekommen wären, wenn nur die Stimmen der wirklich Anwesenden gezählt worden wären. Wir müssen dafür sorgen, dass der Wille des Aktionärs besser zum Ausdruck kommt.

Es gibt weltweit unzählige MBA-Schulen und jährlich tausende fähiger Abgänger. Trotzdem ist die Zahl der Personen, die Verwaltungsratsmandate innehaben, beschränkt. Das erinnert eher an ein Kartell als an einen freien Markt.

Blocher: Im schweizerischen Aktienrecht ist der Verwaltungsrat eine ausserordentlich problematische Institution. Wenn es gut geht, braucht man ihn nicht, und wenn es schlecht geht, kann man ihn nicht gebrauchen. In der Regel sind Verwaltungsräte nicht vollamtlich. Das führt dazu, dass sie zu wenig mit der Materie vertraut sind und die anstehenden Probleme nicht lösen können. Dann heisst es noch, man brauche Verwaltungsräte, die andere Firmen führen und so ihre Füh-rungserfahrung einbringen können. Dann bleiben nicht mehr viele Leute. Und dann sucht noch jeder die Erfolgreichsten. Der Name und das Ansehen eines Verwaltungsratsmitgliedes ist fast noch wichtiger als die Frage, ob er etwas kann. Zudem kommt, wenn eine Firma nicht erfolgreich ist, nur in den seltensten Fällen der Verwaltungsrat dran. Swissair ist eine Ausnahme. Die zweite Problematik liegt in den Verfilzungen. Meistens läuft es aber bei der Zusammensetzung der Verwaltungsräte so, dass der Präsident Leute holt, die er kennt und vor denen er keine Angst haben muss.

Im Gegensatz zu Geschäftsleitungen, bei denen man sagt, es brauche Leute, die ihre Meinung vertreten und sich aneinander reiben.

Blocher: Genau. Nach unten wird das durchgezogen. Was auch noch dazu kommt, ist, dass man damit aufhören muss, dass ein CEO in einem anderen Verwaltungsrat sitzt und dort den CEO beaufsichtigen muss, der dann wieder sein Chef in seiner Firma ist. Das kann nicht funktionieren.

Wäre es ein probates Mittel, wenn die Generalversammlung über die Lohnpolitik des Unternehmens entscheiden müsste?

Blocher: Die GV soll über die Entschädigung von Verwaltungsräten und der Geschäftsleitung bestimmen können. Aber nur, wenn auch wirklich der freie Wille des einzelnen Aktionärs zum Ausdruck kommt. So, wie das jetzt mit den Depot- und Organstimmen läuft, ist es nicht in Ordnung. Man darf das aber auch nicht überschätzen. Wer von den Aktionären kann denn wirklich entscheiden, ob eine Entschädigung zu hoch ist oder nicht? Eindeutig wird es erst, wenn bei schlechtem Geschäftsgang zu hohe Entschädigungen bezahlt werden.

Und die Abgangsentschädigungen?

Blocher: Die natürlich auch. Es geht alles vom Schutz des Eigentums aus. Wenn Sie jemanden neben die volle Kasse stellen und ihm sagen, er dürfe herausnehmen, was er wolle, und müsse auch nicht sagen, wie viel er genommen habe, dann nimmt er erfahrungsgemäss mehr, als er verdient. Abgangsentschädigungen, Bonus, Optionen, die Festentschädigungen und die Pensionskassen. Das sollte alles bekannt gegeben werden.

Wie schützt man die Pensionskassen vor Missbrauch? Oder anders gefragt, wie lassen sich Barnevik/Lindahl-Fälle verhindern?

Blocher: Nur durch Offenlegung. Ich glaube nicht, dass sich der ABB-Verwaltungsrat zu einer so enormen Zahlung hätte hinreissen lassen, wenn das von Anfang an öffentlich gewesen wäre. Die hatten wirklich zu viel aus dem Topf genommen. Das konnten sie nur, weil es dunkel war.

Sprechen wir noch über Ihre Anlagekriterien.

Blocher: Wir legen unser Geld dort an, wo wir die Firma, das Management und die Strategie beurteilen können. Das sind vor allem Chemie oder chemieverwandte Gebiete. Das war in der Vergangenheit schon so.

Und wo sehen Sie in den genannten Gebieten Potenzial?

Blocher: Interessant unter diesem Gesichtspunkt sind Firmen in einer Turnaround-Situation. Hier gilt es, Management und neue Strategie gut anzuschauen. Da lässt sich das Potenzial erahnen. In einer solchen Situation sind zum Beispiel Clariant, ABB oder auch viele Versicherungen. Damit sage ich aber nicht, dass wir uns hier engagieren.

«Verwaltungsräte sind viel zu wenig unter Druck.»
«Aus einer vollen Kasse nimmt jeder mehr, als er verdient.»

Der 62-jährige Dr. iur. Christoph Blocher ist 1969 in die Rechtsabteilung der Ems-Chemie (vormals Emser Werke AG) eingetreten. Nach der Übernahme der Aktienmehrheit 1983 wurde er 1984 VR-Präsident und CEO der Ems-Chemie AG. Auf dem politischen Parkett ist er seit 1977 Präsident der SVP des Kantons Zürich, seit 1979 Mitglied des Nationalrates und seit 1986 Präsident der AUNS. Christoph Blocher wohnt in Herrliberg, ist verheiratet und hat vier Kinder.

«Wir wollen nicht die ganze Lonza»

Christoph Blocher bestätigt die Gewinnziele für Ems-Chemie und will seinen Anteil an Lonza nicht auf über 33 Prozent erhöhen.

Stocks: Ems-Chemie ist stark engagiert bei Lonza. Was sagen Sie zur kürzlich erfolgten Gewinnwarnung?

Christoph Blocher: Wir sind nicht glücklich darüber. Für das Management spricht aber, dass es sofort plausible Massnahmen ergriffen hat, als die Probleme erkannt wurden. Man muss sich bewusst sein, dass das Geschäft von Lonza risikoreich ist. Die grossen Investitionen in die Biochemie wirken sich erst 2004/05 richtig aus. Das Geschäft ist abhängig von der künftigen Ausrichtung der Pharma-Industrie. Geht es in die erwartete Richtung, ist Lonza stark positioniert.

Stehen Sie noch hinter Ihrem Engagement?

Blocher: Ich betrachte Lonza nach wie vor als eine sehr gute Firma. Wir wollen unsere Beteiligung erhöhen, aber keinesfalls über 33 Prozent. Wir können die Feinchemie beurteilen und merken, dass Biotech für die Pharma immer wichtiger wird.

Auf Grund Ihrer Put-Option werden Sie bis Ende Jahr 20 Prozent an Lonza halten. Das entspricht rund einem Viertel des Wertes von Ems-Chemie. Ist das nicht eine zu grosse Beteiligung?

Blocher: Es ist eine Chemie-Beteiligung. Das ist der Zweck der Ems-Chemie Holding. Davon verstehen wir etwas. Wir können das Management relativ gut beurteilen. Es ist eine schweizerische Firma, das heisst eine ähnliche Mentalität und keine lange Anreise. Ems wird die Feinchemie nicht ausbauen. Mit der Lonza-Beteiligung haben wir aber ein zweites Bein in diesem Bereich in den Büchern. Falls wir diese Beteiligung einmal nicht mehr benötigen, gäbe es im Markt Interessenten. Das Risiko ist tragbar für Ems.

Gibt es auch bei Ems eine Gewinnwarnung?

Blocher: Nein. Ich bestätige die Prognose, dass das Betriebsergebnis der Ems-Gruppe ungefähr im Rahmen des Vorjahres liegt.

Sie erwarten von Verwaltungsräten ein starkes Engagement. Lonza-VR-Präsident Sergio Marchionne wird Verzettelung vorgeworfen. Steigt er bei Lonza aus?

Blocher: Er selbst hat uns klar gesagt, dass er bei Lonza bleiben und den Umbau weiter vorantreiben will. Er hat nicht im Sinn, als Verwaltungsratspräsident zurückzutreten, und macht seine Arbeit gut. Er hat auch einen guten Hintergrund, da er Lonza als CEO geführt hatte.

Lonza will sich vom Bereich Polymere Zwischenprodukte trennen. Sie könnten dieses Geschäft übernehmen, und Lonza übernimmt Ihre Feinchemie.

Blocher: Dieses Lonza-Geschäftsfeld geht ein wenig in unsere Richtung, ist aber noch eine Stufe weiter unten. Das sind zum Teil Rohstoffe, die Ems einkauft. Wenn uns Lonza gehören würde, müsste man sich einen solchen Tausch überlegen. Wir wollen aber nicht die ganze Lonza. Das wäre ein zu grosser Brocken. Lonza hat doppelt so viel Umsatz wie Ems.

Sie kehren zurück zur Gewinnausschüttung. Haben Sie die Form schon bestimmt?

Blocher: Sie wird kreativ und steuerlich interessant sein. Über die Form sind wir gegenwärtig in Bern am Verhandeln.

Sie sind 62-jährig. Lassen Sie sich mit 65 pensionieren?

Blocher: Nein. Aber es stimmt, dass ich mich auch auf Grund meines Alters von verschiedenen Gebieten bei Ems zurückziehe, namentlich vom operativen Bereich. Da werde ich stark entlastet von meiner Tochter Magdalena Martullo-Blocher. Mein Sohn Markus ist im Finanzbereich eingestiegen und leitet verschiedene Projekte.

Es wäre also vorstellbar, dass Ihre Tochter CEO und Ihr Sohn CFO würden.

Blocher: Eine Möglichkeit unter vielen. Ich werde im nächsten Jahr einen Entscheid treffen. In welche Richtung das gehen wird, werden wir dann sehen.

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