Bericht der Studienkommission für Strategische Fragen

März 1998

von Nationalrat Christoph Blocher

Es ist unbestritten: Die Sicherheitspolitik eines Landes hat sich stets neuen Bedürfnissen anzupassen, d.h. die Sicherheitspolitik hat sich in erster Linie auf sich verändernde mögliche Bedrohungen auszurichten. So sind auch die jetzigen Bemühungen, die Armee entsprechend zu reformieren, zu begrüssen. Leider bietet der Bericht der Kommission Brunner für die Beantwortung, welche künftige Sicherheits-Politik die Schweiz braucht, keine brauchbare Grundlage. Die Hauptgründe meiner Ablehnung sind:

1. Der Bericht predigt den Fortschritt von gestern. Der strategische Umbruch von 1989/90 brachte den erwarteten Neubeginn nicht, sondern ein wenige Jahre dauerndes Zwischenspiel mit viel Idealismus, Friedenshoffnungen, wuchernden internationalen Institutionen und ein Strohfeuer von Konferenzen, Charten und Kollektivdiplomatie. Die Versprechen erfüllten sich nicht. Trotzdem ist der Bericht in diesem Zustand stecken geblieben.

2. Die Welt fällt zurück in den alten Tramp der Kanonenbootdiplomatie, der Machtkämpfe, der Militärbündnisse, der militärischen Interventionen. Das Personal ist zwar geblieben, die Rhetorik ist unverändert, aber die Wirklichkeit geht andere Wege.

3. Der Bericht der Studienkommission ist in diesem Gedankengut der unteren 90er Jahre verhaftet geblieben und zeichnet sich aus durch internationalen Aktivismus in moralischem Gewand, Flickwerk, Einmischung in fremde Angelegenheiten, vorauseilendem Gehorsam gegenüber Gross- und Mittelmächten und Anschluss-Drang. Dies bringt für unser Land nicht mehr Sicherheit, sondern im Gegenteil, dies birgt grosse Gefahren für unsere Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie. In vielem scheint man auch die Schrecklichkeit und die Furchtbarkeit des Krieges zu verkennen, so dass man leichtfertig mit ihm zu spielen beginnt.

4. Der Bericht distanziert sich vom Grundsatz der dauernden Neutralität, einer wichtigen schweizerischen sicherheitspolitischen Maxime. Dies bringt erneut grosse sicherheitspolitische Risiken mit sich. Andererseits werden aber gerade die neuen Chancen der bewaffneten Neutralität in einem neuen Kräftefeld nicht erkannt.

5. Statt nach vorne zu blicken und für die künftige Sicherheit der Schweiz einen Weg zu weisen, wird die überholte und vom Volk verworfene Idee von bewaffneten Schweizer Truppen im Ausland aus der Rumpelkammer geholt. Diese nur durch Verfassungs- und Gesetzesänderungen zu realisierende Forderung eines bewaffneten „Schweizer Solidaritätskorps“ – übrigens eine noch fragwürdigere Einrichtung als die vom Volk abgelehnten Blauhelme – ist aus sicherheits- und neutralitätspolitischen Gründen entschieden abzulehnen.

6. Der Bericht wird missbraucht, um aus andern als sicherheitspolitischen Gründen politische Forderungen zu erfüllen, so wird insbesondere die Forderung nach dem EU-Beitritt, Partnerschaft für den Frieden, Kooperation mit der NATO, die bewaffnete schweizerische Friedenstruppe im Ausland sicherheitspolitisch vermarktet.

Die kommenden Monate werden Gelegenheit geben, die Fragwürdigkeit des von der sicherheitspolitischen Kommission aufgezeigten Weges darzulegen und bessere Wege aufzuzeigen. Ich werde mir erlauben, demnächst einen umfassenden Bericht zu dieser Problematik zu veröffentlichen.

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