Vom christlich Schwätzen

Meine Kolumne in der Zürichsee-Zeitung vom 3. März 2001

Von Christoph Blocher, Herrliberg, Dr. iur., Unternehmer und SVP-Nationalrat

Ohne Diskussion wollte das Parlament letzten Herbst seine eigene Entschädigung erhöhen. Obwohl das Volk 1992 eine Erhöhung der Parlamentsentschädigung wuchtig verworfen hatte, erhöhten sich die Parlamentarier ihre eigenen Taggelder einmal mehr, diesmal von 300 auf 400 Franken, und die jährliche Festentschädigung des Präsidenten auf 40’000 Franken pro Jahr.

Es war nicht nach dem Programm der parlamentarischen Regisseure, als der die Sache stets auf den Punkt bringende Parlamentarier Mörgeli aus Stäfa beantragte, das Geschäft in einer Diskussion zu behandeln. Es gehe nicht an, „dass das Parlament seine eigenen Entschädigungen mit äusserster Diskretion, ja beinahe verschämt“ behandle. Er rief die Problematik in Erinnerung, dass die Parlamentsentschädigung dem Referendum entzogen werde und dass mit der massiven Erhöhung immer mehr auf ein Berufsparlament hingearbeitet werde. Selbstverständlich wurde der Antrag Mörgeli wuchtig verworfen, denn das Parlament ist sich über alle Parteigrenzen hinweg nie so einig, wie wenn es darum geht, seine eigenen Pfründen zu verbessern.

Es war dann der damalige erste Vizepräsident, Peter Hess, der mit einem für ihn untypischen Temperamentsausbruch am Fernsehen die Notwendigkeit der Erhöhung der Parlamentsentschädigungen vertrat. Als Mörgeli sagte, die geltenden Entschädigungen seien für ihn – der das Mandat als Drittelamt ausübe – mehr als hoch genug und übertreffe das Gesamtjahreseinkommen vieler Schweizer erheblich, fuhr Hess den jungen Parlamentarier schulmeisterlich an: Mit einem Drittelamt nehme Mörgeli sein parlamentarisches Amt nicht ernst genug, für ihn – Hess – erfordere das ein wesentlich grösseres Engagement! So wollte er das Parlamentsmandat als eine so unheimliche Belastung darstellen, die bei treuer Pflichterfüllung eine andere Tätigkeit praktisch verunmögliche.

Hess vergass allerdings zu erwähnen, dass für ihn die spärlich bemessene Freizeit spielend für die Betreuung von über 40 Verwaltungsratsmandaten ausreichte. Es wurde Dezember, und Peter Hess wurde mit einem Glanzresultat zum Parlamentspräsidenten gewählt. Hätte er die hohen Entschädigungen bekämpft, wäre das Resultat wohl schlechter ausgefallen. In seiner Ansprache beschwor er das Gemeinwohl und verurteilte jede Interessensvertretung. Dann folgte die würdige Feier für den Präsidenten. Mit Kutschen und Schimmeln liess sich der höchste Schweizer durch die Hauptstadt seines Kantons fahren. Das sollte die Würde des Amtes unterstreichen, die Würde des Parlamentes, die Würde, die Würde, die Würde…

Zwei Monate später erwähnte ein Zeitungsartikel, dass zwei der Firmen, in denen Hess im Verwaltungsrat sitzt, krimineller Machenschaften im Zusammenhang mit dem Zigarettenschmuggel angeschuldigt seien. Hess trat sofort aus den Verwaltungsräten dieser Firmen aus und versprach scheinheilig, dass das Problem der Nichtdeklaration von Verwaltungsratsmandaten – ein völlig unerhebliches Nebenproblem – angegangen werden sollte. Ich rieb mir die Augen: Entweder ist das Geschäftsgebaren dieser Tabakfirmen nicht kriminell, dann hat man aber auch nicht zurückzutreten. Oder diese Tätigkeit ist wirklich kriminell, dann hat man zurückzutreten – vor allem aber als Nationalratspräsident. Nun geht im Bundeshaus das moralische Reinemachen los. Vom Gemeinwohl ist viel die Rede. Es wird so richtig schön geheuchelt. Besonders gut kann dies die Partei mit dem C davor. Ich werde unweigerlich an Zwingli erinnert: „Christ sein heisst nicht christlich schwätzen…“

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