Ein Kämpfer wie Wilhelm Tell

Interview mit „Nation & Europa“, Oktober 1996

Nation & Europa hatte kürzlich in Zürich die Gelegenheit, ein Interview mit der „umstrittensten Persönlichkeit“ der Schweizerischen Politik zu führen.

Sie verwenden einfache Bilder und sprechen eine einfache Sprache. Das ist heutzutage selten geworden, wo die Welt als kompliziert und schwer zu begreifen gilt.

Dr. Blocher: Ja, ich spreche bewusst in einfachen Worten. Darauf lege ich grossen Wert. Ich bemühe mich beispielsweise, keine Fremdwörter zu verwenden. Ich teile auch die Meinung vieler Politiker nicht, die glauben, dass an viele Sachverhalte heute nicht mehr erklären könne, dass man die Probleme nicht in einer Stunde darlegen könne.

Ärgert es Sie denn, wenn Sie Populist geheissen werden?

Dr. Blocher: Ich zitiere aus einer meiner Reden: „Man sagt uns, wir seien Populisten. Was das ist, hat mir noch niemand gesagt. Es muss etwas Schlimmes sein, sonst würde man uns nicht so nennen“. Natürlich ist es ein Versuch, mich zu verunglimpfen, und das Ziel der Anwürfe ist klar: Man will, dass wir nicht mehr ernst genommen werden. Inzwischen werden ja auch andere Leute so abgestempelt. Populisten sind anscheinend Leute, deren Argumente leicht verständlich und einfach einzusehen sind. Der Vorwurf kommt immer, wenn Gegenargumente zur Sache fehlen. Und meine Popularität habe ich in erster Linie meinen Gegnern zu verdanken. Je mehr ich angegriffen werde, desto mehr nimmt man wahr, dass hier einer ist, der den Kopf hinhält und nicht wetterwendisch und wankelmütig nach dem persönlichen Erfolg schielt.

Das Ausländerproblem in Ihrem Land (mit Ghetto-Siedlungen z. B. in Basel oder Zürich) ist bekannt. Wie könnte man es in Europa lösen?

Dr. Blocher: Eine kontrollierte Zuwanderung ist nötig. Ein freier Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU würde den Ausländeranteil in der Schweiz zusätzlich erhöhen.

Sollte in der Schweiz der Bundesrat (die Schweizer Landesregierung) vom Volk gewählt werden?

Dr. Blocher: Dieses Anliegen ist zur Zeit nicht zentral. Sollten aber der Bundesrat und das Parlament den Volkswillen nicht achten, dann müsste man dies als letzte Möglichkeit ins Auge fassen.

Das Volk würde Sie in den Bundesrat auf Anhieb wählen, haben Sie doch auch das beste Schweizer Nationalrats-Wahlergebnis (Anmerkung der Redaktion: der Nationalrat ist das Schweizer Parlament) erzielt. Warum haben Sie bisher noch nicht für den Bundesrat kandidiert?

Dr. Blocher: Man hat das schon an mich herangetragen, mit dem Ziel, dass ich als Bundesrat dann eingebunden wäre. Bundesrat werden, um die politische Wirksamkeit zu verlieren? Nein!

Wie sehen Sie die Zukunft der Schweiz?

Dr. Blocher: Es findet ein gesellschaftlicher Wandel von Auffassungen statt, aber ich gebe der Schweiz eine sehr gute Zukunft, wenn Diskussionen stattfinden und Offenheit herrscht. In der Schweiz haben wir noch den Vorteil, dass wir übersichtliche Verhältnisse haben. In der EU findet aber eine Vermassung statt mit vielen Leerformeln.

Der Schweizer Botschafter in Bonn, Dr. Dieter Chenaux-Repond, fragt sich, was eine „Blocher-Isolationspolitik“ für Vorteile bringe?

Dr. Blocher: Das mit der Isolation ist ein Märchen. Wer das sagt, der war noch nie in der Schweiz oder im Ausland. Ich kenne kaum ein Land, das so weltoffen wie die Schweiz ist. Vielleicht fühlt sich der Botschafter isoliert, er persönlich. Das gilt vielleicht auch für die Herren Bundesräte. Aber nicht sie allein betreiben die Politik, dazu gehört auch noch das Volk. Vielleicht hätte ein Schweizer Botschafter mehr zu sagen und mehr mitzuwirken, wenn die Schweiz in der EU wäre. Aber der Souverän, das Volk, hätte dann viel weniger zu sagen.

Der Botschafter meint weiter, dass „es unsere Schuld ist, wenn wir Schweizer uns immer mehr diskriminieren und nur unter uns“ sind.

Dr. Blocher: Eigenständig sein heisst doch nicht, sich abzukapseln. In den Kreisen, wo wir verkehren, wirtschaftlich, kulturell und auch politisch, geniessen wir Schweizer die allergrössten Sympathien für unsere Eigenständigkeiten. Es ist wohl so, dass der Botschafter z. B. bei den Beamten in Brüssel etwas isoliert ist. Ich merke aber nichts von einer Isolation der Schweiz.

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