Direktzahlungen sind keine Sozialleistungen

Interview für das Bündner Tagblatt vom 11. April 2000

Interview: Christian Buxhofer

Herr Blocher, mehrere Medien, darunter auch das BT, haben in den letzten Tagen behauptet, Sie wollten die Direktzahlungen in der Landwirtschaft abschaffen. Was ist wahr an diesen Behauptungen?

Blocher: Diese Behauptung wurde nicht von Zeitungen in die Welt gesetzt, die sich bei mir erkundigt haben. Die Fehlmeldung beruht auf meiner Aussage, dass Direktzahlungen nicht für die Einkommenssicherung bestimmt sein dürfen. Nicht Direktzahlungen als solche sind falsch, sondern ihre Verwendung zur Einkommenssicherung.

Aber ganz aus der Luft gegriffen scheint die Behauptung nicht zu sein. Wie beurteilen Sie den Sinn und Zweck von Direktzahlungen?

Blocher: Die Landwirtschaft liegt im öffentlichen Interesse. Die Landwirtschaftspolitik hat dafür zu sorgen, dass die Bauern diese Leistungen – nämlich die „Bebauung“ des Landes (gegen Vergandung), die dezentrale Besiedlung des Landes und die minimale Selbstversorgung der Schweiz – sicherstellen. Dafür ist der Bauer u.a. mit Direktzahlungen abzugelten. Das ist die Entschädigung für eine Leistung, die der Bauer erbringt. Daher bin ich stets für diese Zahlungen eingetreten und habe als Nationalrat auch dafür gestimmt. Aber: Die Direktzahlungen sind keine Sozialleistungen, keine Einkommenssicherung! Dieser Zweck wäre für den Bauern unwürdig! Der Bauer ist ein Unternehmer, der eine Leistung erbringt, für die er zu bezahlen ist! Direktzahlungen dürfen nicht zur Sozialhilfe degradiert werden.

Wie sollten Direktzahlungen nach Ihrer Auffassung geregelt sein? Welchen Zweck sollten sie haben?

Blocher: Direktzahlungen sind für die Bewirtschaftung der Flächen auszurichten. In ungünstigen Lagen – z.B. im Berggebiet – müssen diese höher sein als im Flachland. Darüber hinaus soll der Bauer – möglichst ohne eine Vielzahl regulierender Bestimmungen – das Produkt erzeugen können. Dies als Unternehmer und nicht als staatlicher Landschaftsgärtner!

Was läuft Ihrer Meinung nach derzeit mit der schweizerischen Agrarpolitik schief? Auch zuviel Staat und Sozialismus?


Blocher: Ja, viel zu viele Regulierungen für die Bauern. Man traut dem Eigentümer – dem Bauern – nichts zu. Es ist das typische Misstrauen, das dem überbetonten staatlichen Denken eigen ist. Der Staat muss die Bewirtschaftung des Landes, das Bebauen des Landes im Interesse der Allgemeinheit durch Abgeltung interessant machen. Früher wurde der Bauer allein über die staatlich regulierten Absatzpreise für die Leistungen zugunsten des Allgemeinwohls entschädigt. Heute werden Direktzahlungen in den Vordergrund gestellt, aber mit zu vielen Regulierungen. Meines Erachtens genügen einfache Schutzvorschriften bezüglich Landwirtschaft und Umweltschutz. Für die Produktion sollten dann unternehmerische Gesichtspunkte und viel Freiheit im Vordergrund stehen.

Welche wirtschaftliche und politische Bedeutung messen Sie der einheimischen Landwirtschaft zu?

Blocher: Die Landwirtschaft ist für die Erhaltung des Bodens, die dezentrale Besiedlung und die Nahrungsmittelerzeugung von grosser Bedeutung. Sie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Würde sich die Schweiz nicht in eine gefährliche Abhängigkeit von den internationalen Agrarmärkten begeben, wenn sie ihre eigene Landwirtschaft preisgäbe?

Blocher: Weil man die Landwirtschaft nicht preisgeben kann, kann man sie nicht der freien Marktwirtschaft unterstellen. Das ist aber auch in keinem anderen Land der Fall – nicht einmal in den USA. Im obgen genannten Sinne muss aber dem Bauern – neben der Abgeltung der öffentlich erbrachten Leistung – möglichst viel unternehmerischer Freiraum gewährt werden.

Sie haben ursprünglich den Bauernberuf selbst erlernt. Was für ein Verhältnis hat der ehemalige Bauernstift und spätere Gutsbesitzer heute zur Landwirtschaft?

Blocher: Ich bin von Beruf Bauer. Da mein Vater leider keinen Bauernhof hatte und ich kein Geld, um einen zu kaufen, musste ich – damals zu meinem Leidwesen – eine andere Beschäftigung wählen. Bis vor einigen Jahren hatte die EMS-CHEMIE eigene Bauernhöfe. Heute haben wir das Land in Domat/Ems im Baurecht an den Golfplatz abgetreten. Das restliche Land haben wir entweder veräussert oder verpachtet. Meine heimliche Liebe gehört immer noch der Landwirtschaft, auch wenn ich nicht Gutsbesitzer bin. Unser Unternehmen hat seinerzeit die „Bündner Stiftung für junge Bergbäuerinnen“ gegründet und dotiert sie heute noch. Sie trägt noch heute dazu bei, dass zahlreiche Bauernfamilien im Kanton Graubünden, die eine bedeutende gemeinwirtschaftliche Leistung erbringen, einen guten Start haben.

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