Fragen der Migration und Integration

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, 30. Juni 2007, Liestal

30.06.2007, Liestal

Liestal. Anlässlich der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz sprach Bundesrat Christoph Blocher Themen wie die Bekämpfung des Asylmissbrauchs, das neue Ausländergesetz und die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit an. Probleme müssten benannt und konsequent angegangen werden; wer wegschaue oder bestehende Probleme unter den Teppich kehre, handle unverantwortlich und fahrlässig.

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.

Meine Damen und Herren

1. Missbrauchsbekämpfung im Zentrum

Die Migrationspolitik, insbesondere die Asylpolitik, beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sehr stark. Nicht die Aufnahme von tatsächlich verfolgten Menschen, nicht die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, welche eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, sind Stein des Anstosses: Nein, für den Unmut in der Bevölkerung sorgen all jene, die missbräuchlich ein Asylgesuch einreichen oder diejenigen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten.

Es ist das Anliegen jedes Staates, für seine Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Jede Regierung auf der Welt bestimmt auch, wann ausländische Menschen eine Aufenthaltsbewilligung erhalten und wann nicht. Mit Ausländerinnen und Ausländern, welche eine Aufenthaltsbewilligung korrekt beantragen und eine solche Bewilligung auch erhalten, hat die Schweiz im Grossen und Ganzen keine Probleme. Ein grosser Teil der ausländischen Bevölkerung ist gut integriert und leistet ihren Beitrag am Wohlergehen unseres Landes. Mit einem Ausländeranteil von rund 22 Prozent stehen wir an der Spitze der europäischen Staaten.

2. Auswirkungen der Personenfreizügigkeit

Durch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit den EU-Mitgliedstaaten hat sich die Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark zugunsten der EU-Staatsangehörigen verändert und auf besser Qualifizierte verlagert. Der Anteil der Drittstaatsangehörigen hingegen ist rückläufig. Diese Entwicklung entspricht den ausländerpolitischen Zielsetzungen von Bundesrat und Parlament.

Seit dem 1. Juni 2007 sind die Kontingente für die alten 15 EU-Länder weggefallen. Vorerst gibt es nun für ein Jahr probeweise den freien Personenverkehr. Dadurch wird der zurzeit grosse Bedarf an Arbeitskräften wohl gedeckt werden können. Zum heutigen Zeitpunkt ist allerdings noch nicht abschätzbar, wie sich die Zuwanderung entwickeln wird.

Sollte sich im Verlaufe dieses Jahres, vom 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2008, eine hohe Zuwanderung aus den EU-15 Ländern ergeben, d. h. mehr als 10 % als im Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre, so würde das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz ermöglichen, ab dem 1. Juni 2008 wieder für zwei Jahre Kontingente einzuführen.

Damit die verschiedenen Menschen in einem Land jedoch miteinander leben können, braucht es Regeln und diese müssen auch von allen respektiert und eingehalten werden.

3. Neues Ausländergesetz

Das neue Ausländergesetz, das am 1. Januar 2008 in Kraft treten wird, bietet die Grundlage dafür, dass die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne das Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden.

Es geht auch darum, die unbestritten vorhandenen Probleme zu lösen. So muss die heute oft ungenügende Integration von ausländischen Menschen stark verbessert werden. Der Gesamtbundesrat hat auf meinen Antrag hin eine interdepartementale Arbeitsgruppe beauftragt, dem Bundesrat bis Ende Juni 2007 konkrete Massnahmen für die Verbesserung der Integration in den verschiedenen Bereichen, wie z. B. Spracherwerb, Bildung, Erwerbstätigkeit, usw., vorzuschlagen.

Eine Arbeitsgruppe meines Departementes ist zurzeit auch daran, Massnahmen zur Bekämpfung der Jugendgewalt zu erarbeiten.

Probleme müssen benannt und konsequent angegangen werden. Wer wegschaut oder bestehende Probleme unter den Teppich kehrt, handelt unverantwortlich und fahrlässig.

Wir müssen bei der Integration vor allem fordern. So sind auch Integrationsvereinbarungen vorgesehen. Sollte sich jemand jedoch nicht integrieren wollen oder sich nicht um seine Integration bemühen, muss dies bei der Erteilung oder eben bei der Nicht-Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung und bei der Einbürgerung berücksichtigt werden.

Mit dem neuen Ausländergesetz werden ebenfalls die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen verstärkt.

4. Schengen/Dublin

Durch die Teilnahme der Schweiz an Schengen/Dublin soll die innere Sicherheit und der Kampf gegen die Missbräuche verbessert werden. Dies u. a. durch den Zugriff auf die Datenbanken wie das VIS für die Visa-Erteilung, EURODAC für den Asylbereich und das Schengener Informationssystem (SIS) für die Polizei. Beim SIS hat sich der Bundesrat für die Teilnahme am Übergangssystem “SISone4all” entschieden. Die Einführung ist frühestens auf Ende 2008 vorgesehen.

5. Asylbereich

In den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 wurden 4’684 neue Asylgesuche in der Schweiz eingereicht. Dies entspricht einem Anstieg um 15.9 % im Vergleich zu den ersten fünf Monaten im Jahre 2006.

769 Gesuche, d. h. ein Sechstel aller Gesuche, wurden von eritreischen Personen, 471 Gesuche von irakischen Personen und 461 von Personen aus Serbien eingereicht. Die grosse Zahl von eritreischen Asylgesuchen kann auf ein publiziertes ARK-Urteil zurückgeführt werden. Gemäss diesem Urteil, sind Dienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea als Flüchtlinge zu anerkennen.

Mit systematischen Abklärungen im Einzelfall (Nationalität, Möglichkeit von Rückübernahmen durch Drittstaaten) wirkt das Bundesamt für Migration vor allem dieser Sogwirkung entgegen.

In den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 stellten 495 rumänische Personen ein Asylgesuch. Im Monat Mai hielten sich rund 300 rumänische Staatsangehörige in den Empfangs- und Verfahrenszentren auf und reichten ein Asylgesuch ein. Ein grosser Teil von ihnen wollte von der Rückkehrhilfe profitieren. Das Bundesamt für Migration strich daraufhin die Rückkehrhilfe für Angehörige von europäischen Staaten und führte die betroffenen rumänischen Personen mit zwei Sonderflügen nach Bukarest zurück. Diese Vorgehensweise zeigte Wirkung: In den vergangenen Wochen stellten nur noch 15 rumänische Staatsangehörige ein Asylgesuch.

Durch konsequente Rückführungen konnte der Bestand der Personen im Vollzugsprozess im Vergleich zum Vorjahr um 28.8 % auf 6’713 Personen Ende Mai 2007 gesenkt werden. Von diesen 6’713 Personen müssen für 4’637 Personen Papiere beschafft werden.

Der Bestand der Personen im Asylprozess betrug Ende Mai 2007 43’485 Personen. Ende Mai 2006 waren es noch 46’465. Seit dem 1. Januar 2007 wird auf Asylgesuche nicht mehr eingetreten, wenn keine gültigen Reisedokumente abgegeben werden und keine entschuldbaren Gründe vorliegen. In den ersten fünf Monaten waren dies 572 Nichteintretensentscheide wegen fehlenden gültigen Reisedokumenten.

Auch die neu eingeführte Durchsetzungshaft wird von den Kantonen angewandt. Das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben die von den Gegnern der Vorlage vor der Abstimmung als völkerrechts- und verfassungswidrig bezeichnete Haft und den sogenannten “Papierentscheid” als völkerrechts- und verfassungskonform bezeichnet.

Ab dem 1. Januar 2008 wird auch der zweite Teil der Bestimmungen des revidierten Asylgesetzes in Kraft treten. Die Regelung, wonach alle Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, keine Sozialhilfe mehr erhalten werden, soll das Ausreiseverhalten der Betroffenen verbessern.

Ein Schwerpunkt im laufenden Jahr ist die verbesserte Integration von anerkannten Flüchtlingen. Unter anderem soll vor allem der Spracherwerb und die Erwerbstätigkeit von anerkannten Flüchtlingen gefördert werden.

6. Konsequente Um- und Durchsetzung

Nach der Annahme des revidierten Asylgesetzes und des neuen Ausländergesetzes sind die Behörden auf allen Stufen verpflichtet, die vom Schweizer Volk gutgeheissenen Bestimmungen konsequent durchzusetzen.

Die politische Herausforderung besteht darin, legitime Bedürfnisse – freier Personenverkehr und kontrollierte Zuwanderung – auszubalancieren und gleichzeitig, die humanitäre Tradition zu wahren. Das können wir nur, indem wir Regelungen finden, die unser Staat gesellschaftlich und volkswirtschaftlich tragen kann und indem wir die Missstände beseitigen. Nur so kann die Bereitschaft, tatsächlich verfolgte Menschen aufzunehmen, in der Bevölkerung verankert bleiben.

Der Bundesrat hat die Pflicht, hin zu schauen, Probleme zu analysieren und hat den Auftrag, Lösungen zu finden. Wegsehen, Probleme zu bagatellisieren oder diese schön zu reden hilft niemanden.

Ich versichere Ihnen, weiterhin hinzuschauen und Lösungen vorzuschlagen. Ich will, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sich sicher sind und sich wohl fühlen können.

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